Das Jahresprogramm des ECOFIN-Rates für 2006  

erstellt am
09. 03. 06

Das ganze Potential Europas freisetzen
Wien (pk) - Finanzminister Karlheinz Grasser hat dem Nationalrat die "Jahresvorschau 2006 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates" ( III-206 d.B.) vorgelegt. Der Bericht enthält das gemeinsame Arbeitsprogramm 2006 der aufeinander folgenden Ratspräsidentschaften Österreichs und Finnlands. Beide Vorsitzländer wollen Wachstum und Beschäftigung verbessern und Europa im globalen Kontext stärken. Die neue Lissabon-Strategie und der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt stehen dabei im Zentrum. Im April wird der informelle ECOFIN-Rat in Wien über die Stärkung des Wirtschafts- und Investitionsstandorts Europa beraten und auch nach Wegen suchen, die Vorteile der Globalisierung möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Außerdem bereitet der ECOFIN für den Frühjahrsgipfel der Staats- und Regierungschefs ein Papier zu den wichtigsten wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen der Europäischen Union vor. Österreich und Finnland wollen auch die Verhandlungen zur Agenda 2007 abschließen. Dabei stehen eine Einigung mit dem EU-Parlament über die Interinstitutionelle Vereinbarung, die Frage der Aufteilung der Budgetmittel auf die Gemeinschaftsprogramme und die Haushaltsprioritäten für 2007 auf der Tagesordnung.

"Das ganze Potential Europas freisetzen" lautet das Motto des Legislativ- und Arbeitsprogramms der EU-Kommission für 2006. Die konkreten Themen bei der Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung lauten: Stimulierung von Wissen und Innovation auf Basis adäquater Infrastrukturen, Verbesserung der geografischen und beruflichen Mobilität, Weiterentwicklung des Binnenmarktes und Programmierung der Ausgaben für Kohäsion und ländliche Entwicklung. Dazu kommt die Entwicklung von Lösungsansätzen für die langfristigen Probleme: Alterung der Bevölkerung, Klimawandel, nachhaltiges Ressourcenmanagement.

In den Außenbeziehungen hat die Nachbarschaftspolitik für die Kommission Priorität. Mit der Veröffentlichung der Monitoring-Berichte beginnt für Bulgarien und Rumänien die letzte Phase der Beitrittsverhandlungen. Mit Kroatien und der Türkei werden die Beitrittsverhandlungen fortgesetzt.

Die Entwicklungspolitik der EU konzentriert sich 2006 auf die Umsetzung der Vereinbarungen beim G8-Gipfel 2005 und auf die Millenniumsziele der Vereinten Nationen. Im Mittelpunkt steht der Ausbau der Partnerschaft mit Afrika. Die Doha-Entwicklungsrunde (WTO-Handelsverhandlungen) soll auf Basis der Ergebnisse von Hongkong bis Ende 2006 abgeschlossen werden.

Umsetzung der neuen Lissabon-Strategie
Der Frühjahrsgipfel 2006 wird erstmals auf Basis der erneuerten Lissabon-Strategie vorbereitet. Instrumente der neuen Strategie sind die "Integrierten Leitlinien" für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, die "Nationalen Reformprogramme", über die die Mitgliedstaaten erstmals im Herbst 2006 berichten müssen, und das Lissabon-Programm der Kommission für Maßnahmen auf der Gemeinschaftsebene.

Im Fortschrittsbericht vom Jänner 2006 zur Lissabon-Reformagenda für Wachstum und Beschäftigung setzt die Kommission auf Investitionen in Wissen und Innovation, auf das Potential der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), auf eine höhere Anpassungsfähigkeit an Globalisierung und Bevölkerungsalterung sowie auf eine effiziente und integrierte europäische Energiepolitik. Die bisherigen Debatten zeigten, dass diese Grundzüge der Wirtschaftspolitik und das Ziel einer stabilitätsorientierten Budgetpolitik breite Zustimmung bei den Mitgliedsländern finden, heißt es im Bericht des Finanzministers.

In den neuen Nationalen Reformprogrammen sieht Österreich ein wichtiges Instrument zur Umsetzung konkreter Lissabon-Ziele und erwartet von der Selbstbindung der Mitgliedstaaten eine beschleunigte Umsetzung der europäischen Reformagenda.

Der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt
Die österreichische Präsidentschaft hat nicht nur die erneuerte Lissabon-Strategie, sondern auch den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt anzuwenden. Konkret bedeutet dies eine verstärkte Prävention, die gleichmäßigere Anwendung der Fiskalregeln über den Konjunkturzyklus und mehr Rücksicht auf Besonderheiten der Länder. Ende 2005 waren gegen Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Griechenland, sowie gegen Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Malta und Zypern Defizitverfahren anhängig. Im Jänner wurde auch gegen Großbritannien ein Verfahren eingeleitet. Österreich will den Stabilitäts- und Wachstumspakt konsequent umsetzen und die Wachstumsbeschleunigung für eine Trendumkehr in der europäischen Budgetpolitik nutzen.

Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen
Die Alterung der Bevölkerung hat Auswirkungen auf Budgets und Wachstumspotential, schreibt die Kommission in einem aktuellen Bericht. Die altersrelevanten Ausgaben könnten bis 2050 um 4 % des BIP steigen, in manchen Mitgliedstaaten sogar um bis zu 10 %. Das Potentialwachstum könnte von 2,2 % in der Periode 2004 bis 2010 auf 1,4 % von 2030 bis 2050 sinken. Die dreifache Nachhaltigkeits-Strategie der EU zielt auf langfristige Sozialreformen, den Abbau öffentlicher Schulden sowie auf eine höhere Erwerbsbeteilung und mehr Produktivität. Österreich hat bereits Reformen zur Sicherung der öffentlichen Finanzen durchgeführt und erwartet eine ähnlich konsequente Umsetzung notwendiger Reformen auch in anderen EU-Ländern.

Europäische Investitionsbank
Das 2006 auslaufende Mandat der Europäischen Investitionsbank (EIB) für Darlehen an Drittstaaten ist auf Südosteuropa, Russland, die Neuen Unabhängigen Staaten, die Mittelmeer-Anrainerstaaten (FEMIP) sowie Asien, Lateinamerika und Südafrika konzentriert. Für 2007 bis 2013 sind höhere Darlehen und vier regionale Teilmandate vorgesehen: Vorbeitrittsländer (Westbalkan, Türkei), Nachbarschafts- und Partnerschaftsländer (Mittelmeer-Partnerstaaten, Osteuropa, Südkaukasus und Russland), Asien und Lateinamerika sowie Südafrika. Österreich will Kredite auf Staaten mit Beitrittsperspektive und EU-Nachbarn konzentrieren und die Kooperation zwischen Investitionsbank und Europäischer Entwicklungsbank (EBRD) verbessern.
   

Auf dem Weg zur Harmonisierung des Zahlungsverkehrs
Österreich unterstützt einen Richtlinienvorschlag der Kommission zur Harmonisierung des Massenzahlungsverkehrs in der EU. Ratsvorsitzender Grasser will beim ECOFIN-Rat im Juni eine Einigung erreichen. Wichtig ist ihm eine Balance zwischen den Aufwendungen für die Banken und den Interessen der Konsumenten.

Bei der Umsetzung des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen sollen die Aufsichtsstandards weiter angenähert werden. Ein "Einheitlicher Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr" und eine Verordnung zur Umsetzung der Sonderempfehlung VII der "Financial Action Task Force on Money Laundering - FATF" sind geplant. Banken sollen bei Überweisungen Angaben über den Auftraggeber übermitteln, um den Kampf gegen den Terrorismus zu erleichtern. Zur FATF-Sonderempfehlung VIII gegen den Missbrauch von Non-Profit-Organisationen zur Finanzierung des Terrors ist ein Workshop der Kommission und eine Veranstaltung mit dem Golfkooperationsrat in Brüssel geplant.

Garantiesysteme für Versicherungen
Ablehnend verhält sich Österreich gegenüber einem von der Kommission vorgeschlagenen Garantiesystem für Versicherungen, wie es in Frankreich, Großbritannien und Irland bereits besteht. Für Österreich entspricht das Konkursrecht für Versicherungen der Insolvenzsicherung bei Banken und Wertpapierfirmen. Außerdem gehen im staatlichen Aufsichtsrecht die Vorkehrungen zur Konkursvermeidung über jene für Banken und Wertpapierfirmen hinaus.

Grenzüberschreitende Fusionen im Bankensektor
Mit Hindernissen für grenzüberschreitende Zusammenschlüsse von Banken wird sich der ECOFIN-Rat im Mai befassen. Ein diesbezüglicher Kommissionsvorschlag zur Änderung der Bankenrichtlinie wird noch vor dem Sommer erwartet. Österreich steht diesen Bemühungen positiv gegenüber, will die Wettbewerbskontrolle aber nicht der Bankenaufsicht übertragen und verlangt eine Prüfung der Konsequenzen einer Öffnung des EU-Marktes für Drittländer.

Rechtsrahmen für Clearing und Settlement
Ein einheitlicher Rechtsrahmen für die Wertpapierverrechnung soll die Attraktivität der europäischen Finanzmärkte vergrößern. Eine Richtlinie soll Clearing- und Abrechnungsdienstleistern einen umfassenden Zugang zu allen EU-Märkten garantieren. Österreich unterstützt diese Initiative der Kommission und plädiert für eine einheitliche Definition von Clearing und Settlement. Das Ergebnis der Folgenabschätzung sei aber noch abzuwarten.

