Energie für die Zukunft  

erstellt am
08. 03. 06

Die Europäische Kommission legt ihre Energiestrategie für Europa dar
Brüssel (eu-int) - Die Grundlagen einer europäischen Energiepolitik wurden von der Europäischen Kommission in einem wichtigen neuen Grünbuch dargelegt, in dem dazu aufgerufen wird, zu sechs speziellen vorrangigen Bereichen mit mehr als 20 konkreten Vorschlägen für mögliche neue Maßnahmen Stellung zu nehmen.

"Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts im Energiebereich erfordern eine gemeinsame Antwort der EU. Die EU ist für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energieversorgung der europäischen Bürger von grundlegender Bedeutung. Eine gemeinsame Vorgehensweise, die gemeinsam nach außen vertreten wird, wird es Europa ermöglichen, die Suche nach Energielösungen anzuführen", betonte der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso.

"Die Vollendung des Binnenmarktes, der Klimaschutz und die Versorgungssicherheit sind gemeinsame Herausforderungen im Energiebereich, die gemeinsame Lösungen erfordern. Es ist Zeit für eine neue europäische Energiepolitik", erklärte das für Energie zuständige Mitglied der Kommission, Andris Piebalgs.

Auf dieser Grundlage wird im Grünbuch skizziert, wie eine europäische Energiepolitik die drei zentralen Ziele der Energiepolitik - nachhaltige Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit ? erreichen könnte.

Die Entwicklung einer europäischen Energiepolitik wird eine langfristige Aufgabe sein. Als Grundlage für diesen Prozess schlägt die Kommission vor, dass dem Rat und dem Parlament in regelmäßigen Abständen ein Bericht über die Überprüfung der EU-Energiestrategie vorgelegt wird, in dem alle energiepolitischen Fragen behandelt werden. Die Überprüfung würde eine regelmäßige Bestandsaufnahme und einen Aktionsplan für den Europäischen Rat und das Parlament umfassen, wobei die erzielten Fortschritte festgestellt und neue Herausforderungen und Antworten zu allen Aspekten der Energiepolitik aufgezeigt würden.

Es wurden sechs vorrangige Bereiche benannt
Zur Vollendung des Energiebinnenmarktes werden im Grünbuch neue Maßnahmen in Betracht gezogen, zum Beispiel ein europäischer Energienetz-Kodex, ein vorrangiger europäischer Verbundplan, ein europäischer Energieregulierer und neue Initiativen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, vor allem im Hinblick auf die Entflechtung der Netze von den im Wettbewerb erbrachten Tätigkeiten. Konkrete Vorschläge werden vor Jahresende vorgelegt werden.

Der zweite vorrangige Bereich betrifft die Versorgungssicherheit im Energiebinnenmarkt, um die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Zu den möglichen Maßnahmen, die vorgeschlagen wurden, gehören die Einrichtung einer europäischen Stelle zur Beobachtung der Energieversorgung und eine Überprüfung der bestehenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über die Erdöl- und Erdgasvorräte dahingehend, dass sie die Bewältigung potenzieller Versorgungsunterbrechungen gewährleisten.

Ein stärker nachhaltig ausgerichteter, effizienterer und vielfältigerer Energieträgermix ist der dritte vorrangige Bereich. Die Entscheidung eines Mitgliedstaates für einen bestimmten Energieträgermix ist und bleibt Sache der Mitgliedstaaten, allerdings wirken sich die Entscheidungen eines Mitgliedstaates unweigerlich auf die Energieversorgungssicherheit seiner Nachbarländer und der Gemeinschaft insgesamt aus. Dieses Ziel könnte durch eine Überprüfung der EU-Energiestrategie erreicht werden, bei der alle Aspekte der Energiepolitik behandelt und alle Vor- und Nachteile verschiedener Energiequellen, von erneuerbaren Energien bis hin zur Kohle und Kernenergie, analysiert werden. Dies wiederum könnte nach und nach dazu führen, dass auf Gemeinschaftsebene Ziele für den Gesamtenergieträgermix in der EU zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei gleichzeitiger Wahrung des Rechts der Mitgliedstaaten, ihre eigenen energiepolitischen Entscheidungen zu treffen, festgelegt werden.
Für den vierten Aktionsbereich schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor, um den Herausforderungen im Bereich der globalen Erwärmung zu begegnen. Insbesondere legt sie dar, welche Punkte Gegenstand eines Aktionsplans für Energieeffizienz sein könnten, den die Kommission im Verlauf dieses Jahres annehmen will. In diesem Aktionsplan werden Maßnahmen aufgezeigt werden, die erforderlich sind, damit die EU 20 % der Energie, die sie ansonsten bis 2020 verbrauchen würde, einsparen kann. Ferner wird in ihm vorgeschlagen, dass die EU einen neuen Fahrplan für erneuerbare Energiequellen in der EU mit möglichen Zielvorgaben bis 2020 und darüber hinaus ausarbeitet, um ein stabiles Investitionsklima für mehr wettbewerbsfähige erneuerbare Energie in Europa zu schaffen.

