Erfolgsbilanz der Wiener Theaterreform  

erstellt am
15. 05. 06

Wien (rk) - Eine Erfolgsbilanz der Wiener Theaterreform zog Kulturstadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny am 12. 05. in einem Mediengespräch im 3raum Anatomiethater gemeinsam mit den KultursprecherInnen der Parteien, die die Reform mittragen und einem Mitglied des Kuratoriums für Off-Theater und Tanz. Mailath verwies auf die Erfolge der Reform, die neue Impulse, eine Öffnung festgefahrener Strukturen, die Aufbrechung der Spartentrennungen, bessere Planbarkeit für die Theaterschaffenden und generell mehr Geld, 22 Millionen 2006 gegenüber 14 Millionen 1999, für die Off- Theater-Szene gebracht hat. Für eine Reihe von Häusern, vom Schauspielhaus über dietheater, das Odeon, das Ensembletheater und das Kosmos Theater seien zukunftsweisende Lösungen in die Wege geleitet worden. Gemeinderat Ernst Woller (SPÖ) betonte in seinem Beitrag, die Reform habe in den letzten drei Jahren mit Mut und Augenmaß vieles in Bewegung gebracht, was durch lange Zeit angestanden sei. Noch nie habe es so viel Bewegung in diesem wichtigen Bereich der Wiener Kulturpolitik gegeben. GR Mag. Marie Ringler unterstrich, es sei gelungen, eingefahrene Strukturen in Frage zu stellen, Raum für Neues zu schaffen und die Bewertung der Theaterarbeit zu professionalisieren. Auch die ÖVP unterstütze das vorliegende Reformpaket, stellte GR Dr. Franz Ferdinand Wolf fest, allerdings sei ein permanenter Reformprozess notwendig. Uwe Mattheis vom Kuratorium für Off-Theater und Tanz sprach besonders die Veränderbarkeit im Prinzip des Systems als Erfolg der Reform an.

Vor drei Jahren wurde mit der umfassenden Studie "Freies Theater in Wien" im Auftrag von Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny ein nachhaltiger Reformprozess für diesen Bereich der Darstellenden Kunst eingeleitet. Es folgte ein "Leitbild zur Wiener Theaterreform", das erstmals in der Geschichte der Stadt ein grundsätzliches Bekenntnis aller politischen Parteien zur Weiterentwicklung der Wiener Theaterlandschaft formulierte und von allen Fraktionen des Wiener Gemeinderats einstimmig beschlossen wurde. Kernpunkt war eine umfassende Reform der bisherigen Förderpraxis im Bereich der Darstellenden Kunst.

Erreichte Ziele
Die Ziele der Reform sind nunmehr zu einem guten Tei erfüllt. Mit dem Durchbrechen der "gläsernen Decke" zwischen Freien Gruppen und festen Häusern, größerer Planungssicherheit durch längere Vorlaufzeiten und längerfristigen Fördervereinbarungen, mehr Transparenz und Einheitlichkeit im Vergabeverfahren (Förderung ausschließlich aufgrund eines eingereichten Konzeptes, Abkehr vom Prinzip der "Intendanz auf Lebenszeit") und einer insgesamten Erhöhung der Fördermittel ist es gelungen, neue Impulse für die Wiener Off-Theaterszene zu setzen.

Erhöhung der Fördermittel
Während überall in Europa der Theaterbereich von Einsparungsmaßnahmen betroffen ist, steigen die Aufwendungen der Stadt Wien kontinuierlich. Zwischen 1999 und 2006 wuchs das Budget für das Wiener Off-Theater von 14 Mio. Euro auf knapp 22 Mio. Euro an. Allein die Theaterreform brachte 2 Mio. Euro mehr für den Off- Theaterbereich. In Berlin stehen für denselben Bereich ca. 10 Mio. Euro, in Zürich 8 Mio. Euro zur Verfügung. Die für den Off-Bereich vorgesehenen Fördersummen machen damit ein Drittel des Gesamtbudgets aus, das die Stadt Wien für den Bereich der Darstellenden Kunst aufbringt.

Novum Konzeptförderung
Als ein Ergebnis der Theaterreform gibt es zum ersten Mal in Österreich Vierjahresverträge im Theaterbereich. Die Anträge zur neu eingeführten vierjährigen "Konzeptförderung" wurden von einer internationalen Expertenjury begutachtet. Insgesamt wurden 30 Vierjahresverträge an 16 Freie Gruppen, 13 Häuser und 1 Festival vergeben. Darüber hinaus gibt es 4 Auslobungen. Die Fördersummen wurden im Vergleich zur Dreijahresförderung deutlich erhöht.

