EU muss Globalisierung mitgestalten  

erstellt am
14. 02. 06

Gegen einseitige EU-Zugeständnisse bei WTO-Runde
Wien (aiz.info) - "Die Globalisierung ist ein Faktum, sie kann von der EU nicht gestoppt, sondern sie muss von ihr gestaltet werden", dies stellte Landwirtschaftsminister Josef Pröll am Montag (13. 02.) bei der Eröffnung der Wintertagung 2006 des Ökosozialen Forums an der Wirtschaftsuniversität Wien fest.

Die EU müsse daher bei der laufenden WTO-Runde einig sein und dürfe keine weiteren einseitigen Zugeständnisse machen, so Pröll. Der Minister zog eine positive Bilanz nach elf Jahren österreichischer EU-Mitgliedschaft und gab einen Überblick über die agrarischen Ziele beziehungsweise die Tätigkeit der Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006. Zur aktuellen Vogelgrippe-Problematik warnte Pröll davor, in Panik zu geraten. Die EU tue alles, was in diesem Fall notwendig sei.

"Österreich ist derzeit das Vorsitz führende Mitgliedsland in der EU. Seit unserer letzten Ratspräsidentschaft im Jahr 1998 hat sich viel getan. Ich verweise auf die Einführung des Euro und die Erweiterung der Union auf 25 Mitgliedstaaten mit über 450 Mio. Konsumenten", erklärte Pröll. Österreich sei mittlerweile elf Jahre Mitglied der Union, seit dem EU-Beitritt habe sich unter anderem bei den Agrarexporten eine äußerst positive Entwicklung gezeigt. "Wir haben im Jahr 2005 erstmals im agrarischen Außenhandel eine positive Bilanz erzielt, das ist eine gewaltige Leistung", gab der Minister zu bedenken.

EU-Erweiterung als Chance begreifen
"Auch im Agrarhandel mit den neuen Mitgliedsländern zeigt sich eine erfreuliche Steigerung der Exporte. Wichtig dafür war die vor zwei Jahren gestartete Exportinitiative 1-24. Die bemerkenswertesten Ergebnisse des Exports in diese Länder sind Ausfuhrsteigerungen bei Milch und Rahm um 360%, bei Joghurt um 238%, bei Schweinefleisch um 92% und bei Würsten um 63%", berichtete der Ressortchef.

Die Förderung der neuen Mitgliedstaaten sei auch für Österreich ein Vorteil: Die neue Strukturförderung bringe dort ein BIP-Wachstum von ca. EUR 70 Mrd. Das bedeute mehr als EUR 2 Mrd. zusätzliche Exporte für Österreich. Die Beitrittsländer hätten einen gewaltigen Aufholbedarf im Umwelttechnikbereich. Österreichs Firmen seien hier führend und könnten davon profitieren. Das bringe auch im Inland mehr Beschäftigung, das WIFO prognostiziere dabei für Österreich zusätzlich 7.000 Arbeitsplätze jährlich oder 70.000 in zehn Jahren.

Positive Bilanz bei ländlicher Entwicklung
Österreich könne auch für den ländlichen Raum eine positive Bilanz ziehen, gab der Minister zu bedenken. Zwischen 1995 und 2006 seien in diesen Bereich EUR 12 Mrd. geflossen, davon EUR 5,2 Mrd. aus EU-Mitteln.

WTO: Doha ist keine reine Agrarrunde
Im Zusammenhang mit dem Thema Globalisierung komme der laufenden WTO-Runde für die Landwirtschaft große Bedeutung zu, meinte Pröll. Positiv sei, dass die EU bei der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong mehr oder weniger geschlossen aufgetreten sei. "Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Doha-Runde eine Entwicklungsrunde ist", unterstrich Pröll.

Die EU sei bei der Armutsbekämpfung bereits jetzt Vorreiter: "Die EU ist weltweit der größte Importeur von Agrarerzeugnissen im Umfang von etwa USD 60 Mrd., sie ist auch der größte Abnehmer von Agrarerzeugnissen aus Entwicklungsländern, die Union führt hier genauso viel ein, wie USA, Japan, Kanada, Australien und Neuseeland zusammen importieren. 54% der Agrarausfuhren Afrikas und 45% der Agrarexporte Lateinamerikas gehen in die Europäische Union", hielt Pröll fest. Dazu komme die "Everything but Arms Initiative", die den ärmsten Ländern der Welt bessere Exportchancen zugestehe. "Wir brauchen uns also diesbezüglich nicht von der Rhetorik der Amerikaner und anderer Länder irritieren lassen", so der Minister.

Er appellierte in diesem Zusammenhang an die WTO-Partner - allen voran die USA, Brasilien, Indien und Afrika - endlich echte Fortschritte in den Bereichen Industriegütern und Dienstleistungen zu akzeptieren. Diese WTO-Runde sei nämlich nicht auf den Agrarbereich beschränkt.

EU hat große Vorleistungen für WTO-Runde erbracht
Was das Agrarkapitel angehe, so habe die EU mit der GAP-Reform und mit der Entkoppelung der Prämien bereits eine große Vorleistung für diese WTO-Runde erbracht. Weiters habe Europa klargestellt, dass die multifunktionalen Leistungen der Landwirtschaft wie die soziökonomische Entwicklung der ländlichen Räume, Umweltleistungen, Lebensmittelsicherheit und Landschaftspflege auch in den multilateralen Verhandlungen berücksichtigt bleiben müssen. "In diesen Punkten blieb die EU in Hongkong hart und verteidigte ihre Kernpunkte im Landwirtschaftsbereich", betonte Pröll und dankte dafür auch Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel.

