EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens mit großer Mehrheit ratifiziert  

erstellt am
27. 04. 06

Nur F-Abgeordnete Rosenkranz und Bösch stimmten dagegen
Wien (pk) - Mit großer Mehrheit – nur die F-MandaterInnen Rosenkranz und Bösch stimmten gegen die Vorlage - hat der Nationalrat am 26. 04. den Weg für den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Europäischen Union frei gegeben. Damit hat Österreich als 15. EU-Land den Beitritt der beiden Staaten ratifiziert.

In der Debatte wertete Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (S) den Beitritt beider Länder zur EU als richtigen Schritt und begründete dies damit, dass Rumänien und Bulgarien zweifellos zu Europa gehörten. Zudem seien sie wichtige Wirtschaftspartner Österreichs. Ob das Beitrittsdatum 1. Jänner 2007 halten wird, hängt Baumgartner-Gabitzer zufolge nicht unwesentlich davon ab, wie der für Mitte Mai erwartete Fortschrittsbericht der EU-Kommission ausfallen wird. Es seien seitens beider Länder noch Anstrengungen notwendig, etwa bei der Korruptionsbekämpfung, betonte sie. Generell hielt Baumgartner-Gabitzer fest, die EU-Erweiterung sei ein wichtiger Schritt zur Überwindung der Teilung Europas gewesen. Österreich sei damit von einem Land in einer Randlage Europas zu einem Herzland Europas geworden.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) erinnerte daran, dass die Verhandlungen mit Bulgarien und Rumänien über einen EU-Beitritt vor mehr als fünf Jahren begonnen hätten. Mittlerweile hätten die beiden Länder in vielen Bereichen notwendige Reformschritte gesetzt. Österreich werde dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens daher zustimmen, auch wenn es in einigen Punkten - insbesondere im Bereich Justiz und Inneres - noch Nachholbedarf gebe. Wittmann machte darauf aufmerksam, dass Österreich größter Investor in Rumänien sei, mit einem Investitionsvolumen von mehr als 7 Mrd. €.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) begründete die Zustimmung seiner Fraktion zur Ratifikation der beiden Beitrittsverträge, indem er - trotz bestimmter Probleme bei der Einbindung von Bulgarien und Rumänien in die EU - die Vorteile für Österreich herausstrich. Österreich sei ein großer Investor in beiden Ländern und es sei an einer Intensivierung der Zusammenarbeit beim Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität interessiert. Rumänien und Bulgarien müssen die Beitrittskriterien fristgerecht erfüllen, sonst werde der Beitritt um ein Jahr verschoben. Scheibner drängte generell auf eine präzise Definition für die Aufnahmefähigkeit der EU, weil dies wichtig sei, um das Vertrauen der Bürger in die EU wieder zu gewinnen. Bei Ländern wie der Türkei, die das Wertesystem der EU in absehbarer Zeit nicht erreichen werden, wäre es ehrlicher, andere Kooperationsmöglichkeiten zu suchen, als über einen Vollbeitritt zu verhandeln, der in absehbarer Zeit nicht erreicht werden könne.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) unterstrich die positive Einstellung der Grünen zu einem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens und bekannte sich dazu, die beiden Länder bei der Erfüllung des Acquis zu unterstützen. Als Grund dafür, dass Entscheidungen zur EU-Erweiterung in Österreich oft negativ diskutiert werden, erklärte die Rednerin damit, dass die hohen Gewinne, die heimische Firmen in den neuen Mitgliedsländern machen, ungleich verteilt werden. Hinsichtlich der bevorstehenden Kommissionsentscheidung sprach die Rednerin die Hoffnung auf ausreichende parlamentarische Diskussionsmöglichkeiten im Vorfeld aus. Probleme registrierte Lunacek bei der Rechtssicherheit und bei der Korruptionsbekämpfung. Es gelte zu verhindern, dass zwar die Korruption der "Kleinen" streng verfolgt, die "großen Fische" aber ungeschoren bleiben. Viel zu tun sei bei der Situation der Roma sowohl in Rumänien als auch in Bulgarien. Weiters sprach die Rednerin über Maßnahmen gegen den Menschenhandel und über die Notwendigkeit, die Transformationsprozesse auch am Westbalkan und in der Türkei voranzutreiben.

Außenministerin Dr. PLASSNIK sah den Nationalrat vor einem Schritt in Richtung Wiedervereinung Europas. Für Österreich, das lange genug an einer Bruchlinie des Kontinents lag, sei dies ein Hauptziel und eine Konstante seiner Außenpolitik seit 1945. Von Bulgarien und Rumänien, Ländern des gemeinsamen Donauraums, führen viele Verbindungen nach Österreich, sagte die Außenministerin und skizzierte die Erfolgsstorys heimischer Firmen in den beiden Ländern mit wachsender Beschäftigung und einer starken Ausdehnung des wechselseitigen Handelsvolumens.

