"Stalking" wird künftig unter Strafe gestellt  

erstellt am
27. 03. 06

Besserer Opferschutz auch durch weitere Änderungen im Strafgesetzbuch
Wien (pk) - Die beharrliche Verfolgung von Personen, besser bekannt unter dem Stichwort "Stalking", wird künftig unter Strafe gestellt. Wer etwa ständig einer Frau auflauert, sie wiederholt mit unerwünschten Telefonanrufen belästigt oder in ihrem Namen Kontaktanzeigen schaltet, kann künftig mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Ein entsprechender Vorschlag der Regierung wurde am Freitag (24. 03.) vom Justizausschuss des Nationalrats mit den Stimmen der Koalitionsparteien und der SPÖ gebilligt. Gleichzeitig stimmten die Abgeordneten - teils einhellig, teils mehrheitlich - weiteren Maßnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes und der Aufnahme neuer Umweltstraftatbestände in das Strafgesetzbuch zu.

Die Genese des Entwurfs für ein Anti-Stalking-Gesetz hat zuletzt starke öffentliche Beachtung gefunden. Der vom Justizausschuss angenommene Gesetzentwurf sieht nunmehr vor, in das Strafgesetzbuch einen neuen Straftatbestand "Beharrliche Verfolgung" aufzunehmen und diesen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zu ahnden. Was unter beharrlicher Verfolgung zu verstehen ist, ist exakt festgelegt: "Beharrlich verfolgt eine Person, wer in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt 1. ihre räumliche Nähe aufsucht, 2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte Kontakt zu ihr herstellt, 3. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Waren oder Dienstleistungen für sie bestellt oder 4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte veranlasst, mit ihr Kontakt aufzunehmen".

Darüber hinaus können Stalking-Opfer künftig bei Gericht einstweilige Verfügungen beantragen, um ihre Privatsphäre vor Eingriffen zu schützen. Das Gericht kann Stalkern etwa verbieten, persönlichen, brieflichen, telefonischen oder sonstigen Kontakt mit der gefährdeten Person aufzunehmen bzw. ein Aufenthaltsverbot für bestimmte Orte verhängen. Kommt ein Stalker seinem Opfer dennoch zu nahe, ist das Einschalten der Polizei möglich. Überdies wird durch eine Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes sichergestellt, dass Stalking-Opfer Hilfe durch bewährte Opferschutzeinrichtungen erhalten.

Formelle Basis für den Beschluss im Justizausschuss bildete ein gemeinsamer Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zum Anti-Stalking-Gesetz. In diesen Abänderungsantrag wurden auch zwei weitere Regierungsvorlagen ( 1325 d.B. und 1326 d.B.) integriert, bei denen es zum einen um die materiellrechtliche Stärkung des Opferschutzes und zum anderen um den vorläufigen Abschluss der Reform des Umweltstrafrechtes geht. Diese Vorgangsweise wurde gewählt, um eine mehrfache gleichzeitige Änderung des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung zu vermeiden. Das gesamte Gesetzespaket trägt nunmehr den Kurztitel "Strafrechtsänderungsgesetz 2006".

Einen verbesserten Opferschutz wollen die Abgeordneten im einzelnen etwa durch die ersatzlose Streichung jener Bestimmung aus dem Strafgesetzbuch erreichen, nach der die gefährliche Drohung unter nahen Angehörigen als "Ermächtigungsdelikt" gilt. Das bedeutet, dass solche Delikte künftig auch dann weiter verfolgt werden, wenn das Opfer seine Anzeige zurückzieht. Begründet wird dieser Schritt damit, dass vor allem bedrohte Frauen erfahrungsgemäß auf eine strafgerichtliche Verfolgung ihres Ehegatten oder Lebensgefährten verzichten, wenn sie entsprechend unter Druck gesetzt werden.

Zwangsehen fallen laut Gesetzentwurf in Hinkunft unter den Tatbestand "Schwere Nötigung". Damit werden bisher bestehende Begünstigungen des nötigenden Ehepartners beseitigt und dieser ebenso wie an der Nötigung mitwirkende Dritte klaren, einheitlichen Sanktionen unterstellt. Weiters wird der Tatbestand "Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses" auf Seelsorger ausgeweitet. Im Fall von Genitalverstümmelung soll die Verjährungsfrist durch Nichteinrechnung der Zeit bis zur Volljährigkeit des Opfers verlängert werden.

