Nano-Strukturen des Infektionsapparates von Salmonellen aufgeklärt  

erstellt am
02. 06. 06

Großer Erfolg am Campus Vienna Biocenter
Wien (pr & d) - Die Strukturveränderung eines molekularen Infektionsapparates dient bei Salmonellen gleichzeitig als Signal zum Beenden seines weiteren Aufbaus. Details dieses eleganten Rückkoppelungs-Systems auf Nano-Ebene werden in der Ausgabe der Fachzeitschrift NATURE am 01. 06. veröffentlicht. Das bessere Verständnis über den Aufbauvorgang des nadelartigen Sekretionskanals dieses Erregers bietet zukünftig neue Ansatzmöglichkeiten zur Verhinderung des Infektionsprozesses. Die Ergebnisse des Teams um Thomas Marlovits, der als gemeinsamer Gruppenleiter von IMP und IMBA den neuen "Vienna Spot of Excellence" am Campus Vienna Biocenter leiten wird, konnten durch Kryoelektronenmikroskopie wissenschaftlich exakt und anschaulich geklärt werden.

Salmonellen verursachen Typhus und Lebensmittelvergiftungen. Wichtiges Strukturmerkmal des Infektionsprozesses dieses Bakteriums ist das so genannte "Typ III secretion system" (TTSSa). Dieses erlaubt es, Bakterienproteine in die Wirtszelle einzuschleusen. Die zentrale Rolle des Apparates hat eine hohlnadelartige Struktur, deren Länge entscheidend für den erfolgreichen Infektionsprozess ist.

Wie beim Aufbau dieser biologischen Nano-Maschine die genaue Länge der Nadel sichergestellt wird, konnte Dr. Thomas C. Marlovits, wissenschaftlicher Leiter eines "Vienna Spot of Excellence", mit KollegInnen aus den USA nun klären. Dazu Marlovits: "Als schönes Beispiel für molekulares Multi-tasking ist das TTSSa nicht nur für den Transport von Bakterienproteinen in die Wirtszelle zuständig, sondern auch für seinen eigenen Aufbau aus gut 200 einzelnen Strukturproteinen. Dabei wird die Länge der Nadelstruktur durch einen raffinierten Mechanismus gesteuert. Kernstück dieses Mechanismus ist die Veränderung der Spezifität des TTSSa für unterschiedliche Proteine. Hat das TTSSa während der Anfangsphase des Aufbaus noch eine hohe Spezifität für seine eigenen Strukturproteine, so ändert sich diese später zu jenen Proteinen, die für den eigentlichen Infektionsprozess wichtig sind. Entscheidend für diesen Wechsel ist eine Änderung der Struktur des TTSSa."

Tatsächlich besteht das TTSSa aus vier wichtigen Bestandteilen: einer in der Bakterienmembran verankerten Basis mit einer Halterung, sowie einer darüber liegenden inneren Ringstruktur, auf der die Nadel aufgebaut wird. Marlovits konnte nun zeigen, dass die Ringstruktur die Nadel fest mit der Halterung und Basis verbindet. Diese Bindung bewirkt auch eine strukturelle Änderung der Basis, die sich auf deren Fähigkeit auswirkt, Proteine aus dem Zellinneren zu binden. Damit dient die Strukturänderung als Signal dafür, dass die Nadel fertig ist. Anstatt weiterer Proteine für den Aufbau werden dann jene Proteine transportiert, die für den Infektionsprozess notwendig sind.

Ausschlaggebend für die überzeugenden Ergebnisse des Teams um Marlovits war die Kombination hochauflösender bildgebender Verfahren ­ der Kryoelektronenmikroskopie ­ mit der molekulargenetischen Analyse von Mutanten, die ungewöhnlich lange Nadelstrukturen bilden. Von diesen war bekannt, dass das Protein InvJ einen Einfluss auf die Nadellänge hatte ­ aber nicht wodurch dieser Einfluss ausgeübt wurde. Marlovits Vergleich ergab ein überraschend klares Bild: den Mutanten fehlte die innere Ringstruktur komplett. Da diese Mutanten aber trotzdem Nadelstrukturen, und zwar von enormer Länge, bilden können, lag die Vermutung nahe, dass die innere Ringstruktur eine Art Stopp-Signal für den Nadelaufbau liefert, das bei den Mutanten eben fehlt. Weitere Analysen zeigten dann zusätzlich deutliche Strukturunterschiede der Basis von Wildtyp und Mutante. Marlovits Hypothese ist nun, dass diese Strukturänderung Einfluss auf die Bindung jener Proteine hat, die durch TTSSa kanalisiert werden ­ und so das Stopp-Signal für den Nadelaufbau liefert.

Neben der Grundlage für weitere Arbeiten am Infektionskanal ist diese heute in Nature veröffentlichte Hypothese über das Stopp-Signal für Marlovits auch ein gutes Start-Signal für den in Gründung befindlichen "Vienna Spot of Excellence" des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP) und des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA).

"Vienna Spots of Excellence"
Die "Vienna Spots of Excellence" sind eine Initiative der Stadt Wien zur Unterstützung von Forschungsvorhaben, an denen mindestens ein Wiener Unternehmen und ein wissenschaftlicher Partner beteiligt sind. In der ersten Runde der Ausschreibungen wurden im März 2006 drei Projekte bewilligt, von denen eines am Campus Vienna Biocenter angesiedelt ist. Es trägt den Arbeitstitel "Center of Molecular and Cellular Nanostructure Vienna (CMCN)" und wird von Dr. Thomas C. Marlovits geleitet. Marlovits, zuvor an der Yale School of Medicine, ist seit September 2005 gemeinsamer Gruppenleiter des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP) und des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA).

"IMP- IMBA Research Center"
Zwischen dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP), das 1988 von Boehringer Ingelheim gegründet wurde, und dem seit 2003 operativen Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) wurde eine enge Forschungskooperation vereinbart. Unter dem Namen "IMP-IMBA Research Center" greifen die beiden Institute auf eine gemeinsame Infrastruktur im wissenschaftlichen und administrativen Bereich zu. Die beiden Institute beschäftigen insgesamt über 300 Mitarbeiter aus 30 Nationen und sind Mitglied des Campus Vienna Biocenter.

Über den Campus Vienna Biocenter: Der Campus Vienna Biocenter ist mit rund 1.000 Wissenschaftern und Wissenschafterinnen aus 40 Nationen in 16 Organisationen einer der größten F&E-Cluster Österreichs. Akademische Departments (Universität Wien, Medizinische Universität Wien, zusammengefasst in den Max F. Perutz Laboratories), private Forschungsinstitute (IMP - Institut für Molekulare Pathologie) und Institute der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie, GMI - Gregor Mendel-Institut) sind hier ebenso angesiedelt wie kommerzielle F&E sowie Dienstleistungsunternehmen und Ausbildungslehrgänge http://www.viennabiocenter.com.
     
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