Die EU sei auch standhaft geblieben bei der Absicherung der so genannten Green Box; das österreichische Agrarmodell mit seinem Umweltprogramm sei damit gut abgesichert. Zugeständnisse habe es im Exportwettbewerb gegeben, hier habe die EU eingewilligt, die Exporterstattungen schrittweise bis 2013 abzubauen. Dabei müsse es jedoch zu einer völligen Parallelität kommen, hier seien alle Formen der Exportförderungsmaßnahmen (Exportkredite, Staatshandelsförderung, Nahrungsmittelhilfe usw.) abzubauen.

"Mit der nun vorliegenden Ministererklärung sind nun die Leitplanken für den weiteren Verhandlungsverlauf gesetzt. In Genf folgen jetzt die Detailverhandlungen. Die konkreten Texte mit Zahlen in allen Bereichen sollen bis Ende April 2006 auf dem Tisch liegen, die konkreten Verpflichtungslisten sollen bis 31.07.2006 vorliegen", skizzierte der Minister den weiteren Fahrplan. Ziel der EU sei es, auf ein ausgewogenes Verhandlungsresultat hinzuarbeiten.

Bauern brauchen jetzt Phase der Stabilität
Der Ressortchef ging als derzeitiger EU-Agrarratsvorsitzender auch auf die österreichischen Vorhaben in diesem Halbjahr ein. "Mein grundsätzliches Bestreben ist es, nach Jahren und Jahrzehnten mit zum Teil einschneidenden Reformen unseren Bauern ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit zu geben. Bis zum Jahr 2013 sollen die bisherigen Reformen die Grundlage für das Wirtschaften unserer Landwirte sein. Die Bauern sollen jetzt in Ruhe arbeiten können", sagte Pröll.

Bezugnehmend auf das Referat von Professor Folkhard Isermeyer von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, Braunschweig, betonte der Minister, dass er vor 2014 keine Notwendigkeit sehe, die Abschaffung der Milchquote zu diskutieren.

Was die konkreten Arbeitsvorhaben betreffe, so werde es insbesondere um die rasche Umsetzung der legistischen Texte zur Zuckermarkt-Reform gehen. Diese seien auch in der kommenden Woche ein wichtiges Thema beim Agrarministerrat. Die Frage der Übermengen sei jedenfalls vor der kommenden Anbauperiode zu klären.

Ein großes österreichisches Anliegen sei weiterhin die biologische Landwirtschaft. Ziel sei es, die bestehende EU-Verordnung für die ökologische Landwirtschaft auf Grundlage des Bio-Aktionsplans abzuändern und verwaltungstechnisch zu vereinfachen.

Klärungsbedarf bei Gentechnik
In der agrarischen Gentechnik bestehe in der Union noch Klärungsbedarf, erklärte der Minister. Speziell die Frage der Koexistenz müsse einer Lösung zugeführt werden. Gemeinsam mit der EU-Kommission habe man dazu eine große Konferenz im April in Wien geplant. "Österreich hat eine klare Position zur Gentechnik. Wer auf diese Technik verzichten will, soll es auch weiterhin können und dürfen", unterstrich Pröll. Er sprach sich dabei für eine Versachlichung der Diskussion über dieses Thema aus. Bisher hätten häufig die Emotionen dominiert, wenn von Gentechnik die Rede gewesen sei.

"Ein besonderes Augenmerk werden wir in diesem Halbjahr außerdem auf den Bereich der nachwachsenden Rohstoffe legen. Auf der Grundlage des Aktionsplans der EU-Kommission zur Biomasse soll die Rolle des Einsatzes erneuerbarer Energiequellen im Rahmen der GAP erörtert und eine Diskussion zum vermehrten Einsatz von Biokraftstoffen lanciert werden", gab der Minister zu verstehen. Im kommenden Agrarministerrat werde man versuchen, diesen Plan "auf den Weg zu bringen". Auch bezüglich des Forst-Aktionsplans werde Österreich initiativ werden, dieses Thema werde dann von der finnischen Ratspräsidentschaft weiter behandelt.

Österreichischen Weg der Ländlichen Entwicklung vorbereiten
Besonders intensiv werde derzeit der österreichische Weg der Ländlichen Entwicklung vorbereitet, informierte der Ressortchef. "Wir schnüren gerade ein neues Paket für die Periode 2007 bis 2013, das intensiv in allen Facetten diskutiert wird. Fest steht, dass das Umweltprogramm ÖPUL und die Ausgleichszulage zentrale Elemente dieses Programms bleiben. Verstärkt werden die Bereiche Investitionsförderung, Bildung und Vermarktung", so Pröll. Ein Erfolg sei, dass beim EU-Gipfel in Brüssel - entgegen den ursprünglichen Kürzungsplänen - für die Ländliche Entwicklung Mittel für Österreich im bisherigen Umfang gesichert werden konnten, während es in anderen Ländern weniger Geld geben werde. In Summe betrage das EU-Budget für die Ländliche Entwicklung künftig EUR 69,25 Mrd., für die EU-15 seien davon EUR 36,24 Mrd. reserviert.

Der Minister erinnerte abschließend daran, dass sowohl für die GAP-Reform, die WTO-Verhandlungen und für die Finanzielle Vorschau der Zeithorizont bis zum Jahr 2013 gewählt wurde. Die Landwirtschaft müsse jedoch für die Zeit danach gewappnet sein. Es gelte daher, auch in der ländlichen Entwicklungspolitik ein besonderes Augenmerk auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe zu legen.
     
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