Wien: Größtes EU-Forschungsprojekt zur Krebsdiagnostik  

erstellt am
21. 04. 06

Wien (universität) - Rechtzeitige und optimale Krebs-Therapien - das ist Ziel der jetzt etablierten EU-Forschungsinitiative OVCAD. Für dieses Ziel werden Proteine, Gen- Veränderungen und RNA identifiziert, die bereits zum Zeitpunkt der Krebs-Diagnose Aussagen über den späteren Krankheitsverlauf zulassen. Die beteiligten 15 Gruppen aus sechs Ländern werden dabei an der Medizinischen Universität Wien koordiniert und beginnen dort ihre Arbeit mit einem Eröffnungs-Treffen am 23. April. Mit einem Budget von über EUR 4.2 Mio. stellt diese Initiative das größte europäische Einzelprojekt zur frühzeitigen Krebsdiagnose dar, die zunächst auf drei Jahre angelegt ist.

Nicht alle Krebspatienten sprechen gleich gut auf ihre Therapie an. Für die Mediziner ist dies zunächst aber nicht erkennbar. Erst der Tumor selber liefert - nach einiger Zeit - Auskunft: ist er geschrumpft, so war die Therapie erfolgreich; ist er weiter gewachsen, hat die Therapie versagt - und der Patient lebenswichtige Zeit verloren.Tumore ziehen molekulare Spuren Die EU-Forschungsinitiative OVCAD wird nun diese Schwäche im Therapiekonzept angreifen. Dazu dessen Koordinator, der Naturwissenschafter Prof. Robert Zeillinger, Medizinische Universität Wien: "Selbst kleinste Tumore hinterlassen im Körper Spuren. Wir möchten lernen, diese Spuren zu finden und zu verstehen. Denn so können wir durch eine rasche und präzisere Diagnose frühzeitig über den Erfolg der Therapie Auskunft geben."

Die Spurensuche der Onkologen findet dabei auf molekularer Ebene statt: Molekulare Marker wie Proteine, Gen-Veränderungen und RNA erfahren bei Krebserkrankungen spezifische Anpassungen, die bereits im frühen Tumor-Stadium nachweisbar sind. Bisher fehlt aber eine systematische Untersuchung über einzelne Molekulare Marker und die Muster, die sich aus ihren zahlreichen Änderungen in Folge einer Tumorentstehung ergeben. Genau diese Untersuchung wird OVCAD für den Eierstockkrebs nun durchführen.

Gerade bei Eierstock-Krebs ist die Wirksamkeit klassischer Diagnoseverfahren sehr eingeschränkt. Bei 75% der Betroffenen erfolgt die Diagnose erst in einem sehr späten Stadium. Zwar wird seit einigen Jahren auch ein Biomarker, das Glykoprotein CA125 im Serum der Patientinnen zur Diagnose herangezogen, doch ist dessen Aussagekraft limitiert. Zu dieser Problematik erläutert Robert Zeillinger: "Der Marker CA125 ist zwar hilfreich für die Kontrolle des Therapieansprechens aber zu unspezifisch für die Frühdiagnose und gibt vor allem keinen Hinweis auf den Krankheitsverlauf. Gerade das ist aber beim Eierstock-Krebs besonders wichtig. Denn bei fast 25% der jährlich über 63.000 Patientinnen in Europa versagt die Standard-Therapie. Molekulare Marker erlauben aber das Wiederkehren des Tumors und sogar das Vorhandensein einzelner bereits abgesiedelter Tumorzellen frühzeitig nachzuweisen. So können rasch entsprechende Maßnahmen ergriffen werden."

Internationale Spurensucher Gemeinsam mit mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Israel und Deutschland werden nun Molekulare Marker und deren Muster bei 200 Eierstockkrebs-Patientinnen untersucht. Dafür werden Gewebeproben, Blut und Bauchhöhlen-Flüssigkeit zum Zeitpunkt der klinischen Diagnose auf auffällige Molekulare Marker hin untersucht. Sechs Monate nach Ende der Standard-Therapie werden solche Untersuchungen wiederholt und es wird dann festgestellt, ob bestimmte Marker besonders häufig bei jenen 25% Frauen auftraten, bei denen die Therapie versagte. Sollte das der Fall sein, dann hätte man zukünftig bereits zum Zeitpunkt der Diagnose Hinweise auf dieses Versagen.

Zusätzlich werden durch OVCAD auch einige der Ursachen für das Versagen der Standard-Therapie untersucht. Dazu gehören die so genannten Multidrug Resistenz Gene und deren Proteine, die einen frühzeitigen Abtransport von Chemotherapeutika aus den Krebszellen bewirken. Dieses von Prof. Theresia Thalhammer an der Medizinischen Universität Wien untersuchte Phänomen hat zur Konsequenz, dass die verwendeten Chemotherapeutika eine zu kurze Verweildauer in den Zellen haben, und so ihre Wirkung nicht voll entfalten können.

Die gesamte Koordination dieses größten EU-Projekts zur Krebsdiagnostik stellt den bisherigen Höhepunkt einer erfolgreichen Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen Molekulare Onkologie und Molekulare Genetik an der Medizinischen Universität Wien dar. So konnten allein im Jahr 2005 Prof. Michael Krainer gemeinsam mit Robert Zeillinger unter großer internationaler Beachtung zeigen, dass bei einigen Frauen ein körpereigenes Abwehrsystem gegen Eierstockkrebs versagte, weil die Tumorzellen bestimmte Proteine nicht besaßen. Zum anderen konnten sie belegen, dass die Inaktivierung zweier Gene bei Eierstockkrebs einen deutlichen Zusammenhang mit dem späteren Verlauf des Tumorwachstums hat. Beide Erkenntnisse dienten auch als Grundlage für OVCAD und werden nun weiter untersucht.

Hintergrund
OVCAD - OVarian CAncer Diagnosis - ist ein Specific Targeted Research Project (STREP) zur Krebsdiagnostik unter dem 6. EU-Rahmenprogramm. Das Ziel des Projektes ist es Molekulare Marker zu identifizieren, die zum Zeitpunkt der Diagnose von Eierstockkrebs Aussagen über den zukünftigen Therapieerfolg zulassen. OVCAD umfasst 11 akademische und 4 industrielle Partner-Gruppen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Israel, Deutschland und Österreich. Das Projekt läuft über drei Jahre und wird mit EUR 4.26 Mio. von der EU unterstützt. Die Projekt-Koordination erfolgt an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien.
     
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