Wiens Altbürgermeister Leopold Gratz ist gestorben  

erstellt am
02. 03. 06

Er war von 5. Juli 1973 bis 10. September 1984 Bürgermeister der Stadt Wien
Wien (rk) - Altbürgermeister Leopold Gratz ist am Donnerstag (02. 03.) früh in der


U Leopold Gratz

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Krankenanstalt Rudolfstiftung nach längerer Krankheit gestorben. Gratz war von 5. Juli 1973 bis 10. September 1984 Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien und hat die Entwicklung der Stadt in dieser Zeit - vom U-Bahn-Bau bis zum Bau der Donauinsel - wesentlich geprägt.

Leopold Gratz wurde am 4. November 1929 in Ottakring geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums studierte er an der Universität Wien Rechtswissenschaften und schloss das Studium mit der dritten Staatsprüfung ab. 1952/53 war er als Vertragsbediensteter beim Landesarbeitsamt Wien tätig und arbeitete von Mai 1953 bis zum Dezember 1954 als Angestellter des Klubs der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte, ab 1. Jänner 1955 als Parlamentsbediensteter.

1963 wurde Leopold Gratz Zentralsekretär der SPÖ. Ebenfalls 1963 wurde er in den Bundesrat entsandt, dem er bis 6. März 1966 angehörte.

Als Nachfolger Franz Olahs zum Bezirksparteiobmann von Wien-Hernals gewählt, zog Leopold Gratz am 30. März 1966 als Abgeordneter in den Nationalrat ein, dem er bis zum 15. Juni 1973 angehörte. Nach der Etablierung der Minderheitsregierung Kreisky I gehörte ihr Leopold Gratz ab dem 21. April 1970 bis zum 4. November 1971 als Bundesminister für Unterricht und Kunst an; in diese Zeit fallen vor allem eine Bundestheaterreform, die Sistierung der Aufnahmeprüfung an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen und Ausweitungen der Schulversuche.

Von November 1971 bis Juni 1973 fungierte Leopold Gratz als Geschäftsführender Klubobmann des Klubs der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte, bis er als Nachfolger des zurückgetretenen Felix Slavik zum neuen Wiener Bürgermeister gewählt wurde. Als solcher setzte er sich für eine Modernisierung der Stadtverwaltung ein und legte den Hauptakzent seines Regierungsprogramms auf die Sektoren "Gesundheit", "Verkehr" und "Wohnungswesen". Nach den Ereignissen um den Einsturz der Reichsbrücke am 1. August 1976 wurde das "Technische Sicherheitskontrollamt" geschaffen.

Zu den großen kommunalen Leistungen und Reformen während seiner Amtszeit zählen u.a. die Neugestaltung des Donaubereiches, die Fertigstellung des U-Bahn- Grundnetzes, die Revitalisierung der Inneren Stadt mit der Schaffung der großen Fußgängerzonen, die Wende zur Stadterneuerung, der Ausbau der sozialen Dienste und des Bürgerdienstes, die Einleitung der Dezentralisierung sowie die Reform der Stadtverfassung.

In der Amtszeit von Bürgermeister Gratz waren auch so diffizile Probleme, wie der Neubau des Allgemeinen Krankenhauses und die Wiederverwertung bzw. Aufbereitung der immer mehr ansteigenden Müllberge zu bewältigen.

Von September 1984 bis Juni 1986 war Leopold Gratz Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten im Kabinett Sinowatz.

Ab Dezember 1986 gehörte Leopold Gratz wieder dem Nationalrat an, zu dessen Ersten Präsidenten er wenig später gewählt wurde. Im Februar 1989 trat Gratz von allen politischen Funktionen zurück.

Vom Land Wien wurde Leopold Gratz 1979 mit dem "Großen Goldenen Ehrenzeichen mit dem Stern" ausgezeichnet. Im Juni 1995 wurde Leopold Gratz Ehrenbürger der Stadt Wien.

 

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
Wien (bpd) - Betroffen vom Tod des früheren Nationalratspräsidenten, Bundesministers und langjährigen Bürgermeisters von Wien, Leopold Gratz, zeigte sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel: „Leopold Gratz hat einen Großteil seines Lebens der Politik gewidmet. In zahlreichen Funktionen hat er die österreichische Innen- und Außenpolitik der 70er und 80er Jahre entscheidend mitgeprägt. Als langjähriger Bürgermeister der Bundeshauptstadt hat Leopold Gratz die Modernisierung von Wien vorangetrieben und sich als Nationalratspräsident für den gelebten Parlamentarismus in Österreich eingesetzt. Gratz war ein vielseitiger Politiker, der jede Funktion mit ganzer Kraft und Phantasie ausgeübt hat“, so der Bundeskanzler.