Im Bereich des Umweltstrafrechts sind neue Strafbestimmungen gegen den fahrlässigen unerlaubten Umgang mit Kernmaterial, radioaktiven Stoffen oder Strahleneinrichtungen sowie gegen das grob fahrlässige umweltgefährdende Betreiben von Anlagen vorgesehen. Damit werden den Erläuterungen zufolge Vorgaben der Konvention des Europarats zum Schutz der Umwelt im österreichischen Strafrecht umgesetzt.

Eingeleitet wurde die Diskussion von Abgeordneter Bettina Stadlbauer (S). Sie erinnerte daran, dass die Initiative für ein Anti-Stalking-Gesetz von der SPÖ ausgegangen sei. Den vorliegenden Entwurf wertete sie in diesem Sinn als wichtigen Schritt, dieser ist ihrer Ansicht nach aber "nicht optimal". Für Stadlbauer ist es beispielsweise unverständlich, warum Telefonterror und Stalking über andere Kommunikationsmittel kein Offizialdelikt sind und nur auf Antrag verfolgt werden. Zudem trat sie auch bei beharrlicher telefonischer Verfolgung für ein Einschreiten der Polizei ein. Ein von ihr eingebrachter entsprechender Abänderungsantrag der SPÖ fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit. Positiv hob Stadlbauer die neuen Strafbestimmungen bei Zwangsheirat hervor.
     
Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) begrüßte den vorliegenden Gesetzentwurf. Über die Möglichkeit des Einschreitens der Exekutive habe man lange diskutiert, erläuterte sie, ihrer Meinung nach ist ein solches Einschreiten aber schwierig, wenn jemand behaupte, er werde mit SMS oder Telefonanrufen terrorisiert.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) zeigte sich ebenfalls über den Vorstoß von Justizministerin Gastinger für ein Anti-Stalking-Gesetz erfreut, kritisierte aber, dass die "löbliche Initiative" auf halbem Weg stecken geblieben sei. Es bleibt ihr zufolge unklar, was unter "beharrlicher Verfolgung" zu verstehen ist. Überdies forderte sie Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren, wenn Stalking zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) begründete die vorgesehene Bestimmung, wonach Telefonterror nur auf Antrag des betroffenen Opfers verfolgt wird, damit, dass nur dieses selbst entscheiden könne, ob es sich um eine beharrliche Verfolgung handle. Überdies könne eine Behörde nur auf Antrag einer Person davon Kenntnis erlangen. An Justizministerin Gastinger stellte Tancsits die Frage, inwieweit vom Gesetz auch "institutionelles Stalking" erfasst werde, etwa die beharrliche Belästigung von Interessenvertretern durch Tausende E-Mails in der gleichen Sache.

Justizministerin Karin Gastinger hielt gegenüber den Grünen fest, sobald Stalking zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe, sei eine Verfolgung wegen Körperverletzung möglich und könne entsprechend bestraft werden. Von einer konkreteren Determinierung der "beharrlichen Verfolgung" hat man ihr zufolge deshalb Abstand genommen, weil es, wie sie sagte, einen Unterschied ausmache, ob jemand fünf unerwünschte SMS erhalte oder ihm fünfmal vor der eigenen Wohnung aufgelauert werde. Telefon- und SMS-Terror zu einem Antragsdelikt zu machen, sei ihrem Ressort vernünftiger erschienen, sagte Gastinger.

Ein Außergerichtlicher Tatausgleich im Falle von Stalking ist nach Auskunft der Justizministerin nicht dezidiert ausgeschlossen, sie hält einen solchen grundsätzlich aber nicht für sinnvoll. In Richtung Abgeordnetem Tancsits erklärte Gastinger, es werde stets auf die Einzelfallprüfung ankommen.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) meinte, ihrer Ansicht nach solle ein Außergerichtlicher Tatausgleich bei Stalking nicht prinzipiell ausgeschlossen werden. Zu den neuen Umweltstraftatbeständen merkte sie an, diese würden von den Grünen zwar grundsätzlich begrüßt, ihre Fraktion werde aber dagegen stimmen, weil man der Wirtschaft "sehr entgegengekommen ist". Überdies nütze Österreich nicht alle Möglichkeiten, die die Konvention des Europarats biete.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) brachte auch zum Umweltstrafrecht einen Abänderungsantrag der SPÖ ein, der jedoch gleichfalls mit VP-F-Mehrheit abgelehnt wurde. Die SPÖ wollte erreichen, dass bereits fahrlässiges umweltgefährdendes Betreiben von Anlagen strafbar ist und das Wort "grob" gestrichen wird.