Große Vorteile biete auch die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit mit den neuen Mitgliedsländern, die mehr Sicherheit für alle bringe. Ohne EU-Beitritt wären auch die Fortschritte beim Umweltschutz und die Abschaltung alter AKW-Blöcke nicht möglich gewesen. Auch habe sich der Einsatz vieler Österreicher für Kinder in Rumänien gelohnt, sagte Plassnik und zitierte EU-Erhebungen, die eine Verbesserung der Lage rumänischer Kinder dokumentieren.

Die EU habe von Rumänien und Bulgarien zurecht die Erfüllung aller Beitrittskriterien verlangt; die Beitrittsreife beider Länder werde intensiv überprüft. Am 16. Mai werde die Kommission darüber berichten. Sollten Rumänien und Bulgarien ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, werde es ein Monitoring und Schutzklauseln geben, sagte die Außenministerin. Österreich werde das 15. EU-Land sein, das dem EU-Beitritt der beiden Länder zustimmen werde.

Abgeordneter DI REGLER (V) begrüßte die "Heimkehr" Rumäniens und Bulgariens nach Europa, nachdem diese beiden Länder zunächst unter dem Kommunismus zu leiden und danach, seit 1989, einige Probleme beim Wiederaufbau ihrer Wirtschaft zu überwinden hatten. Rumänien und Bulgarien seien mittlerweile in die Nähe der EU-Reife gekommen. Von der Größenordnung her sei dieser Beitritt zu verkraften, da der Vertrag von Nizza auf 27 EU-Staaten ausgelegt ist. Die Ratifizierung Österreichs sei wichtig und diese beiden Staaten würden unter österreichischer EU-Präsidentschaft willkommen geheißen. Regler bekannte sich auch dazu, den Westbalkan in die EU zu integrieren. Der Vollbeitritt der Staaten müsse das Ziel sein.

Abgeordneter SCHIEDER (S) kündigte die Zustimmung der SPÖ zu den Beitrittsverträgen mit Rumänien und Bulgarien an. Österreichs wirtschaftliches, kulturelles und menschliches Interesse an diesen Ländern werde dadurch unterstrichen. Für beeindruckend hielt Schieder die Rolle der Parlamentarier in diesen beiden Ländern, deren Weg in die Europäische Union bereits vor Jahrzehnten begonnen habe. Die große Reifeprüfung sei der Beitritt zum Europarat gewesen, nun erfolge die wirtschaftliche Integration. Schieder sah die Anzeichen sich mehren, dass das Beitrittsdatum schon 2007 sein könnte. Er wäre zu bevorzugen, wenn die Fortschritte in Rumänien und Bulgarien so rasch vorangehen, dass man auf zusätzliches Kontrollinstrumentarium verzichten kann. Achten will Schieder darauf, dass kein "Loch zwischen den neuen EU-Mitgliedern und den Ländern auf dem Westbalkan, die noch nicht beitreten" entstehe, was spezielle Ausgleichsmaßnahmen erfordere.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) sprach von einem guten Weg Rumäniens und Bulgarien und ging von einem planmäßigen EU-Beitritt aus. Die Wirtschaftsbeziehungen zu Österreich hätten sich sehr intensiv entwickelt, wobei die heimischen Investoren in Bulgarien mit einem 17-Prozent-Anteil an der Spitze liegen. Rumänien erlebe einen Investitionsboom und konnte seine Arbeitslosigkeit zuletzt reduzieren. Der EU-Beitritt verbessere die Sicherheit und fördere die Wirtschaftsentwicklung in Rumänien und Bulgarien weiter, sagte Hofmann und unterstützte die Ratifikation der vorliegenden Verträge.

Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER (G) hielt es für wichtig, die Donauraum-Strategie partnerschaftlich zu gestalten, besonders auch in der Wirtschaft. Dabei machte Pirklhuber darauf aufmerksam, dass Rumänien und Bulgarien die höchsten Agrarquoten der neuen EU-Mitglieder haben und es dort großer Anstrengungen bei der Entwicklung des ländlichen Raums bedürfe. Man sollte den Anbau von gentechnikfreiem Saatgut im Donauraum und auch den biologischen Landbau fördern, um die diesbezüglichen Importmöglichkeiten Österreichs, vor allem bei Soja, zu verbessern. Nutzen sollten Rumänien und Bulgarien auch die Chancen zur Produktion erneuerbarer Energieträger.

Abgeordneter Dr. LOPATKA (V) zeigte sich erfreut über den nationalen Konsens, der in der Entscheidung für den EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens sichtbar werde. Rumänien und Bulgarien gehörten in die Europäische Union, betonte der Abgeordnete und rief dabei die engen historischen Beziehungen beider Länder mit Österreich in Erinnerung. Der heutige Beschluss sei kein Präjudiz für die Entscheidung über den Beitrittszeitpunkt, aber ein positives Zeichen und auch ein positives Signal für die Schwächsten in beiden Ländern, für Kinder, Kranke und Alte. Sie brauchten auch in Zukunft Hilfe und Solidarität einer EU, die größer und damit stärker werde.