Ermöglichen von Neuem
10 Freie Gruppen bekamen erstmals eine längerfristige Förderperspektive im Rahmen der 4-jährigen Konzeptförderung. Darüber hinaus wurde 5 Freien Gruppen erstmals die neu eingeführte zweijährige Projektförderung zugesprochen. Insgesamt kam es zu einer signifikanten Umverteilung der Fördermittel, die insbesondere jungen KünstlerInnen und aktuellen zeitgenössischen Theaterformen zu gute kommt.

Ausschreibungen / Umstrukturierungen
Mit der Ausschreibung des Wiener Schauspielhauses und dietheater Wien ab der Saison 2007/2008 sowie mit Zukunftsszenarien für das Ensembletheater, das Theater des Augenblicks, das Kosmos Theater und das Odeon schließt sich der Bogen des vor drei Jahren gestarteten Unternehmens "Wiener Theaterreform".

Das Programm des Schauspielhauses bleibt auf innovative und aktuelle internationale Tendenzen des Sprechtheaters ausgerichtet. Einen speziellen Schwerpunkt soll die Uraufführung zeitgenössischer Texte bilden.

dietheater Wien soll als zeitgemäßes, internationales Koproduktionshaus neu positioniert und um weitere Arbeits- bzw. Präsentationsräume sowie um eine temporär zu bespielende größere Spielstätte erweitert werden.

Für die Begutachtung der eingereichten Konzepte für beide Häuser (Einreichfrist bis 15. Juli 2006) wird eine Findungskommission eingesetzt, bestehend aus jeweils 1 VertreterIn der bestehenden Theaterjury, der Stadt Wien, des Bundes sowie - in Abstimmung mit den KultursprecherInnen - zwei bis drei weiteren ExpertInnen.

Der Leitung des Theaters des Augenblicks wurden seitens der Stadt Vorschläge unterbreitet, den Theaterraum ab Herbst 2007 einer neuen Nutzung zuzuführen. Dahingehende Verhandlungen sind im Laufen.

Für das Odeon ist eine Stiftungslösung in Aussicht genommen, die den Weiterbestand des Raumes sowohl im Sinne der bisherigen Betreiber als auch hinsichtlich der Erfordernisse der Theaterreform langfristig absichern soll.

Mit der Neupositionierung des Ensembletheaters soll ein neuer Ort der Begegnung der Kulturen im Zentrum Wiens ("Treffpunkt Petersplatz") geschaffen werden. Zusätzlich zu den Eigenproduktionen des Ensembletheaters sind vorerst Kooperationen mit Proponenten der inter- und multikulturellen Szene geplant. 2007 soll die Position eines/r Co-Leiters/in ausgeschrieben werden, der/die das Haus nach einer Übergangsphase in Alleinverantwortung führen soll.

Mit dem Kosmos Theater wurde auf Basis einer Subventionserhöhung um 120.000 EUR ab der Saison 2006/2007 und einer Vertragsverlängerung bis Herbst 2009 eine öffentliche Ausschreibung der künstlerischen Leitung ab der Saison 2009/2010 in Aussicht genommen.

Verlängerung Des Kuratorinnenmodells
Die Verträge der drei für die Projektförderung zuständigen KuratorInnen laufen mit Sommer aus. Aufgrund der überwiegend positiven Erfahrungen - und nicht zuletzt aufgrund eines einstimmigen Votums der KultursprecherInnen und der Theaterjury - soll das KuratorInnenmodell als wichtiges Instrumentarium der Reform mit entsprechenden Transparenzvorgaben für eine weitere Periode von zwei Jahren verlängert werden. Die neuen Mitglieder des Kuratoriums werden im Herbst bestellt.

Ausblick
Synergieeffekte durch die Zusammenführung von Betriebsmitteln sollen in Zukunft stärker genützt werden. Einerseits durch die Etablierung eines neuen Koproduktionshauses und die Förderung von "offenen" Spielstätten (z.B. Jugendstiltheater), andererseits durch verstärkte Initiativen im Bereich der "temporären Zwischennutzungen" (jüngstes Beispiel: Hubsi Kramars 3raum Anatomietheater).

Um die wachsenden Bedürfnisse in Bereich des Inter- /Mulitkulturellen Theaters (jeder vierte Wiener hat einen Migrationshintergrund) abzudecken, soll in den nächsten Jahren diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden: So soll ab 2007 ein eigenes Budget im Rahmen der Projektförderung für inter- /multikulturelle Projekte zur Verfügung stehen und bei der nächsten Runde der Konzeptförderung sollen zumindest zwei Projekte mit interkulturellem Schwerpunkt gefördert werden.

Siehe: IGFT lehnt Kuratorenmodell entschieden ab
     
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