Neue Technik gegen den anonymen Missbrauch von Tauschbörsen  

erstellt am
06. 02. 06

Wasserzeichentechnologie mit Tauschbörsen-Software kombiniert – Automatisiertes Suchen nach gekennzeichnetem Material
Darmstadt (ispi) - Das Fraunhofer-Institut IPSI in Darmstadt wird auf der CeBIT 2006 (9.-15.3. Hannover, Halle 9, Fraunhofer-Stand B36, Arbeitsplatz 5.1) zwei Software- Prototypen vorstellen, die dazu dienen, in Internet-Tauschbörsen raubkopierte Dateien aufzuspüren. Dazu kombinieren die Informatikforscher der IPSI-Arbeitsgruppe Merit, die sich mit Mediensicherheit beschäftigen, ihre Wasserzeichentechnologie mit einem Tauschbörsen-Client (www.ipsi.de/wasserzeichen).

"Unser neuentwickeltes System richtet sich explizit nicht gegen die Tauschbörsen als solche, sondern nur gegen deren Nutzung zur Verbreitung illegaler Kopien", konstatiert der Leiter der Arbeitsgruppe, Dr. Martin Steinebach. Das Konzept beruht darauf, eine Software als Teilnehmer einer Tauschbörse auftreten zu lassen und gezielt potenzielle illegale Kopien herunter zu laden und nach Wasserzeichen zu durchsuchen. Diese vom IPSI entwickelten unhörbaren digitalen Wasserzeichen werden bereits in Online-Portalen wie libri.de, soforthoeren.de und diadopo eingesetzt, aber auch in Spezialanwendungen beim Deutschen Rundfunkarchiv oder dem Dienstleister labeltools.

Bisher bestand beim Einsatz digitaler Wasserzeichen immer die größte Herausforderung darin, markierte Inhalte auch wieder aufzuspüren, wenn sie zu illegalen Zwecken eingesetzt wurden. Das neue System durchsucht selbständig die ins Netz gestellten Dateien nach vorgegebenen Suchkriterien wie Dateityp und Namen. Passen diese, überprüft es sie. Das gegebenenfalls entdeckte Wasserzeichen kann dann Rückschlüsse auf die Quelle der illegalen Kopien liefern. So ist es im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen gegen die illegale Nutzung von Tauschbörsen nicht notwendig, die einzelnen Nutzer zu identifizieren. Diese Nutzer dienen ausschließlich als Weg zu den markierten Medien, die selber mit dem unhörbaren und nicht entfernbaren Wasserzeichen alle notwendigen Informationen zur Zurückverfolgung der illegalen Kopien enthalten. Dementsprechend ist das Verfahren völlig transparent für die Tauschbörse und flexibel auf allen bekannten Netzwerken einzusetzen.

Wasserzeichen kundenfreundlicher als DRM-Verfahren
Die Fraunhofer-Forscher sehen ihre Wasserzeichentechnologie und die jetzt beginnenden Zusatzentwicklungen als Alternative zu restriktiven Digital-Rights-Management-Systemen, die spezielle Abspielgeräte und häufige Internet-Verbindungen zum Abgleich mit dem Musik- oder Hörbuchlieferanten erfordern. "Unsere Kunden sind sich dessen sehr bewusst, dass die Privatanwender nur ein beschränktes Budget für derartige Unterhaltungselektronik haben und möchten lieber ihre wasserzeichengeschützten Dateien verkaufen, statt den Hardware-Verkauf zu befördern. Und die Endverbraucher sind froh, wenn sie ihre MP3-Dateien problemlos auf jedem Billigspieler laufen lassen oder sich für ihr Autoradio eine CD als Privatkopie brennen können", erläutert Sascha Zmudzinski, Diplom-Physiker am Fraunhofer IPSI. "Allerdings legen auch unsere Kunden und wir Wert darauf, dass das Urheberrecht nicht verletzt wird und die gekauften Dateien weder an Freunde weitergegeben noch in Tauschbörsen platziert werden dürfen. Solche Urheberrechtsverletzungen können wir mit dem unhörbaren Wasserzeichen nachweisen, und der Tauschbörsen-Crawler wird es unseren Kunden umso leichter machen, solche Rechtsverletzungen aufzuspüren."

Stoppschild online
Neben dem Durchsuchen von Tauschbörsen wird am IPSI derzeit auch eine Strategie untersucht, die bereits früher in das Geschehen eingreift. In vielen Tauschbörsen können Anwender nach Dateien anhand von beispielsweise Titeln, Dateigröße oder -typ suchen. Ein am IPSI entwickelter Prototyp kann diese Suchanfragen auf verschiedene Weisen beantworten. So kann beispielsweise anonym ein Warnhinweis an einen Tauschbörsenbesucher geschickt werden, dass die von ihm gesuchte Datei eine illegale Kopie darstellt und von einem Download abgesehen werden sollte. Das System enthält einen Mechanismus, der selbständig anhand von Suchanfragen in der Tauschbörse eine Liste von Schlüsselworten zur Erkennung der angefragten Dateien erzeugt. So kann etwa eine Liste der aktuellen Musikcharts einer Vielzahl von im Internet getauschten Musikdateien zugeordnet werden. Das Werkzeug ist zur Abschreckung von Anwendern gedacht, die sich in den Tauschbörsen unbeobachtet fühlen, und soll sie auf die illegalen Aktivitäten hinweisen. "Wir gehen davon aus, dass sich viele Nutzer immer noch nicht darüber im Klaren sind, dass auch sie eine Urheberrechtsverletzung begehen, wenn sie illegales Material herunterladen, und nicht nur derjenige gegen das Urheberrecht verstösst, der das Material in der Tauschbörse einstellt", führt Steinebach aus, und stellt klar: "Es geht aber nicht darum, die Tauschbörsennutzer nun zu ermitteln und irgendwo anzuschwärzen. Wir möchten einfach, dass jeder, der sich gesetzwidrig verhält, auch erfährt, dass er dies tut. Nutzer, die bisher anonym Tauschbörsen für illegale Downloads missbrauchen, sollen sich beobachtet fühlen."

Beide Verfahren befinden sich derzeit als Prototypen im fortgeschrittenen Stadium der Forschung. Gemeinsam mit interessierten Industriepartnern können diese aber schnell zu praxistauglichen Systemen ausgebaut werden. Die digitalen Medienwasserzeichen des Fraunhofer IPSI sind auch für Bild- und Videodaten verfügbar, ändern das Dateiformat nicht und sind ohne Kenntnis der verwendeten Markierungssoftware sowie eines vorher festgelegten geheimen Schlüssels nicht nachweisbar, so dass ein Raubkopierer in der Praxis kaum Chancen hat, überhaupt zu prüfen, ob sein Versuch, die Wasserzeichen zu entfernen, erfolgreich war. Die digitalen Wasserzeichenmarkierungen überstehen, wie in Praxistests nachgewiesen, sogar die erneute analoge Mikrofon-Aufzeichnung von einem per Lautsprecher abgespielten Musikstück, das Einscannen einer markierten Fotografie oder das Abfilmen eines markierten Videos mit einem Camcorder.

Fraunhofer IPSI auf der CeBIT 9.-15.3.2006, Halle 9, Stand B36, Arbeitsplatz 5.1
     
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