Zwei Jahre nach der EU-Erweiterung: Österreich einer der Hauptgewinner  

erstellt am
18. 05. 06

Wien (wifo) - Im Gegensatz zur skeptischen Einstellung der Bevölkerung gegenüber der jüngsten EU-Erweiterung gehört Österreich zu jenen Ländern, deren Wirtschaft von diesem Integrationsschritt am meisten gewonnen hat. Der Handel mit den neuen EU-Ländern boomt schon seit der Ostöffnung 1989 und entwickelte sich auch in den letzten zwei Jahren ungebrochen günstig. Die Erhöhung der Rechtssicherheit durch den EU-Beitritt steigerte die Dynamik der Direktinvestitionen heimischer Unternehmen in diesen Ländern weiter. Zusätzliche Gewinne aus dem Ostgeschäft stärken die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen. Die Übergangsregelungen für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte wurden soeben verlängert. Die positiven Effekte aus den Wirtschaftsbeziehungen Österreichs mit den neuen, rasch wachsenden EU-Ländern haben die dämpfenden Einflüsse der unterdurchschnittlichen Entwicklung beim Haupthandelspartner Deutschland mehr als kompensiert.

In den letzten 1½ Jahrzehnten hat sich Europa grundlegend verändert. Der Zusammenbruch des Kommunismus 1989, der Fall der Berliner Mauer und deutsche Wiedervereinigung 1990 haben den Osten für den Westen "geöffnet". Die EU band relativ rasch die ostmitteleuropäischen Länder (MOEL) mit Europaabkommen an sich und liberalisierte den bilateralen Handel. Gleichzeitig schritt die Integration der EU voran, 1993 durch die Schaffung des Binnenmarktes, 1995 durch die Erweiterung um Finnland, Österreich und Schweden und 1999 durch die Bildung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Mit der Aufnahme von 10 neuen Mitgliedstaaten im Jahr 2004 ist der Erweiterungsprozess der EU aber noch nicht abgeschlossen.

Österreichs Wirtschaft profitierte von allen Integrationsschritten:

  • Die Ostöffnung seit 1989 steigerte das reale BIP (zusätzlich) um rund 3½% (das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen zusätzlichen Wirtschaftswachstum von ½% pro Jahr). Dadurch wurden rund 77.000 Arbeitsplätze geschaffen.
  • Infolge des EU-Beitritts 1995 dürfte das Niveau des realen BIP um rund 4½% gestiegen sein (ebenfalls gegenüber einem Basisszenario ohne diesen Integrationsschritt; knapp +½% pro Jahr). Rund ein Fünftel dieses Zuwachses ist auf die Teilnahme Österreichs an der Wirtschafts- und Währungsunion seit 1999 zurückzuführen. Innerhalb der 10 Jahre seit dem EU-Beitritt entstanden rund 75.000 zusätzliche Arbeitsplätze.
  • Durch die zeitliche Parallelität von Ostöffnung und EU-Beitritt überlagerten einander die Integrationseffekte (insbesondere die Handelseffekte) teilweise; sie sollten daher nicht einfach addiert werden. Insgesamt dürften Ostöffnung und EU-Mitgliedschaft Österreichs ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von ½% bis 1% pro Jahr bewirkt und die Beschäftigung um 100.000 bis 150.000 Personen erhöht haben. Von der EU-Erweiterung 2004 profitiert Österreich am meisten unter den Ländern der EU 15, das reale BIP dürfte dadurch in den nächsten 10 Jahren pro Jahr um rund 0,2 Prozentpunkte stärker steigen.
  • Die Ostöffnung brachte für Österreich größere Wachstums- und Beschäftigungseffekte, als wie von der EU-Erweiterung in derselben Zeitspanne zu erwarten sind. Allerdings könnte sich das Bild ganz langfristig drehen: Die neuen EU-Länder sind einer der beiden europäischen Wachstumskerne (der andere ist Nordeuropa), während die westlichen Nachbarstaaten Österreichs wahrscheinlich auch mittelfristig eine geringe Wachstumsdynamik aufweisen werden. Europa verfügt einschließlich der Balkanländer, der Türkei und der Ukraine über ein ähnliches Wachstumspotential wie die USA.


Für die Direktinvestitionen österreichischer Unternehmen ergibt sich umgekehrt die Einschätzung, dass die EU-Erweiterung noch mehr als die Ostöffnung zur Erschließung neuer Märkte beiträgt. Vor allem in Hinblick auf die Fortsetzung der Erweiterungspolitik der EU ist mit großen neuen Chancen für Direktinvestoren in Bulgarien, Rumänien, im Balkanraum und in der Türkei zu rechnen.

Quelle: WIFO
Autor: Fritz Breuss

     
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