Gender Budgeting: Staatsfinanzen aus der Geschlechterperspektive  

erstellt am
25. 04. 06

Roth-Halvax lädt zu Buchpräsentation und Diskussion ins Hohe Haus
Wien (pk) - Auf Einladung der Bundesratspräsidentin Sissy Roth-Halvax wurde am 24. 04. Nachmittag im Parlament das Buch "Gender Budgeting – Theorie und Praxis im internationalen Vergleich" präsentiert. Der von Ruperta Lichtenecker und Gudrun Salmhofer herausgegebene Band führt nicht nur in die Grundlagen des Themas ein, sondern dokumentiert anhand von zahlreichen internationalen Beispielen, wie Gender Budgeting in der Praxis umgesetzt werden kann. Im dritten und letzten Abschnitt werden aktuelle Konkretisierungen von Gender Budgeting aus der österreichischen und deutschen Praxis vorgestellt. Im Anschluss an die Buchpräsentation fand noch eine Diskussion statt, an der die Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Maria Rauch-Kallat, die Sozialministerin Ursula Haubner sowie die Klubobfrau der Grünen im niederösterreichischen Landtag, Madeleine Petrovic teilnahmen.

Das vorliegende Buch leiste einen wertvollen Beitrag zur wissenschaftlichen Analyse und Aufarbeitung von Gender Budgeting, meinte einleitend Bundesratspräsidentin Sissy Roth-Halvax. Allerdings liege es an jedem einzelnen, etwas dafür zu tun, da die Umsetzung des Gender-Themas in seiner ganzen Breite nicht per Gesetz verordnet werden könne. Sie werde auf jeden Fall versuchen, all die angesprochenen Aspekte in ihre Arbeit als Bürgermeisterin bei der nächsten Budgetgestaltung einfließen zu lassen.

Die Herausgeberin und Bundesrätin der Grünen, Ruperta Lichtenecker, zeigte auf, dass Budgets nicht geschlechtsneutral sind, sondern unterschiedliche Folgen für die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern haben. Diese Unterschiede – die gleichzeitig Machtverhältnisse darstellen – sollen mit dem Konzept des Gender Budgeting aufgezeigt und korrigiert werden. Gender Budgeting bedeute die Umsetzung von Gender Mainstreaming auf finanzpolitischer Ebene und setze damit einen wichtigen Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit. Im konkreten werden die einzelnen Budgetkapitel etwa anhand der Fragestellung analysiert, wer die NutznießerInnen der öffentlichen Ausgaben sind. Als aktuelles Beispiel führte Lichtenecker den Vorschlag auf Senkung des Spitzensteuersatzes an, von dem natürlich vor allem die Männer profitieren würden. In ihrem Beitrag im Buch stellte sie auch die erste Initiative auf Bundesländerebene am Beispiel von Oberösterreich vor, wo – basierend auf einem Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und Grünen – im Frühjahr 2005 mit der Gender Budget Analyse begonnen wurde.

Die zweite Herausgeberin, Gudrun Salmhofer, ging auf die Genese des Begriffs Gender Budgeting ein, der erstmals bei der Weltfrauenkonferenz in Peking thematisiert wurde. In Österreich fanden im Jahr 2000 erste Überlegungen zu geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Budgetpolitik statt, bevor im Jahr 2004 ein entsprechender Ministerratsbeschluss gefasst wurde. Sie verstehe Gender Budgeting als Beitrag zur aktiven Veränderung bestehender Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, wobei man mit der Umsetzung noch relativ am Anfang stehe.

Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Maria Rauch-Kallat, war überzeugt davon, dass der Genderaspekt in den letzten sechs Jahren in Österreich stark an Bedeutung gewonnen habe. Drei Ministerratsbeschlüsse zum Gender Mainstreaming haben dazu geführt, dass ein entsprechender politischer Rahmen geschaffen wurde und dass mittlerweile in allen Ministerien Gender Mainstreaming Beauftragte tätig sind. Was das Gender Budgeting angeht, das einen Teilbereich von Gender Mainstreaming darstellt, so gab es zwei große Durchbrüche, erläuterte Rauch-Kallat. Bei der Steuerreform wurde erstmals im Gesetz explizit festgeschrieben, das die Auswirkungen der Maßnahmen auf Männer und Frauen zu berücksichtigen sind. Außerdem gebe es eine entsprechende Formulierung im Entwurf des Verfassungskonvents. Noch in dieser Legislaturperiode soll zudem ein Bundesfinanzgesetz beschlossen werden, wo das Prinzip des Gender Budgetings verankert wird.