Die Euro-Zone wird größer
Slowenien, Estland und Litauen haben stabile Wechselkurse und nehmen seit Juni 2004 am Europäischen Währungssystem II teil. Probleme mit der Inflation in Estland und Litauen dürften dazu führen, dass nur Slowenien alle Voraussetzungen für eine Euro-Einführung am 1.1.2007 erfüllt.

Thema Steuern
Die österreichische und die finnische Präsidentschaften wollen die Vereinfachung und Modernisierung des Mehrwertsteuer- sowie des Verbrauchsteuersystems und den Kampf gegen den Mehrwertsteuerbetrug fortsetzen. Weitere Verhandlungen über eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer sind geplant.

Beim ECOFIN-Rat im vergangenen Jänner wurde die Verlängerung des ermäßigten Mehrwertsteuer-Satzes bei arbeitsintensiven Dienstleistungen bis 31.12.2010 beschlossen; diese Sonderregelung gilt auch für neue Mitgliedsländer.

One Stop Shop für die Mehrwertsteuerpflichtige
Möglichst große Fortschritte will die österreichische Präsidentschaft bei den Verhandlungen über den Kommissionsvorschlag zur Änderung der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie erzielen. Bei der Erfüllung ihrer Mehrwertsteuerpflicht sollen grenzüberschreitend tätige Unternehmen einen One Stop Shop am Unternehmenssitz in Anspruch nehmen können. Mit grundsätzlichen und technischen Fragen wird sich der ECOFIN-Rat im Juni befassen.

Ort der Besteuerung von Dienstleistungen
Binnenmarkt, Globalisierung und technologischer Wandel haben dazu geführt, dass Dienstleistungen nicht mehr nur lokal erbracht werden. Die Regelungen der 6. MwSt-Richtlinie über den Leistungsort, mit denen auch das Besteuerungsrecht zwischen den Mitgliedstaaten festgelegt wird, tragen diesem Wandel nicht mehr Rechnung. Um das Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen, schlägt die Kommission eine umfassende Neuregelung vor: Dienstleistungen sollen am Ort des Verbrauchs besteuert werden. Bei Dienstleistungen für Unternehmen soll auf den Sitz des Leistungsempfängers, bei Leistungen für den Endverbraucher auf den Sitz des Unternehmers abgestellt werden. Österreich ist an einer raschen Neuregelung interessiert und strebt eine Einigung beim ECOFIN-Rat im Juni an.

Betrugsbekämpfung
Ein Schwerpunkt der österreichischen Präsidentschaft beim Thema Mehrwertsteuer ist die Bekämpfung des Steuerbetrugs. Eine weitere Verstärkung der Verwaltungszusammenarbeit und eine Umkehrung der Steuerschuld - nach bewährtem Modell im österreichischen Baugewerbe - sind in Diskussion. Die Kommission arbeitet an den der Lösung technischer Fragen, erfährt man im Bericht.

Gemeinsames Mehrwertsteuersystem (RECAST)
Österreich unterstützt einen Kommissionsvorschlag zur Neukodifizierung der MwSt-Richtlinien. Alle Bestimmungen sollen in einem Dokument mit besserer Systematik zusammengefasst werden. Denkbar ist eine Einigung unter österreichischem Vorsitz und eine Implementierung unter finnischer Präsidentschaft.

Koordination der Körperschaftsbesteuerung
Österreich steht auch einer stärkeren Koordinierung der Unternehmensbesteuerung und der Einführung einer konsolidierten Bemessungsgrundlage für grenzüberschreitend tätige Unternehmen positiv gegenüber und initiiert eine Debatte im ECOFIN-Rat. Eine Arbeitsgruppe prüft derzeit Detailfragen. Eine Realisierung sei auch in Form verstärkter Zusammenarbeit möglich.

Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol
Keine Probleme sieht Österreich bei dem für Herbst erwarteten Kommissionsvorschlag zur Anhebung der Steuer-Mindestsätze bei Spirituosen, Bier und Zwischenerzeugnissen. Bei Wein und Schaumwein legt Österreich Wert auf eine Null-Option.

Zollpolitik
Schließlich unterstützt Österreich die geplante Modernisierung des Zollkodex, die Computerisierung der Zollabwicklungen (geplant bis 2008) und die Verbesserung der Zollkooperation innerhalb der EU sowie mit wichtigen Handelspartnern. Die Umsetzung der Reform wird drei bis fünf Jahre dauern.
     
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