Energieeffiziente und kohlenstoffarme Technologien stellen einen schnell wachsenden internationalen Markt dar, der in den kommenden Jahren ein Volumen von mehreren Milliarden Euro haben dürfte. Ein strategischer Plan für Energietechnologien, der im fünften Aktionsbereich des Grünbuchs angeregt wird, soll dafür sorgen, dass die europäischen Industrien bei diesen Technologien und Verfahren der neuen Generation weltweit führend sind.

Schließlich wird im Grünbuch die Notwendigkeit einer gemeinsamen Energieaußenpolitik betont. Um auf die Herausforderungen reagieren zu können, die durch eine wachsende Nachfrage, hohe und volatile Energiepreise, eine steigende Importabhängigkeit und die weltweite Erwärmung gegeben sind, muss Europa in der internationalen Arena mit einer Stimme sprechen. Hierzu schlägt die Kommission vor, dass im Zuge der Überprüfung der Energiestrategie Folgendes geleistet wird: Es sollten vorrangige Infrastrukturen, die für die Versorgungssicherheit der EU wichtig sind (einschließlich Pipelines und LNG-Terminals), ermittelt und konkrete Maßnahmen vereinbart werden, um ihre Verwirklichung zu gewährleisten, ein Fahrplan für die Gründung einer europaweiten Energiegemeinschaft mit einem gemeinsamen Regelungsraum erarbeitet werden, ein neuer Ansatz für die Beziehungen zu den europäischen Partnern, einschließlich Russland, herausgestellt werden, der unserer gegenseitigen Abhängigkeit Rechnung trägt, und schließlich ein neuer Gemeinschaftsmechanismus vorgeschlagen werden, um schnell und koordiniert auf Energieversorgungsnotfälle in Drittländern reagieren zu können.

Dies ist eine Auswahl der im Grünbuch skizzierten Vorschläge. Die Kommission wird anhand der Antworten und der Stellungnahmen zu einer sicherlich sehr breiten öffentlichen Konsultation sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und des Parlaments eine Reihe konkreter Maßnahmen vorschlagen.

Anhang:
Rahmenbedingungen für die Konzipierung der EU-Energiepolitik

Zentrale Herausforderungen für die EU im Energiebereich:

  • Es besteht dringender Investitionsbedarf. Allein in Europa werden in den nächsten 20 Jahren Investitionen von annähernd einer Milliarde Euro erforderlich sein, um die voraussichtliche Energienachfrage zu decken und die alternde Infrastruktur zu ersetzen.
  • Unsere Importabhängigkeit nimmt zu. Wenn wir die heimische Energieerzeugung nicht wettbewerbsfähiger machen, wird der Energiebedarf der Union in den nächsten 20 bis 30 Jahren zu 70 % (statt wie derzeit zu 50 %) durch Importe gedeckt werden, wobei einige aus Regionen stammen, in denen unsichere Verhältnisse drohen.
  • Die Energiereserven sind in einigen wenigen Ländern konzentriert. Derzeit wird annähernd die Hälfte des EU-Erdgasverbrauchs durch nur drei Länder (Russland, Norwegen und Algerien) gedeckt. Falls die aktuellen Trends anhalten, dürfte sich die Abhängigkeit von Erdgaseinfuhren in den nächsten 25 Jahren auf 80 % erhöhen.
  • Die weltweite Energienachfrage steigt. Die weltweite Energienachfrage und der weltweite CO2-Ausstoß werden bis 2030 voraussichtlich um rund 60 % steigen. Der weltweite Erdölverbrauch ist seit 1994 um 20 % gestiegen, und laut Prognosen dürfte die weltweite Erdölnachfrage jährlich um 1,6 % wachsen.
  • Die Erdöl- und Erdgaspreise steigen. In der EU haben sie sich in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt, und die Strompreise folgen dieser Entwicklung. Angesichts der steigenden weltweiten Nachfrage nach fossilen Brennstoffen, stark beanspruchter Versorgungsketten und der zunehmenden Importabhängigkeit werden wir voraussichtlich weiter mit hohen Erdöl- und Erdgaspreisen rechnen müssen. Diese Entwicklung ist für die Verbraucher kurzfristig schwierig, sie kann jedoch Impulse für mehr Energieeffizienz und Innovation auslösen.
  • Unser Klima wird wärmer. Dem zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) zufolge haben die Treibhausgasemissionen bereits eine Erwärmung der Welt um 0,6°C bewirkt. Falls nichts unternommen wird, wird bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Temperaturerhöhung um 1,4 bis 5,8°C zu verzeichnen sein. Alle Regionen der Welt - auch die EU ? werden mit gravierenden Auswirkungen auf ihre Wirtschafts- und Ökosysteme konfrontiert sein.
  • In Europa ist noch kein vollständig vom Wettbewerb geprägter Energiebinnenmarkt entstanden. Erst wenn es einen solchen Markt gibt, werden die Bürger und Unternehmen in der EU in vollem Umfang von der Versorgungssicherheit und von niedrigeren Preisen profitieren. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Verbindungsleitungen ausgebaut, wirksame Rechts- und Regulierungsrahmen geschaffen und vollständig in der Praxis angewandt und die Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft rigoros durchgesetzt werden. Ferner sollte die Konsolidierung des Energiesektors vom Markt ausgehen, wenn Europa den vielen Herausforderungen, vor denen es steht, erfolgreich begegnen und sinnvolle Investitionen für die Zukunft tätigen soll.
     
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