Österreich etabliert sich als Auslandsinvestor  

erstellt am
25. 04. 06

OeNB präsentiert die Zahlungsbilanz Österreichs für 2005
Wien (oenb) - OeNB-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Dr. Klaus Liebscher und das für den Bereich Statistik zuständige Mitglied des Direktoriums, Mag. Dr. Peter Zöllner, präsentierten am 25. 04. im Rahmen einer Pressekonferenz die Zahlungsbilanz Österreichs für 2005. Sie schloss mit einem Leistungsbilanzüberschuss von rund einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes und sehr hohen österreichischen Portfolioinvestitionen im Ausland.

Gouverneur Liebscher hob in diesem Zusammenhang die positiven Auswirkungen des österreichischen EU-Beitritts hervor. „Die Integration Österreichs habe einen beachtlichen Antriebsmotor für die Außenwirtschaft dargestellt". Als Indikatoren der zunehmenden internationalen Verflechtung der österreichischen Wirtschaft nannte Gouverneur Liebscher unter anderem, dass die Summe der jährlichen Güter- und Dienstleistungs-Exporte und -Importe Österreichs 2005 mit rd. 268 Mrd Euro den Wert des Bruttoinlandsprodukts klar übertroffen habe. Die Summe der grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten Österreichs liege bereits bei über dem Vierfachen der österreichischen Wirtschaftsleistung – zum Vergleich: 1999 war es erst etwa das Zweieinhalbfache gewesen.

Besonders strich er die Aktivitäten österreichischer Unternehmen in Mittel- und Osteuropa heraus, bei denen man – insbesondere bei den Finanzdienstleistern – sogar von einer Vorreiterrolle Österreichs sprechen könne. „Österreich nutzt seine geografische Lage im Sinne einer Drehscheibenfunktion ökonomisch außerordentlich gut", so Dr. Liebscher.

Bezüglich der zunehmenden Rolle von Außenwirtschaftsstatistiken betonte Gouverneur Liebscher, dass es immer wichtiger werde – aber zugleich auch schwieriger – das dynamische und innovative internationale Wirtschaftsgeschehen mit qualitativ hochwertigen Methoden möglichst aktuell zu erfassen. Der Bogen der Anwendungsgebiete dieser Daten sei weit reichend: Von internationalen Anforderungen wie beispielsweise durch die Europäische Zentralbank zur Unterstützung der Durchführung der gemeinsamen Geldpolitik im Eurosystem bis hin zur Entscheidungsgrundlage für wichtige struktur- und förderungspolitische Maßnahmen im innerstaatlichen Bereich. Nicht zuletzt würden international agierende Unternehmen verlässliche außenwirtschaftliche Daten für ihre Standortentscheidungen benötigen.

Die OeNB sei sich, so Gouverneur Liebscher, der zentralen Bedeutung qualitativ hochwertiger Statistiken im Außenwirtschaftsbereich bewusst und nimmt sehr gerne die Verpflichtung und Herausforderung an, der österreichischen Volkswirtschaft mit ihrer diesbezüglichen Expertise zu dienen.

Diesem Umstand werde durch den per 1.1.2006 erfolgten Umstieg des Meldesystems für die österreichische Zahlungsbilanz in adäquater Weise Rechnung getragen. Statt der bisher verwendeten Meldungen der Banken über den Auslandszahlungsverkehr basiere die neue Erhebungsmethode – einem internationalen Trend folgend – nunmehr primär auf direkten Erhebungen bei den Verursachern. Unter anderem durch eine Kooperationsvereinbarung mit Statistik Austria könnten, so Gouverneur Liebscher, Synergieeffekte lukriert werden, die letztlich der Entlastung der Melder und der Qualität der Daten dienen.

Besonderen Dank sprach Gouverneur Liebscher allen Datenmeldern aus und bat um deren Unterstützung beim Umstieg auf das neue Meldesystem.

In der Folge präsentierte Direktor Dr. Peter Zöllner, das für den Bereich Statistik zuständige Mitglied des Direktoriums der OeNB, die wichtigsten Ergebnisse der Zahlungsbilanz des Jahres 2005.

Österreichs Leistungsbilanz schloss 2005 mit einem Plus von 3 Mrd Euro. Damit setzte sich ein seit Jahren beobachtbarer Trend zur Aktivierung der Leistungsbilanz fort. Gemessen am BIP erreichte der Leistungsbilanzüberschuss 1,2 %, ein Ergebnis wie es in ähnlicher Größenordnung zuletzt 1982 verzeichnet worden ist.