Bei der Abstimmung wurde das Strafrechtsänderungsgesetz 2006 teils einstimmig, teils mehrheitlich gebilligt. Die Grünen stimmten insbesondere gegen die Anti-Stalking-Bestimmungen und die neuen Umweltstraftatbestände. Eine Ausschussfeststellung zum Anti-Stalking-Gesetz wurde einstimmig verabschiedet. Demnach geht der Justizausschuss davon aus, dass die neuen Bestimmungen gegen Stalking einer Evaluierung unterzogen werden, und äußerte den Wunsch nach Vorlage eines Erfahrungsberichts zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes. Als Termin für das Inkrafttreten der Bestimmungen ist der 1. Juli 2006 in Aussicht genommen.

EU will Strafen für juristische Personen bei Betrug der Gemeinschaft
Unter einem debattierte der Ausschuss das Zweite Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften samt Erklärungen ( 1301 d.B.) sowie ein Abkommen der EU mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Regelung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen ( 1064 d.B. ).

Zum einen geht es dabei um einheitliche Sanktionen der EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf Betrug und Korruption zum Nachteil der Europäischen Union. Im 1997 abgeschlossenen Zweiten Protokoll zum diesbezüglichen EU-Übereinkommen wurde vereinbart, in Betrugs- und Korruptionsfällen auch gegen juristische Personen Sanktionen vorzusehen. Zudem sind die EU-Länder verpflichtet, Geldwäsche, die in Zusammenhang mit Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaft steht, einheitlich zu ahnden.

Ziel des Abkommens mit der Schweiz ist die bessere Zusammenarbeit der Justiz- und anderer Behörden bei der Bekämpfung von Geldwäscherei und zur Aufdeckung schwerer Fälle von Betrug und Schmuggel.

Beide Staatsverträge wurden vom Justizausschuss einstimmig genehmigt. Abgeordneter Johann Maier (S) plädierte allerdings dafür, zu prüfen, ob das EU-Abkommen nicht eine Änderung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes erforderlich mache.

Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen mit den USA wird ergänzt
Ebenfalls einstimmig billigten die Abgeordneten ergänzende Protokolle zum 1998 vereinbarten Auslieferungsabkommen und zum 1995 unterzeichneten Rechtshilfeabkommen zwischen Österreich und den USA ( 1347 d.B. und 1348 d.B.). Anlass dafür ist die Unterzeichnung eines Auslieferungsabkommens und eines Rechtshilfeabkommens der Europäischen Union mit den Vereinigten Staaten. Durch die vorliegenden Protokolle werden die zwischen den EU und den USA vereinbarten Regelungen in die bilateralen Abkommen übernommen.

Die Änderungen betreffen beispielsweise die Übermittlung und die Beglaubigung von Auslieferungsunterlagen, die Übermittlung von Bankinformationen, die Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams und Vernehmungen mittels Videokonferenz. In den Erläuterungen wird allerdings ausdrücklich festgehalten, dass die wesentlichsten Bestimmungen der bilateralen Verträge zwischen Österreich und den USA unberührt bleiben, insbesondere auch das bestehende Auslieferungsverbot bei drohender Todesstrafe.

Drei Anträge der SPÖ vertagt
Anträge der SPÖ in Bezug auf eine Reform des Unterhaltsrechts (676/A[E]), die Rechtsanwaltsordnung (678/A[E]) und gesetzliche Maßnahmen gegen unseriöse Gewinnspielveranstalter ( 195/A[E] )wurden vom Justizausschuss vertagt.

Hinsichtlich des Unterhaltsrechts stellte Justizministerin Karin Gastinger jedoch eine baldige Reform in Aussicht. Spätestens bis Juni bzw. Juli sollen ihr zufolge seitens ihres Ressorts konkrete Ergebnisse vorliegen, derzeit ist eine Expertengruppe mit der Prüfung der geltenden Bestimmungen beauftragt. Gastinger sieht insbesondere dort Lücken im Gesetz, wo die Unterhaltspflichtigen nicht leistungsfähig sind. Generell müsse es aber Aufgabe der Eltern bleiben, für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen, bekräftigte sie.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) hatte zuvor Änderungen im Unterhaltsrecht als dringend notwendig bezeichnet und einen Rechtsanspruch auf Unterhaltsvorschuss gefordert. Ein Härtefonds für die Betroffenen reicht ihrer Ansicht nach nicht aus. Alleinerziehende gehörten zu den am stärksten armutsgefährdeten Bevölkerungsgruppen, skizzierte Stadlbauer.
     
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