Papst betont in erster Enzyklika zentrale Bedeutung der Caritas  

erstellt am
25. 01. 06

Benedikt XVI. unterstreicht das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe
Wien (stephanscom.at / PEW) - Die zentrale Bedeutung der Caritas - als Haltung wie als Institution - betont Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika "Deus Caritas est", die am Mittwoch (25. 01.) veröffentlicht wurde. Die Caritas sei ein "wesentlicher Sektor" des kirchlichen Lebens, stellt Benedikt XVI. wörtlich fest. Die praktische Nächstenliebe gehöre genauso zum Wesen der Kirche wie der Dienst der Sakramente und die Verkündigung des Evangeliums.

Zugleich unterstreicht der Papst das Besondere des christlichen Gottesbildes und zitiert den Ersten Johannesbrief: "Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm". In diesen Worten sei die "Mitte" des christlichen Glaubens, das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges "in einzigartiger Klarheit" ausgesprochen. Benedikt XVI. erinnert daran, dass Jesus die beiden Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe zu einem "einzigen Auftrag" zusammengeschlossen hat. Weil Gott die Menschen "zuerst" geliebt hat, sei die Liebe aber nicht mehr nur ein "Gebot", sondern "Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins". In einer Welt, in der mit dem Namen Gottes "bisweilen die Rache oder gar die Pflicht zu Hass und Gewalt verbunden wird, sei dies "eine Botschaft von hoher Aktualität und von ganz praktischer Bedeutung", so der Papst.

Gottes- und Nächstenliebe
Benedikt XVI. betont in der Enzyklika die "notwendige Wechselwirkung" zwischen Gottes- und Nächstenliebe: "Wenn die Berührung mit Gott in meinem Leben ganz fehlt, dann kann ich auch im anderen immer nur den anderen sehen und kann das göttliche Bild in ihm nicht erkennen. Wenn ich aber die Zuwendung zum Nächsten aus meinem Leben ganz weglasse und nur 'fromm' sein möchte, nur meine 'religiösen Pflichten' tun, dann verdorrt auch die Gottesbeziehung".

Die in der Gottesliebe verankerte Nächstenliebe sei zunächst ein "Auftrag an jeden einzelnen Gläubigen", aber sie sei auch ein Auftrag an die gesamte kirchliche Gemeinschaft "auf all ihren Ebenen", von der Pfarre bis zur Universalkirche, so der Papst. Auch wenn die radikale Form der Gütergemeinschaft in der Urkirche beim Wachstum der Kirche nicht auferhalten werden konnte, sei der Kern immer bestehen geblieben: "Innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen darf es keine Armut derart geben, dass jemandem die für ein menschenwürdiges Leben nötigen Güter versagt bleiben". Die Kirche sei "Gottes Familie in der Welt", in der es keine Not Leidenden geben dürfe. Zugleich aber überschreite die Caritas die Grenzen der Kirche: Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter bleibe Maßstab und gebiete "Universalität der Liebe", die sich dem Bedürftigen zuwendet, dem man "zufällig" begegnet, wer immer er auch sei. Die Sorge für den Nächsten überwinde die Grenzen nationaler Gemeinschaften und sei bestrebt, ihre Horizonte auf die gesamte Welt auszuweiten.

Ausdrücklich betont Benedikt XVI. in seiner Enzyklika - die bewusst am letzten Tag der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen vorgestellt wurde - die Bereitschaft der katholischen Kirche zur Zusammenarbeit mit den karitativen Organisationen anderer christlicher Kirchen. Alle handelten ja ausgehend von der gleichen Grundmotivation und hätten das gleiche Ziel vor Augen: "Einen wahren Humanismus, der im Menschen das Ebenbild Gottes erkennt und ihm helfen will, ein Leben gemäß dieser seiner Würde zu verwirklichen".

Gerechtigkeit und Liebe
In der Enzyklika arbeitet der Papst auch den Unterschied zwischen karitativer Tätigkeit und dem politischen Einsatz für gerechte Strukturen heraus. Dabei hält Benedikt XVI. fest, dass es "keine gerechte Staatsordnung" gibt, die "den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte". Der totale Versorgungsstaat, der alles an sich zieht, werde letztlich zu einer bürokratischen Instanz, "die das Wesentliche nicht geben kann": Die liebevolle persönliche Zuwendung.

Wörtlich heißt es in der Enzyklika: "Die Kirche kann nicht und darf nicht den politischen Kampf an sich reißen, um die möglichst gerechte Gesellschaft zu verwirklichen. Sie kann und darf sich nicht an die Stelle des Staates setzen. Aber sie kann und darf im Ringen um Gerechtigkeit auch nichts abseits bleiben". Die Kirche müsse auf dem Weg der Argumentation in das "Ringen der Vernunft" eintreten und jene seelischen Kräfte wecken, ohne die "Gerechtigkeit, die immer auch Verzicht verlangt, sich nicht durchsetzen und nicht gedeihen kann". Eine Aufgabe der Kirche sei es, der "Gewissensbildung in der Politik" zu dienen. Damit die Vernunft recht funktionieren kann, müsse sie immer wieder "gereinigt" werden, denn ihre Erblindung "durch das Obsiegen des Interesses und der Macht" sei eine "nie ganz zu bannende Gefahr".

Bedeutung der Soziallehre
In diesem Zusammenhang habe die katholische Soziallehre große Bedeutung, so der Papst. Die Soziallehre wolle der Kirche nicht "Macht über den Staat" verschaffen, sie wolle auch den Nichtglaubenden keine "Einsichten und Verhaltensweisen" aufdrängen, die dem Glauben zugehören. Ihre Aufgabe sei es, zur "Reinigung der Vernunft" beizutragen. Die Soziallehre der Kirche argumentiere von der Vernunft und vom Naturrecht her. Ihr Ausgangspunkt sei das, "was allen Menschen wesensgemäß ist.

Benedikt XVI. definiert in der Enzyklika auch das Verhältnis von Kirche und Staat. Zur Grundgestalt des Christentums gehöre die Unterscheidung zwischen dem, was des Kaisers ist, und dem, was Gottes ist. Damit werde auch die Autonomie des weltlichen Bereichs anerkannt: "Der Staat darf die Religion nicht vorschreiben, sondern muss deren Freiheit und den Frieden der Bekenner verschiedener Religionen untereinander gewährleisten; die Kirche als sozialer Ausdruck des christlichen Glaubens hat ihrerseits ihre Unabhängigkeit und lebt aus dem Glauben heraus ihre Gemeinschaftsform, die der Staat achten muss. Beide Sphären sind unterschieden, aber doch aufeinander bezogen".

Ebenso klar definiert der Papst das Verhältnis von Caritas und staatlichen Sozialeinrichtungen: "Nicht den alles regelnden und beherrschenden Staat brauchen wir, sondern den Staat, der entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip großzügig die Initiativen anerkennt und unterstützt, die aus den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften aufsteigen und Spontaneität mit Nähe zu den hilfebedürftigen Menschen verbinden".
     
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