Insgesamt ist die Bilanz des grenzüberschreitenden Handels mit Gütern und Dienstleistungen – ein wichtiger Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Volkswirtschaft – mit einem Überschuss von 6,5 Mrd Euro als sehr erfreulich einzustufen. Die Dynamik der Verbesserung stammte vor allem aus dem Bereich der Dienstleistungen. Die wachsende Kapitalverflechtung mit dem Ausland findet ihren Niederschlag natürlich auch in den damit verbunden Einkommensströmen, führte Direktor Zöllner aus: Die Vermögenserträge heimischer Investoren übertreffen mit 17 Mrd Euro die Deviseneinnahmen aus dem Reiseverkehr bereits deutlich. Die entsprechenden Aufwendungen für ausländisches Kapital in Österreich erforderten sogar 19 Mrd Euro. Daraus resultierte – unter Berücksichtigung der Erwerbseinkommen – ein Einkommensabfluss von 1½ Mrd Euro, was einer Verbesserung von fast ½ Mrd Euro gleichkommt.

Den Schwerpunkt seiner Ausführungen legte Direktor Zöllner dann auf die Kapitalbilanz: Das Volumen der grenzüberschreitenden Kapitalströme erreichte mit 130 Mrd Euro einen historischen Höchstwert. Österreichs Veranlagungen im Ausland übertrafen mit 65 Mrd Euro jene des Auslands in Österreich um 650 Mio Euro. Damit trat Österreich seit 2002 bereits zum dritten Mal als Netto-Kapitalexporteur auf.

Die Kapitalexporte Österreichs stiegen gegenüber 2004 um mehr als ein Drittel, wobei mehr als die Hälfte des Zuwachses auf Wertpapierveranlagungen entfiel, so Direktor Zöllner. Im Unterschied dazu ist das Wachstum der Kapitalimporte, das gleichfalls ein Drittel betrug, vor allem auf gestiegene Bankeinlagen zurückzuführen.

Besondere Beachtung schenkte Direktor Zöllner der regionalen Dynamik der Kapitalverflechtungen: „Wir stellen eine Verschiebung der Anlagepräferenzen fest. Jene Länder Mittel- und Osteuropas, die nicht Mitglied der EU sind, also die Balkanstaaten und die europäischen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion gewinnen als Investitionsziele an Bedeutung." In diesen 11 Ländern sind derzeit vor allem strategische Unternehmensbeteiligungen und Kreditgewährungen österreichischer Banken zu beobachten. In den 10 neuen EU-Mitgliedsländern gingen die Direktinvestitionsflüsse dagegen deutlich zurück, dafür wurden diese Länder für Wertpapierveranlagungen zunehmend interessant. Diese sind zu Lasten der entsprechenden Investitionen im Euroraum gegangen, die im Vergleich zu 2004 rückläufig waren.

Die aktiven Direktinvestitionen Österreichs im Ausland erreichten mit 7,5 Mrd Euro einen neuen Rekordwert, aber auch die strategischen Unternehmensbeteiligungen des Auslands in Österreich waren mit 7,2 Mrd Euro sehr hoch. „Österreichische Direktinvestoren bleiben Osteuropaspezialisten und belegen in Kroatien, Slowenien und Bulgarien den ersten Rang unter den Auslandsinvestoren", so Dir. Zöllner. Auf der Passivseite dominierte auch 2005 Deutschland als wichtigster Investor das Geschehen.

Bei der Analyse der Entwicklung der Portfolioinvestitionen führte Direktor Zöllner aus, dass österreichische Investoren im Berichtsjahr mit 34 Mrd Euro mehr Geld als je zuvor in ausländische Wertpapiere – und zwar vorwiegend in Schuldverschreibungen – investierten. Dabei verlor der – nach wie vor dominierende – Euroraum zu Gunsten Polens, Ungarns und Zyperns etwas an Bedeutung. Ausländische Investoren veranlagten 2005 mit 23 Mrd Euro etwas weniger in Österreich als im Jahr davor. Besonders stark war die Nachfrage nach heimischen Investmentzertifikaten. Weiterhin hoch war auch die Nachfrage des Auslands nach heimischen Aktien. Den Nettoverkauf von Schuldverschreibungen an ausländische Anleger dominierten 2005 Bankenemissionen. Hingegen ist der Absatz von Staatsschuldverschreibungen zurückgegangen und wurde 2005 erstmals von Corporate Bonds übertroffen.

Abschließend sprach auch Direktor Zöllner den Meldern seinen Dank aus. Ohne deren aktiven Beitrag ist die Erstellung einer qualitativ hochwertigen Zahlungsbilanzstatistik nicht möglich. Im Hinblick auf den Wechsel zu einem neuen Meldesystem kündigte er die erste Veröffentlichung von Zahlungsbilanzdaten – und zwar für Jänner bis März 2006 – für Mitte Mai an.
     
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