Abgeordneter Dr. EINEM (S) knüpfte an die Rede seines Fraktionskollegen Schieder an, bekannte sich nachdrücklich zum europäischen Projekt und zur Ratifikation. Dabei betonte Einem, dass Österreich wie Deutschland zu den größten Gewinnern der EU-Erweiterung zählten. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Vorteile nicht gleich verteilt seien und mit der Erweiterung auch Nachteile verbunden sind. Daher war es wichtig, die Erweiterung so zu gestalten, dass sich nicht wenige sich "eine goldene Nase verdienen können", Zehntausende aber die Nachteile zu tragen haben. Ausgleichende Maßnahmen seien gefordert. Die Forderung nach einer Qualifizierungsoffensive für gering qualifizierte Arbeitskräfte habe nicht an Aktualität verloren, sagte Einem und wies auf die wachsende Arbeitslosigkeit in Österreich hin, insbesondere dort, wo Einpendler leicht auf den heimischen Arbeitsmarkt strömen können.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) sah Rumänien und Bulgarien mit Österreich durch viele Sympathien verbunden, in der Politik sollte man sich aber nicht von Emotionen, sondern von Interessen und Fakten leiten lassen. Rosenkranz wandte sich daher gegen Eile bei der Ratifikation der beiden Verträge und riet dazu, den Bericht der Kommission über die Beitrittsreife Rumäniens und Bulgariens abzuwarten. Im Interesse der Bevölkerung sei zu verlangen, dass alle Beitrittskriterien erfüllt werden, statt den Beitritt zu vollziehen und gleichzeitig durch Monitoring-Maßnahmen Beitrittsländer zweiter Klasse zu schaffen. Beim Thema Korruption, aber auch bei der Entwicklung der Volkswirtschaften stellt sich für die Abgeordnete die Frage nach der Beitrittsreife der beiden Länder. Den Konsens der vier Parteien bei der Ratifikation sollte man nicht mit einem nationalen Konsens in Österreich verwechseln. Es werde nicht genügen zu sagen, die Erweiterung sichere Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa. Denn wenn die Frage nicht beantwortet werde, wer die Erweiterung zahle und wie man sie administrativ bewältige, könnte es geschehen, dass die europäischen Völker eines Tages nicht mehr mitziehen. Sie selbst und ihr freiheitlicher Fraktionskollege Bösch werden der Ratifizierung nicht zustimmen.

Abgeordneter Dr. MAIER (V) sprach von einem historischen Tag. Alle sollten froh sein, dass es zu einem nächsten Schritt der EU-Erweiterung komme, meinte er.

Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) begrüßte den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union, auch wenn ihr, wie sie meinte, bewusst sei, dass es nach wie vor eine Reihe von Problemen in diesen Ländern gebe und die wirtschaftlichen Vorteile einer EU-Erweiterung nicht für alle Österreicher gleich seien. Konkrete Bedenken äußerte Hlavac etwa in Bezug auf den Zustand des Justizsystems in Bulgarien, wobei die vorgenommene Verfassungsreform ihrer Meinung nach nun eine Reform dieses Systems ermögliche. Rumänien konzedierte sie eindrucksvolle Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption.

Abgeordneter FAULAND (F) ortete ebenfalls Nachholbedarf Bulgariens bei der Reform des Justizsystems und bezog sich dabei auf ein Gespräch mit dem ehemaligen Verteidigungsminister des Landes. Auch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sehe nach wie vor Probleme hinsichtlich der Korruption in Bulgarien, konstatierte er. Der FPÖ hielt Fauland vor, unterschiedliche Meinungen in Bezug auf den EU-Beitritt Bulgariens zu haben.

Abgeordnete MIKESCH (V) wertete den EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens als einen weiteren wichtigen Schritt im Friedensprojekt EU. Bei allen Problemen sei die zentrale Botschaft der Europäischen Union "Nie wieder Krieg durch einen sozialen Ausgleich zwischen den Mitgliedstaaten", skizzierte sie. Mikesch wies darauf hin, dass auch für Bulgarien und Rumänien Übergangsfristen in Bezug die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes gelten werden.

Abgeordnete GRANDER (V) setzte sich mit den Reformen Bulgariens und Rumäniens in den Bereichen Soziales, Gleichbehandlung und Gesundheit auseinander und wies sowohl auf konkrete Fortschritte als auch auf noch bestehende Defizite hin. Unter anderem sind ihr zufolge in Rumänien bei der Angleichung des Arbeitsrechts an EU-Standards und im Bereich der Gesundheitsversorgung noch einige Punkte offen und weitere Anstrengungen erforderlich.

Abgeordneter PRASSL (V) hielt fest, Österreich werde auch in Bezug auf Bulgarien und Rumänien das Recht eingeräumt, Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt für einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren vorzusehen. Gleichzeitig machte er geltend, dass österreichische Unternehmen in beiden Ländern "gute Investoren" seien. Auch im Bereich der Landwirtschaft erwartet er sich erfolgreiche Kooperationen. Insgesamt kommt Praßl zum Schluss, dass ein EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens mehr Vorteile als Nachteile hat.

Der Beitrittsvertrag zwischen den 25 EU-Ländern auf der einen Seite und Bulgarien und Rumänien auf der anderen Seite wurde vom Nationalrat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit genehmigt.
     
zurück