Schüssel drückte im Namen der Bundesregierung den Angehörigen des Verstorbenen sein Beileid aus: „Sein Tod ist ein großer Verlust für seine Familie und Angehörigen, denen ich meine aufrichtige Anteilnahme ausspreche.“

 

Khol: Leopold Gratz war ein begeisterter Parlamentarier
Wien (pk) - "Leopold Gratz hat im Laufe seines Lebens hohe und höchste politische Ämter bekleidet. Aber eines war er immer: ein begeisterter Parlamentarier, von seinen Anfängen als Sekretär im Klub der SPÖ, als Bundesrat, als Abgeordneter, als Klubobmann seiner Fraktion und im Amt des Präsidenten des Nationalrats." So reagierte Nationalratspräsident Andreas Khol auf die Nachricht vom Tod seines Amtsvorgängers Leopold Gratz. Khol eröffnete die Sitzung des Nationalrats am Donnerstag (02. 03.) mit einer Würdigung von Leopold Gratz und einer Gedenkminute. "Seine Vorsitzführung im Nationalrat, seine Menschlichkeit und sein Humor haben mich als damals jungen Abgeordneten beeindruckt. Leopold Gratz war ein großer Diener unserer Republik", sagte Khol weiter. "Mit großem Einsatz, umfassender Sachkenntnis und feinem Humor führte er seine Ämter zum Wohle unseres Landes. Mit ihm verlieren wir einen großen Österreicher, unser Mitgefühl gilt heute seiner Familie", schloss Khol.

Leopold Gratz wurde am 4. November 1929 in Wien geboren, wo er auch seine Ausbildung absolvierte. Nach dem Studium trat er als Vertragsbediensteter in das Landesarbeitsamt Wien ein, ehe er 1953 Angestellter des SPÖ-Parlamentsklubs wurde. Schon zuvor hatte Gratz als Sekretär der Wiener SJ politische Erfahrung gesammelt, die er im Klub anwenden konnte. Bald stieg er daher zum Klubsekretär auf und übte dabei jene Funktion aus, die heute von den Klubdirektoren wahrgenommen wird.

1963 entsandte ihn das Land Wien in den Bundesrat, im März 1966 wechselte Gratz in den Nationalrat. Nach dem sozialistischen Wahlsieg 1970 berief Bundeskanzler Kreisky Gratz in seine Alleinregierung, wo er von April 1970 bis November 1971 als Unterrichtsminister wirkte. ScIm Zuge der Regierungsumbildung nach den Neuwahlen 1971 schied Gratz aus der Bundesregierung aus und übernahm den Posten des SP-Klubobmannes, den er bis Juni 1973 innehatte.

In diesem Jahr kam es zu einem Wechsel an der Spitze der Wiener SPÖ. Bürgermeister Slavik legte seine Ämter zurück, Leopold Gratz folgte ihm nach. Als Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien wurde Gratz auch zum Landesparteivorsitzenden der SPÖ Wien und zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPÖ gewählt. Bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen 1973 verfehlte Gratz nur hauchdünn die Zweidrittelmehrheit im Rathaus. Gratz war auch bei den Wahlen 1978 und 1983 Spitzenkandidat seiner Partei, wo er jeweils eine solide absolute Stimmen- und Mandatsmehrheit einfahren konnte. In seine Amtszeit als Bürgermeister fallen u.a. die konsequente Fortsetzung des Wohnbauprogramms, die WIG 74 und der Bau des Konferenzzentrums.

Im September 1984 übersiedelte Gratz vom Rathaus in das Außenamt und übernahm im Kabinett Sinowatz II den Posten des Außenministers. 57jährig schied Gratz im Juni 1986 im Zuge des Kanzlerwechsels von Sinowatz zu Vranitzky aus der Regierung aus und zog sich eine zeitlang aus der aktiven Politik zurück - wenn er auch weiterhin seine Parteiämter behielt. Im Dezember 1986 kehrte er in den Nationalrat zurück und wurde von den Abgeordneten der XVII. GP zum Präsidenten gewählt. 1988 übergab er den Vorsitz der Wiener SPÖ an seinen langjährigen Freund Hans Mayr.

 

Gusenbauer würdigt Gratz als "großen Sozialdemokraten und Humanisten"
Wien (sk) - Mit großer Bestürzung reagierte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer auf das Ableben von Leopold Gratz. Er würdigte den ehemaligen Wiener Bürgermeister, Minister und Parlamentarier als "großen Sozialdemokraten und Humanisten, der sein Leben in den Dienst der Republik gestellt hat". Gratz habe in all seinen politischen Funktionen – ob als Abgeordneter, Unterrichtsminister, Klubobmann, Wiener Bürgermeister, Außenminister und Nationalratspräsident – bewiesen, dass ihm die Sorgen der Menschen das wichtigste Anliegen sind.