Die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Ursula Haubner, sprach von einem weiteren Baustein in Richtung mehr Chancengleichheit. Ihr gehe es vor allem um die soziale Gleichstellung, betonte die Ministerin, also etwa um den gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen, Bildung und zum Arbeitsmarkt, um die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern sowie um die Beeinflussung von nachhaltigen Entscheidungen. Man stehe zwar erst am Beginn einer Entwicklung, aber wichtige Schritte wurden bereits gesetzt. So habe man in ihrem Ressort eine Arbeitsgruppe eingesetzt und sich spezielle Maßnahmen genauer untersucht. Als Beispiel nannte Haubner die Behindertenmilliarde, wo man sich das Ziel gesetzt habe, dass bis Ende 2006 Männer und Frauen von den Förderungen im gleichen Ausmaß profitieren.

Sie habe sich die Maßnahmen in der Stadt Wien genauer angeschaut, erklärte die Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, das in Österreich auf dem Gebiet des Gender Budgeting derzeit am weitesten sei. Seit dem letzten Jahr gibt es in allen Bereichen spezielle Beauftragte für Gender Budgeting, die eng mit den Gestaltern des Budgets zusammenarbeiten. Ihrer Meinung nach gebe es nicht nur noch viel Diskussionsbedarf bei diesem Thema, sondern es fehlen auch oft noch die statistischen Daten. Diese seien aber notwendig, um dieses neue Instrument als Hilfestellung für politische Entscheidungen richtig einsetzen zu können. Außerdem hielt Prammer es für sehr wichtig, dass das Prinzip des Gender Budgetings in der Finanzverfassung als verpflichtende Maßnahme festgeschrieben wird.

Es sei von großer Bedeutung, dass es Pilotprojekte in diesem Bereich gibt, meinte die Klubobfrau der Grünen im NÖ Landtag, Madeleine Petrovic, weil damit bewiesen wird, dass eine Umsetzung von Gender Budgeting möglich ist. Die Diskussion im Konvent habe gezeigt, dass es noch viele Widerstände gibt, aber letztlich konnte eine Formulierung gefunden werden. Gender Budgeting sei für sie ein wichtiges Handwerkszeug, das aufzeige, wo die Geldströme hinfließen. Allerdings liege es dann an der Politik, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und entsprechende Maßnahmen zu setzen.

In einer überaus lebendigen Publikumsdiskussion informierte Sozial- und Generationenministerin Ursula Haubner über die Arbeit einer interministeriellen Arbeitsgruppe zum Thema Gender Budgeting und über konkrete Projekte einzelner Ressorts. Im Finanzministerium etwa sei es teilweise bereits gelungen, Gender Budgeting-Aspekte konkret darzustellen.

Das von einer Diskutantin kritisch angesprochene Wiener Gender Budgeting-Pilotprojekt im 12. Gemeindebezirk sei keineswegs "am Ende", sagte Präsidentin Barbara Prammer. Im Gegenteil, der wichtige Lernprozess auf kommunaler Ebene gehe weiter, unter anderem in Form von Gender Budgeting-Schulungen für jene, die in Politik und Verwaltung mit Budgetpolitik zu tun haben. Beim Thema Gender Budgeting in der Kommunalpolitik rief Bundesratspräsidentin Sissy Roth-Halvax die Frauen dazu auf, "das Instrument der Vorzugsstimmen zu nutzen, um sich in die Politik und in budgetpolitisch relevante Positionen zu katapultieren".

Nachdem Landtagsabgeordnete Madeleine Petrovic an die guten Vorschläge zum Gender Budgeting erinnert hatte, die im Österreich-Konvent unterbreitet wurden, machte Barbara Prammer darauf aufmerksam, dass bei der Reform des Haushaltsrechts ein umfassender Gender Budgeting-Auftrag vorgesehen sei. Sie fürchte aber, dass das neue Haushaltsrecht aus anderen Gründen vor der Wahl nicht mehr beschlossen werden könnte. "Mehr Frauen in die Budget- und Haushaltsausschüsse", schlug Prammer weiter vor, wobei die Bedeutung von Gender Budgeting für sie darin liege, "transparent zu machen, welche Politik in Form von Budgets in Zahlen gegossen wird". So lange Gender Budgeting nicht umfassend in allen Politikbereichen durchgesetzt sei, bedürfe es aber weiterhin der Frauen- und Frauenförderungspolitik, schloss die Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer.

Zum Buch
Das von Ruperta Lichtenecker und Gudrun Salmhofer herausgegebene Buch "Gender Budgeting – Theorie und Praxis im internationalen Vergleich" versammelt ein breites Spektrum an theoretischen und praxisorientierten Beiträgen von internationalen Expertinnen, die das Ergebnis des zehnten AbsolventInnentages darstellen, der im Mai 2004 an der Johannes-Kepler- Universität Linz stattfand. Der 202 Seiten umfassende Band, ist im Studien Verlag (Studien zur Frauen und Geschlechterforschung, Band 4) erschienen und im Buchhandel erhältlich.
     
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