Experte fordert raschesten Umstieg auf erneuerbare Energieträger  

erstellt am
14. 04. 06

Öl- und Gasvorräte werden schneller knapp als Alternativen ausgebaut werden
Wien (aiz.info) - Für einen möglichst raschen Umstieg von fossiler Energie auf erneuerbare Energieträger sprach sich Werner Zittel von der Ludwig Bölkow-Systemtechnik im deutschen Ottobrunn aus. "Die globale Ölförderung hat ihren Höhepunkt überschritten und ist bereits rückläufig. Alternativen zu Erdöl sind entweder nicht in ausreichendem Umfang vorhanden oder - so wie die Kernenergie - mit zahlreichen Problemen behaftet beziehungsweise ist deren Erzeugung zu teuer", gab Zittel in einer Pressekonferenz des Club NÖ zu bedenken. Echte Auswege würden sich nur in Form von Energieeinsparungen und durch erneuerbare Energieträger anbieten. Club NÖ-Geschäftsführer Ernst Scheiber forderte in diesem Zusammenhang die konsequente Umsetzung des EU-Biomasse-Aktionsplans in Österreich ein.

Ölförderung in Europa um 20% zurückgegangen
"Die weltweite Versorgung mit Erdöl befindet sich nahe am Maximum. In wenigen Jahren bereits wird die Förderrate jährlich um ein paar Prozent zurückgehen. Der Preis pro Fass Erdöl stieg von 10,- US-Dollar im Jahr 1999 auf fast USD 70,- im Frühjahr 2006. Dieser fast explosionsartige Preisanstieg der letzten Jahre hat vor allem zwei Ursachen: Erstens kann seit dem Jahr 2000 die Ölförderung Europas nicht mehr ausgeweitet werden, sondern ist bereits um mehr als 20% zurückgegangen. Damit konnten auch die Staaten außerhalb der OPEC und der ehemaligen Sowjetunion ihre Förderung nicht mehr ausweiten. Zweitens konkurrieren zunehmend neue Verbraucher in Asien mit den Industriestaaten um die verbleibenden Ölquellen", erläuterte der Energieexperte.

Bei Erdgas werde die maximale Verfügbarkeit voraussichtlich zwischen 2010 und 2030 erreicht sein. Eine Ausweitung der Erdgasnutzung stoße schon heute an Grenzen und werde sich nicht lange aufrechterhalten lassen, betonte Zittel. In Europa hätten die wichtigsten Förderregionen, Großbritannien und Holland, den Höhepunkt der Förderung bereits überschritten. Der Förderrückgang könne nicht durch eine entsprechende Ausweitung der norwegischen Förderung ausgeglichen werden. Was die Versorgungssicherheit betreffe, so verweise er auf den russisch-ukrainischen Lieferkonflikt.

Kohle und Atomenergie keine wirklichen Alternativen
"Die Reserven an Kohle werden bei heutigem Verbrauch etwa für 200 Jahre reichen, wenn man großzügig Ressourcen mitberücksichtigt, vielleicht für 300 Jahre. Doch mehrere Gründe sprechen dagegen, dass Kohle in ausreichendem Maße Erdöl und Erdgas ersetzen wird", gab der Experte zu verstehen. Zum einen wäre die 3- bis 4fache Menge notwendig, um über etwa 100 Jahre eine konstante Versorgung auf heutigem Niveau zu gewährleisten. Zum andern aber müssten bei der Umwandlung von Kohle in einen Kraftstoff als Ersatz für fehlendes Erdöl Umwandlungsverluste von etwa 50% in Kauf genommen werden. Dadurch reduziere sich die Reserve nochmals beträchtlich und sei überdies sehr teuer. Außerdem handle es sich hier um keine umweltfreundliche Energieform. Der Beitrag der Kernenergie zur globalen Energieversorgung sei mit etwa 2% unbedeutend, Atomenergie sei überdies mit zahlreichen Risken verbunden.

"Die wichtigsten Maßnahmen zur künftigen Energieversorgung sind somit einerseits das Einsparen durch neue verbrauchsarme Technologien und auf der anderen Seite der möglichst rasche Umstieg auf alle Formen der erneuerbaren Energieträger", betonte Zittel. In den vergangenen 15 Jahren hätten die meisten erneuerbaren Energietechnologien ein wesentlich schnelleres Wachstum erreicht, als vorhergesagt wurde. Auch bei einem Anhalten dieses positiven Trends dürfte - ohne größere Energieeinsparungen - vermutlich ab 2010 für ein oder zwei Jahrzehnte ein Energiedefizit entstehen.

Scheiber: Biomasse-Aktionsplan in Österreich umsetzen
"Erneuerbare Energieträger haben in Österreich - inklusive der Wasserkraft - einen Anteil von 22 bis 24%. Der Ausbau dieses Sektors muss im Rahmen des Biomasse-Aktionsplans konsequent vorangetrieben werden", unterstrich Scheiber. Konkret sei es erforderlich, bis zum Jahr 2010 zusätzlich 75 Petajoule in Form von Wärme, Strom und Treibstoff zu erzeugen. Zur Erreichung der Ziele wäre es notwendig, im Vergleich zu 2003 zusätzlich 500.000 Wohneinheiten mit Biomasse zu beheizen, etwa 2,5 TWh Strom aus Biomasse zu erzeugen und etwa 550 Mio. Liter Biotreibstoffe und 100 Millionen m3 Biomethan als Treibstoff zu produzieren.

Die Stromerzeugung solle etwa zu einem Viertel über Biogasanlagen und zu drei Viertel über feste Biomasse erfolgen. Zur Sicherung der Rohstoffe im Treibstoffbereich seien im Ethanolbereich etwa 500.000 t Getreide notwendig und im Biodieselbereich etwa 900.000 t Raps oder andere Pflanzenölsaaten. Die Getreidemengen wären in Österreich produzierbar, Pflanzenölsaaten seien zum größeren Teil zu importieren. Für das Biogastreibstoff-Markteinführungsprogramm wären 25.000 ha erforderlich, so Scheiber.

Der zusätzliche Holzbedarf aus dem heimischen Wald werde auf 4,3 Mio. Festmeter geschätzt, hinzu kämen Holzmengen aus neuen Kurzumtriebswäldern, aus Nichtwaldflächen und in geringem Umfang aus dem Import. Der zusätzliche Flächenbedarf unter Außerachtlassung der Rapssaat-Importe liege bei 240.000 ha.

"Um die erforderlichen 500.000 Wohnungen von fossilen auf erneuerbare Heizsysteme umzustellen, müsste die Investitionstätigkeit in erneuerbare Heizsysteme zumindest verdreifacht werden. Dies wird nur gelingen, wenn eine wirksame Umstiegshilfe zum Umbau der privaten Wärmeversorgung angeboten wird", betonte Scheiber. Er stelle sich eine Förderhöhe von rund 30% der Investitionskosten vor.
     
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