Marschall des Sejm im Hohen Haus  

erstellt am
05. 05. 06

Jurek: Polen hat Ratifizierungsprozess für EU-Vertrag gestoppt
Wien (pk) - Der Marschall des Sejm der Republik Polen Marek Jurek und seine Delegation trafen mit dem Vorsitzenden des EU-Unterausschusses, VP-Abgeordnetem Werner Fasslabend, dem Obmann der österreichisch-polnischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe, VP-Abgeordnetem Karl Donabauer, sowie mit dem EU-Unterausschussmitglied, der SP-Abgeordneten Elisabeth Hlavac, und dem VP-Abgeordneten Martin Preineder zu einem Gespräch zusammen.

Marek Jurek wies in seinen einleitenden Worten darauf hin, dass Polen aufgrund der gemeinsamen Geschichte, aber auch aufgrund der Bedeutung Österreichs als Land in Mittelosteuropa großen Wert auf gute Beziehungen mit Österreich lege. Kontakte bestehen nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch bilateral, vor allem was Investitionen und gesellschaftliche Beziehungen betrifft.

Abgeordneter Werner Fasslabend meinte im Zusammenhang mit der aktuellen europäischen Diskussion, ihm, Fasslabend, gehe es nicht sosehr um institutionelle Fragen, sondern vielmehr um die Frage, welche Rolle Europa in Zukunft auf der Welt spielen wird; dies deshalb, weil Europa im Vergleich zu den anderen weltpolitischen Akteuren wie den USA, China, Japan und Russland ein Manko habe: eine mangelnde Entscheidungsfähigkeit. Alle anderen Staaten seien nationalstaatlich organisiert, erläuterte der Vorsitzende des EU-Unterausschusses, und können innerhalb kürzester Zeit durch Präsident, Ministerpräsident bzw. Parlamentsbeschluss von der Wirtschaftspolitik bis zu Sicherheitsfragen prägnante Entscheidungen herbeiführen. In der EU hingegen bedürfe es der Zustimmung von 25 bzw. in Zukunft von 27 Ländern; zumindest bedürfe es einer Zweidrittelmehrheit. Es handle sich daher um einen sehr langwierigen Prozess. Daher komme der inneren Homogenität eine große Bedeutung zu, diese könne man nur erreichen, wenn Klarheit über die Identität herrsche, wenn man weiß, was man will, und wenn Standards möglichst ähnlich sind. Daher sei die Frage der Vertiefung "ungeheuer wichtig", auch im Hinblick auf die Entwicklungen im ökonomischen und demographischen Bereich. Auf der anderen Seite gelte es, die nationale Identität zu wahren. Aus diesem Grund hielt es Fasslabend für wichtig, in den nächsten Monaten und Jahren nach einer Balance zwischen Stärkung der Entscheidungsfähigkeit der Union und der Gewährleistung der nationalen Identität zu suchen. Dabei komme, zeigte er sich überzeugt, den nationalen Parlamenten eine Schlüsselrolle zu.

Die Ansicht, dass den nationalen Parlamenten eine Schlüsselrolle zukomme, unterstützte Marek Jurek, fügte aber hinzu, ohne Kontrolle durch die Bevölkerung "könne Einiges schief gehen". Die gemeinsame Politik auf EU-Ebene sei von gemeinsamen und von neu entstandenen Interessen geprägt. Der Ausgang der Abstimmung über die EU-Verfassung in den Niederlanden und in Frankreich habe die Befürchtungen, aber auch die Egoismen, die in diesen Ländern bestehen, aufgezeigt und könne nach Ansicht von Jurek eine Bremse, aber auch ein "Alarm" sein, nach neuen gemeinsamen Werten zu suchen. Angesichts der zwei Vetos habe Polen den Ratifizierungsprozess nicht in die Wege geleitet. Die Zeit sollte man zum Nachdenken und für eine Debatte über die europäische Solidarität nutzen.

Polen sei dafür, dass die laufenden Verhandlungen mit Bulgarien und Rumänien abgeschlossen werden. Jurek wies aber auch auf die Notwendigkeit hin, die Länder des Westbalkans in die EU aufzunehmen. Auch lohne es sich, ein klares EU-Signal an die Ukraine, die sich derzeit in einer ähnlichen Situation wie Polen in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre befinde, zu senden. Die Ukraine sei ein europäisches Land und eine Einladung in die EU würde dem Land bei seiner Orientierung sehr helfen, unterstrich Jurek.

Werner Fasslabend verwies auf die COSAC-Konferenz, die im Mai im Parlament stattfinden wird, und darauf, dass ein Vertreter der Ukraine dazu nach Wien eingeladen wurde. Mit Außenkommissarin Ferrero-Waldner könne dann über diese Frage gesprochen werden.
     
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