"Club of Vienna": Beitrag der Religion zu "Kapitalismusreform"  

erstellt am
10. 05. 06

Neues Buch "Weltreligionen und Kapitalismus" in Wien präsentiert - Kardinal Schönborn einer der Autoren
Wien (stephanscom.at) - Der Beitrag der Religionen zur "Zähmung" des Kapitalismus ist bei einer Buchpräsentation des "Club of Vienna" (CoV) - er entstand 1996 in Anlehnung an den "Club of Rome" - am 09. 05. in Wien gewürdigt worden. Der Referent der Stadt Wien für Wissenschaftsförderung, Prof. Hubert Christian Ehalt, Sachbuchautor Klaus Woltron, Verkehrsplaner Prof. Hermann Knoflacher und der Unternehmensberater Manfred Sliwka hoben die Notwendigkeit einer Kooperation mit den Religionen hervor. Einer der Beiträge in dem neuen Buch "Weltreligionen und Kapitalismus", das im "Echomedia"-Verlag erschien, stammt von Kardinal Christoph Schönborn. Die Beiträge wurden bei einem gleichnamigen Symposion vor einem halben Jahr gehalten.

Das Buch über das "Club of Vienna"-Symposion steht im Rahmen des seit 2003 laufenden Projekts "Kapitalismus gezähmt?", das der Club durchführt. Als nächstes will man sich mit den Regulativinstanzen in der Weltwirtschaft wie etwa der Welthandelsorganisation WTO befassen. Das Projekt soll Wege zu einem "postkapitalistischen, stabileren und vor allem menschengerechteren Wirtschafts- und Sozialsystem" zeigen.

Im Beitrag Kardinal Schönborns geht es darum, dass ohne Verankerung in einer transzendenten Verantwortung die großen Herausforderungen in der Wirtschaft und in der Wissenschaft nicht zu bewältigen sind. Zugleich unterstreicht der Wiener Erzbischof, dass es nicht darum gehen könne, "dass Religionsverantwortliche Handlungsanweisungen an die Wirtschaft geben". Vielmehr sollten die Religionen die "Autonomie der Sachbereiche" respektieren und sich auch etwas von ihnen sagen lassen. Dazu habe auch die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute ("Gaudium et spes") aufgerufen.

Kardinal Schönborn hebt hervor, dass auch Politiker, Wirtschaftsfachleute und Wissenschaftler Menschen sind, die sich der "religiösen Frage" stellen müssen. Auch die Wirtschaftsethik könne nicht auf anderen Prinzipien beruhen als die Ethik der Politik oder die wissenschaftliche Ethik. Es gehe um einen Diskurs um Werte und Prinzipien, der auch von Menschen beurteilt werden kann, "die nicht Fachleute sind". Im öffentlichen Diskurs über die Wirtschaft müsse jeder mitreden können, weil die "Wirtschaft alle betrifft". Daher hätten auch Religionsverantwortliche das Recht, sich an diesem Diskurs zu beteiligen.

Als Bürger nehme er auch für sich in Anspruch, seine Überzeugung in die Diskussion einzubringen und er erwarte, dass sie "loyal und sachlich und nicht polemisch" diskutiert wird, betont der Kardinal.

Der Wiener Erzbischof verweist auf seine Erfahrungen im Zusammenhang mit den Reaktionen auf seinen Meinungskommentar zum Evolutionismus in der "New York Times" vom 7. Juli. Schönborn betont, dass nach seiner Auffassung die Evolutionstheorie - "die wissenschaftlich absolut ernst zu nehmen ist" - zur Ideologie wird, wo "Evolution alles erklärt und alles nach ihrem Muster gehen soll". Wenn das "survival of the fittest" wirklich das "oberste Prinzip der Natur" wäre, würde er in einer an diesem Prinzip orientierten Gesellschaft nicht leben wollen, so der Wiener Erzbischof. Ihm gehe es um eine Gesellschaft, in der "Synergie, Symbiose und gegenseitige Ergänzung mindestens einen so wichtigen Platz haben wie der 'struggle for life', der Kampf 'um den Platz an der Sonne'".

Unter der Voraussetzung der Anerkennung der Autonomie der jeweiligen Fachdisziplinen solle die Religion durchaus "mitreden", allerdings mit der Intention, "zu dienen, zu helfen, zu motivieren und zu trösten", so der Kardinal. Die Religionsgemeinschaften sollten sich in "Wertedebatten und Orientierungsdiskurse" einbringen und dort ihre Grundfrage laut werden lassen: "Steht der Mensch im Mittelpunkt?"

Im Hinblick auf die viel berufene "Rückkehr der Religion" sei aber vor "Verzweckung" zu warnen, unterstreicht der Wiener Erzbischof. Es sei nicht primäre Aufgabe der Religion, durch Festigung des "Grundethos" einen Beitrag zur "Effizienzsteigerung der Gesellschaft" zu liefern. Aufgabe der Religion sei es vielmehr, immer wieder an den "offenen Himmel" zu erinnern. Diese Transzendenzoffenheit sei es daher auch, die von den Religionsgemeinschaften immer wieder neu im gesellschaftlichen Diskurs einzuklagen sei.

Luthers Kritik am "Mammon" Zins
Der Wiener evangelisch-lutherische Superintendent Hansjörg Lein betont in dem Buch, dass für Martin Luther die Kritik am Frühkapitalismus seiner Zeit "keine Frage der Ethik, sondern der Urdisziplin aller Theologie, der Lehre von Gott", gewesen sei. Das erste Gebot ("Du sollst keine anderen Götter haben neben mir") lasse sich als Ausdruck einer "Mammon-Kritik" verstehen, so Lein. Für Luther sei es gerade der Wucher gewesen, also die Zinsnahme für Geliehenes, die "alle auffrisst, die kein Kapital besitzen". Sowohl der Lutherische Weltbund als auch der Reformierte Weltbund hätten in den vergangenen Jahren eine auf neoliberalem Gedankengut aufbauende Weltwirtschaftsordnung und die "Kultur des Konsums" kritisiert, betont Lein.

Bei der Präsentation des Sammelbandes meinte Prof. Ehalt, der Beitrag der Religionen sei in der "laizistischen Welt" gut aufgehoben. Er sei der Meinung, dass der katholischen Kirche ihre Trennung von weltlicher Macht "gut getan" habe. Je weiter sie von der Macht entfernt sei, "desto bessere, sympathischere Beiträge für eine gerechtere Welt liefert sie".

Der "Club of Vienna" versteht sich als "Think-Tank" und ist eine Vereinigung von Einzelpersonen. Diskutiert werden gesellschaftliche, wissenschaftliche und ökologische Fragen. Der Club ist laut eigenen Angaben parteipolitisch ungebunden und besteht aus Wissenschaftlern und Fachleuten, die zu öffentlich bedeutsamen Themen "verlässliche, weit blickende Expertisen" liefern können.

Informationen: http://www.clubofvienna.org
     
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