Gegen traditionsbedingte Gewalt  

erstellt am
26. 01. 06

Maßnahmenpaket der Bundesregierung
Wien (bmj) - Es ist vor allem die Verpflichtung politisch tätiger Frauen, alles zu unternehmen um jede Form von Gewalt an Frauen zu verhindern und zu bekämpfen. In dieser Regierung mit sechs Ministerinnen war es endlich möglich, entsprechende Schritte zu setzen und ein Maßnahmenpaket gegen traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen zu beschließen

1.LEGISTISCHE MAßNAHMEN DES BMJ
A) Zwangsheirat
Ein Partner, der seine Partnerin mit Gewalt oder gefährlicher Drohung nötigt, mit ihm die Ehe einzugehen, ist nach § 193 Abs. 2 2. Fall des Strafgesetzbuches wegen Ehenötigung strafbar. Die Strafdrohung beträgt ein Jahr. §193 ist derzeit noch ein sogenanntes Privatanklagedelikt.

Das Bundesministerium für Justiz hat einen Entwurf, mit dem §193 in ein Offizialdelikt umgewandelt wird , in Begutachtung versendet.

Im Falle einer Anzeige durch dritte Personen muss künftig also die Zustimmung des Opfers nicht mehr eingeholt werden. Eine Anzeige durch das Opfer selbst, kann dieses nicht mehr zurücknehmen. § 193 des Strafgesetzbuches ist totes Recht. Seit 1975 hat es nach der von der Statistik Austria herausgegebenen Gerichtlichen Kriminalstatistik insgesamt nur sieben Verurteilungen gegeben.

Dritte, also etwa die Angehörigen der Braut, haften nach den §§ 105, 106 des Strafgesetzbuches, also wegen Nötigung bzw. schwerer Nötigung.
Der Tatbestand differenziert nicht zwischen Angehörigen und Nichtangehörigen, auch nicht hinsichtlich der Verfolgungsermächtigung. Die §§ 105 und 106 des Strafgesetzbuches sind „reine“ Offizialdelikte.

Die Strafdrohung der Nötigung nach § 105 des Strafgesetzbuches ist Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Außerdem kann Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr verhängt werden.
Die schwere Nötigung nach § 106 des Strafgesetzbuches, mit einer Grundstrafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, ist ein Verbrechen. Eine schwere Nötigung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Täter mit dem Umbringen, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht.

Wer das Opfer (darüber hinaus) auch mit Gewalt oder gefährlicher Drohung zum Vollzug der Ehe, also zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes, nötigt, begeht eine Vergewaltigung oder geschlechtliche Nötigung (§§ 201, 202 StGB).
Die Grundstrafdrohung beträgt bei der Vergewaltigung sechs Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe, bei der geschlechtlichen Nötigung Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre.

Seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 gibt es keinerlei Unterschiede mehr zwischen Vergewaltigung oder geschlechtlicher Nötigung in Ehe/Lebensgemeinschaft oder außerhalb einer solchen.

Vergewaltiger oder geschlechtlicher Nötiger ist nicht nur der Ehemann, der seine Frau unter Gewaltanwendung oder gefährlicher Drohung zum Beischlaf mit ihm zwingt, sondern auch derjenige, der das Opfer zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs mit einem Dritten nötigt.
Es ist also auch der Vater, der seine Tochter mit Gewalt oder gefährlicher Drohung dazu zwingt, den Beischlaf mit ihrem Ehemann zu erdulden, unmittelbarer Täter der Vergewaltigung oder geschlechtlichen Nötigung.

B) Genitalverstümmelung
Genitalverstümmelungen waren immer schon Körperverletzungen.
Unsicherheit über die Strafbarkeit schien jedoch gelegentlich zu bestehen, weil das österreichische Strafrecht das Institut der Einwilligung des Verletzten nach § 90 StGB kennt, wodurch eine Körperverletzung straflos werden kann (Schönheitsoperationen).
Um jegliche Zweifel in dieser Richtung zu beseitigen, wurde mit dem § Strafrechtsänderungs- gesetz 2001 eine klarstellende Regelung in den § 90 StGB eingefügt, derzufolge „in eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen“, nicht eingewilligt werden kann (§ 90 Abs. 3 StGB).

Das bedeutet, dass weder Eltern für ihre Kinder, noch eine volljährige Frau für sich selbst mit strafbefreiender Wirkung in die Genitalverstümmelung einwilligen kann. Das heißt, dass der Täter in jedem Fall, also auch mit – und erst recht ohne – Einwilligung des Opfers für derartige Eingriffe strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.
In Österreich hat es noch keine Anzeigen wegen Genitalverstümmelung gegeben.

Die Tat ist allerdings auch bei Begehung im Ausland strafbar (also etwa auch während eines Heimaturlaubs): Wenn die Eltern den Täter oder die Täterin, also diejenige Person, die die Genitalverstümmelung letztlich vornimmt, von Österreich aus dazu bestimmen oder einen sonstigen Tatbeitrag dazu leisten.

Überdies wird künftig die Vollstreckungsverjährung erst mit Eintritt der Volljährigkeit des Opfers zu laufen beginnen.

C) Gefährliche Drohung
Die Gefährliche Drohung im Familienkreis kann derzeit nur mit der Einwilligung des Opfers (Privatanklagedelikt) verfolgt werden. Dies setzt gerade Frauen unter großen emotionalen Druck. Kommt es überhaupt zu Anzeigen, werden diese oft wieder zurückgenommen.

? Das Bundesministerium für Justiz hat einen Entwurf, mit dem die gefährliche Drohung auch im Familienkreis in ein Offizialdelikt umgewandelt wird , in Begutachtung versendet.

2. VERBESSERUNG DES OPFERSCHUTZES
Neue Opferrechte ab 1. Jänner 2006 :
Opfer von Genitalverstümmelung haben künftig Anspruch auf:

  • Kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitung
  • Information über ihre Rechte im Verfahren und über geeignete Opferschutzeinrichtungen
  • Verständigung über den Fortgang des Verfahrens (insbesondere über Einstellung oder Einleitung diversioneller Maßnahmen sowie der Freilassung des Beschuldigten),
  • Mitwirkung (Anwesenheit bei parteiöffentlichen Beweisaufnahmen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung sowie Recht, Zeugen, Sachverständige und Beschuldigte zu befragen)
  • Kontrolle (Akteneinsicht und Recht, ohne weiteres Kostenrisiko bei Gericht die Fortführung eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens zu verlangen)
  • Schonende Behandlung (Opfer, die in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten, sind durch eine Person des gleichen Geschlechts zu vernehmen und haben das Recht, bloß einmal im Verfahren, und das auf schonende Weise unter Vermeidung einer Konfrontation mit dem Täter vernommen zu werden)


3. BERATUNG UND INFORMATION
Unter der vom Bundesministerium für Justiz kostenlos eingerichteten Nummer 0800 112 112, erhalten Opfer von besonders geschulten Rechtsanwälten/innen anonyme juristische Beratung.

     
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