"Er hat das Ohr bei den Bürgern gehabt, nicht zuletzt deshalb war er auch ein so außerordentlich beliebter Wiener Bürgermeister", so Gusenbauer. Besonders ausgezeichnet habe sich Gratz auch durch seine Menschlichkeit, seinen Humor und seinen Charme – "die Sozialdemokratie hat mit ihm einen ihrer angesehensten Vertreter, die österreichische Republik einen ihrer profiliertesten Politiker verloren", so Gusenbauer. "Unser Mitgefühl gehört jetzt seiner Familie."

 

Österreichischer Städtebund würdigt Leopold Gratz
Präsident des Österreichischen Städtebundes von 1974 bis 1984 - Pramböck: "Kommunaler Vordenker mit Weitblick"
Wien (rk) - "Altbürgermeister Gratz war immer ein kommunaler Vordenker mit Weitblick, der die Zeichen der Zeit früher als andere erkannt hat", würdigte Städtebund-Generalsekretär Erich Pramböck den verstorbenen Wiener Altbürgermeister, früheren Bundesminister und Nationalratspräsidenten Leopold Gratz. Leopold Gratz fungierte in seiner Amtszeit als Wiener Bürgermeister von 1974 bis 1984 als Präsident des Österreichischen Städtebundes.

Äußerst aktiver Städtebund-Präsident
"Leopold Gratz war in seiner aktiven Zeit als Wiener Bürgermeister an allen kommunalen Entwicklungen auf nationaler bzw. internationaler Ebene äußerst interessiert und hat die Arbeit des Österreichischen Städtebundes durch seinen beispielhaften Einsatz für die kommunale Sache ganz entscheidend mitgeprägt. Nicht zufällig wurde bei den Städtetagen in den siebziger Jahren gerade über die Thematik Umweltschutz erstmals diskutiert", so Pramböck. Gratz habe im Gleichklang mit legendären Bürgermeister- Kollegen wie Lugger (Innsbruck), Barwitzius (Wiener Neustadt) oder Hillinger (Linz) zu einer Stärkung der Position des Städtebundes als kommunale Interessenvertretung auf Bundes- und Länderebene wesentlich beigetragen.

Ehrenmitglied im Österreichischen Städtebund
Nicht zuletzt aufgrund seines langjährigen Engagements wurde Gratz 1985 die Ehrenmitgliedschaft des Österreichischen Städtebundes verliehen. "Leopold Gratz hinterlässt in der kommunalen Familie eine große Lücke. Unser Mitgefühl gilt in dieser schweren Stunde seinen Angehörigen", so Pramböck abschließend.

 

Tiefe Betroffenheit im Wiener SPÖ-Gemeinderatsklub
Wien (spw-k) - Tief betroffen vom Ableben des langjährigen Wiener Bürgermeisters und Vorsitzenden der Wiener SPÖ, Leopold Gratz, zeigten sich sowohl die Mitglieder des Gemeinderatsklubs der Wiener SPÖ als auch des Verbandes der sozialdemokratischen Gemeinde- und BezirksvertreterInnen in Wien. Deren Vorsitzender, Gemeinderat Christian Oxonitsch, sowie der Vorsitzende der Wiener SPÖ-BezirksvorsteherInnen, Karl Lacina, sprachen am Rande der gerade stattfindenden Sitzung der SP-BezirksvorsteherInnen in einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber dem Pressedienst der SPÖ Wien von einem "schweren Verlust nicht nur für die Wiener SozialdemokratInnen, sondern für alle WienerInnen und ÖsterreicherInnen". Für den Humanisten Leopold Gratz sei Wien und das Wohlergehen der Menschen insgesamt, so die beiden SP-Politiker, Lebensprogramm gewesen. Auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik sei der umsichtige und deshalb so wertvolle Rat des langjährigen Politikers weit über seine Partei hinaus stets willkommen geheißen und außerordentlich geschätzt worden. Oxonitsch und Lacina: "Das Wirken von Leopold Gratz hat tiefe, unauslöschbare Spuren nicht nur in seiner Heimatstadt, sondern weit darüber hinaus hinterlassen. Unser ganzes Mitgefühl gilt nun seiner Familie in den für sie so schweren Stunden. Wir werden Leopold Gratz niemals vergessen", schlossen die beiden Politiker.
     
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