Saatgut-Bunker auf Spitzbergen soll Rettungsanker sein  

erstellt am
18. 04. 06

Experten: Verbreitung von Gentech-Pflanzen lässt sich nicht kontrollieren
Paris/London (pte) - Ein altes Projekt wird derzeit von der norwegischen Regierung aus der Schublade geholt: Im inneren der Insel Spitzbergen (Svalbard) nördlich des Polarkreises soll in einer Höhle die genetische Vielfalt der Saaten aller bekannten Kulturpflanzen angelegt werden. Mehr als zwei Mio. Saatgutproben sollen nach Angaben des Global Crop Diversity Trust dort gelagert werden. Zu den Geldgebern des Projekts zählen unter anderem auch Dupont und Syngenta, zwei Agrarmultis, die auch zahlreiche Patente von genetisch veränderten Sorten halten, berichtet Le Monde Diplomatique.

"Falls der schlimmste Fall eintritt, könnten Menschen die Landwirtschaft auf dem Planeten Erde wieder neu aufbauen," so der Projektleiter Cary Fowler, Vorsitzender des Global Crop Diversity Trust. Dass gerade die industriellen Befürworter transgener Sorten die Notwendigkeit sehen, die pflanzlichen Gen-Ressourcen in Sicherheit zu bringen, erklärt sich aus der Tatsache, dass die Kontaminierung herkömmlicher Pflanzen durch genetisch veränderte Pflanzen mittlerweile durch zahlreiche Indizien belegt ist, schlussfolgert der Experte.

Die Sorge, dass herkömmliche Nutzpflanzen durch gentechnisch veränderte Sorten verunreinigt werden, teilen aber nicht nur die Experten des Global Crop Diversity Trust. Die Konsultativgruppe für internationale Agrarforschung (CGIAR), die in ihren Genbanken über eine halbe Million Saatproben der wichtigsten Nutzpflanzen aufbewahrt, hat 2004 einen Bericht veröffentlicht, wonach bei Mais und Raps auf kurze Sicht eine hohe, bei Reis und Baumwolle eine mittlere Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie in den Genbanken mit transgenen Sorten kontaminiert werden könnten. In dem CGIAR-Bericht wurden deshalb umgehende Vorsichtsmaßnahmen gefordert. Eine Kontaminierung mit transgenen Sorten gefährdet auch die Quelle einer Pflanzenart in den ursprünglichen Zuchtgebieten. 2001 wurde in Mexiko, dem Herkunftsland des Maises, von Forschern der Universität von Berkeley eine Kontaminierung lokaler Varietäten mit transgenen Handelssorten aus den USA festgestellt, obwohl Mexiko damals ein Moratorium für den Anbau transgener Pflanzen erlassen hatte.

Erst 2004 konnten Forscher in Rumänien - dem traditionellen Ursprungsland von Pflaumen, Kirschen, Pfirsichen - Freilandversuche mit transgenen Steinobstsorten, die gegen das die Bäume schädigende Sharka-Virus resistent sind, entdecken. Seit zehn Jahren experimentiert dort die in Bistrita gelegene Forschungsstation im Rahmen eines Programms der EU-Kommission - ohne offizielle Genehmigung aus Bukarest - mit Dutzenden Exemplaren, die aus einem in Bordeaux ansässigen Forschungslabor des Nationalen Agrarforschungsinstituts Inra stammen. Besonders krass ist die Lage bei Soja in den USA und in Argentinien: Hier haben genetisch veränderte Sorten herkömmliches Soja bereits verdrängt.

Dabei kann die Kontaminierung in jeder Phase der Erzeugung auftreten: In den Genbanken, durch Pollenflug auf den Feldern oder nach der Ernte bei Transport, Lagerung und Weiterverarbeitung. In Brasilien hat dies bei Soja, in Kanada bei Raps und in einigen Anbaugebieten Spaniens bei Mais bereits bedenkliche Ausmaße erreicht. Wenn der Boden oder die Bestände des Saatgutzüchters betroffen sind, ist diese Kontaminierung von dauerhafter Wirkung, berichtet das Magazin. "Das tragische daran ist, dass genetische Verunreinigung nicht reversibel ist", so der Umweltethiker Peter Weish im pressetext-Gespräch. "Einmal freigesetzt, haben Gene das Potenzial sich zu vermehren, neu zu rekombinieren und außer Kontrolle zu geraten." Auf diese Art können Super-Unkräuter entstehen, wie es bei Raps schon Realität wurde. "Biobauern in Kanada können wegen der Auskreuzung keinen gentechfreien Raps mehr produzieren", so der Wissenschaftler abschließend.
     
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