Städtetag 2006 fordert mehr Polizei und Kompetenzen  

erstellt am
02. 06. 06

Arbeitskreis "Die sichere Stadt" - Polizeipräsenz erhöhen - Sicherheit: Mehr Kompetenzen für Städte notwendig
Wien (rk) - Vor mehr als 100 Stadtverantwortlichen fand am 01. 06. im Rahmen des 56. Österreichischen Städtetages der Arbeitskreis "Die sichere Stadt - Sicherheit und Lebensqualität in Städten" statt. Dabei standen Themen wie die Stellung des Bürgermeisters in Sicherheitsfragen, die Forderung nach mehr Polizeipräsenz, der Komplex Videoüberwachung und die Stellung von Gemeindewachkörpern im Mittelpunkt der Diskussionen.

Österreichs Bürgermeister fordern mehr Polizeipräsenz
"Bürgermeister sind heute in vielen Sicherheitsfragen auf die Unterstützung der Polizei angewiesen. Aber trotz aller Bemühungen stoßen die Organisationen der Polizei vor allem personell an ihre Grenzen", erklärte der Welser Bürgermeister Peter Koits. "Wir brauchen unbedingt mehr Polizeikräfte auf den Straßen und Plätzen unserer Städte", so Koits, der auf notwendige Nachbesetzungen bei Planstellen verwies. "Die Polizei muss präsent sein - und zwar als Patrouille für die BürgerInnen sichtbar und erreichbar. Dafür braucht es entsprechende Personal- und Budgetressourcen", forderte der Welser Bürgermeister. Vertreter des Innenministeriums wiesen darauf hin, dass Fußpatrouillen zwar das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhten, allerdings bei Akuteinsätzen durch den Rückweg zu Fuß oft sehr viel Zeit verstreiche, bis Polizeikräfte dann vor Ort seien.

Städte brauchen mehr Sicherheitskompetenzen
Weitere Forderung der Städte: Eine Stärkung der Stellung des Bürgermeisters dort, wo er Sicherheitsbehörde ist und für die Erfüllung dieser Aufgaben die Unterstützung eines uniformierten Wachkörpers benötigt. Die faktische Abnahme eine Reisepasses ist verschiedentlich nur mit Unterstützung der Polizei möglich. "Soll der Bürgermeister sicherheitspolizeiliche Aufgaben vollziehen müssen, so ist ihm auch ein fachliches Weisungsrecht gegenüber dem Wachkörper Bundespolizei einzuräumen", meinte Koits. Es könne nicht nur alleine ein gutes örtliches Einvernehmen zwischen Stadt und Polizei die Basis für Sicherheitsfragen darstellen. Kritik wurde teilweise an den Auswirkungen der Polizeireform geübt: Geteilte Zuständigkeiten erschweren es etwa Statutarstädten (mit Bundespolizeidirektion) die Polizeikräfte anzusprechen. Nun seien Kompetenzen auf die Stadtpolizei, auf die Bundespolizei als Sicherheitsbehörde und in Angelegenheiten des inneren Dienstes auf das Landespolizeikommando verteilt.

Gemeindewachkörper: Stadtpolizei nimmt Bund Aufgaben ab
Bürgermeister August Breininger stellte am Beispiel der Stadt Baden bei Wien die Aufgabenstellungen von Gemeindewachkörpern dar. In Österreich sind derzeit 45 Gemeindewachkörper mit 350 Planstellen aktiv. Baden verfügt dabei mit 40 Beamten über den größten gemeindeeigenen Wachkörper, der neben der Dienststelle der Bundespolizei in Baden Dienst versieht. Zu den Hauptaufgaben der Stadtpolizei gehört etwa in Baden die Verkehrsüberwachung, die Ausstellung von Bescheiden im Verkehrsbereich, das Strafregister-, Fund- und Verlustwesen sowie Veranstaltungsgenehmigungen, die Überwachung ortspolizeilicher Verordnungen oder die Erarbeitung von Katastrophenschutzplänen. Damit nehme man natürlich auch den Bundespolizeikräften viel Arbeit ab.

Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten
Nach einer jüngsten IFES-Meinungsumfrage anlässlich des 56. Österreichischen Städtetages sind die ÖsterreicherInnen (n=1000) in der Causa Videoüberwachung geteilter Meinung. Während 28 % eine verstärkte Videoüberwachung als sehr wichtig ansehen, halten sie 26 % zumindest für wichtig, 45 % meinen, eine verstärkte Videoüberwachung sei "nicht so wichtig". In der Diskussion der BürgermeisterInnen wurde vor allem die Forderung laut, dass die entsprechenden Vorschriften für eine Videoüberwachung teils zu unflexibel seien. St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler nannte dabei die mobile Videoüberwachung eines einwöchigen Volksfestes in der Stadt, die heuer erstmals möglich sei - allerdings erst nach langwierigen, komplexen Verfahren. Eine hoheitliche Videoüberwachung kann laut Sicherheitspolizeigesetz 2005 nur an Kriminalitätsbrennpunkten mit einer erhöhten Gefährdungslage genehmigt werden. Sie ist zudem ankündigungspflichtig. In diesem Fall wurde die Maßnahme für die Dauer des Festes ermöglicht. Bürgermeister Matthias Stadler abschließend: "Videoüberwachung soll und darf die notwendige Polizeipräsenz aber keinesfalls ersetzen."
   

Arbeitskreis "Die älter werdende Stadt" - Stationäre Pflege sehr budgetbelastend - Mobile Pflege als Zukunftsmodell
Österreichs Städte setzen eindeutig auf mobile bzw. ambulante Pflegeeinrichtungen, nicht zuletzt aus Kostenüberlegungen. Das ergaben die Beratungen des Arbeitskreises "Die älter werdende Stadt - Seniorengerechte Städte schaffen" beim 56. Österreichischen Städtetag im Wiener Rathaus. Eine stärkere mobile Betreuung ermögliche es zudem vielen älteren Menschen, möglichst lange in ihrer angestammten Umgebung zu bleiben.

Finanzierung von Pflegediensten immer schwieriger
"Die Städte und Gemeinden sind in der Frage der Finanzierung von Pflegediensten am Rande ihrer Leistungsfähigkeit angelangt", mahnte etwa die Welser Sozialstadträtin Silvia Huber in ihrem Redebeitrag Unterstützungsleistungen und Strategien seitens der Länder und des Bundes ein. Grund sei unter anderem das Pflegegeld, das bei weitem nicht kostendeckend sei sowie die demographische Entwicklung der Gesellschaft. "Ein Lösungsansatz kann zumindest teilweise die interkommunale Zusammenarbeit sein", so Huber. Dabei werden regional im Gemeindeverband über Sozialhilfeverbandsgrenzen hinweg Alten- und Pflegeleistungen gemeinsam organisiert oder Heime gemeinsam betrieben.

Betreutes Wohnen als Zukunftsmodell
Durchwegs einig waren sich die KommunalvertreterInnen in der Einschätzung, dass neue Wohnformen wie das betreute Wohnen ein zentrales Zukunftsmodell darstellen. "Als betreutes Wohnen werden Wohnformen bezeichnet, in denen ältere Menschen dahingehend betreut werden, dass bei gleichzeitiger Unterstützung zur Bewältigung der individuellen Probleme die größtmögliche Autonomie gewährt wird", erklärte der Judenburger Sozialstadtrat Friedrich Jaki. Dem Wunsch nach einem hohen Maß an Selbstbestimmung und einer gleichzeitigen bedarfsgerechten Betreuung zu Hause könne damit nachgekommen werden. Für die Kommunen ergeben sich durch die Verringerung von Vollpflegeplätzen und geringeren Kosten für das betreute Wohnen Einsparungen bei der Sozialhilfeumlage. In der Steiermark gebe es zudem auf Landesebene ein gesetzliches Fördermodell für betreutes Wohnen.

Stadträtin Oppitz-Plörer: Kultur des Alterns schaffen
Stadträtin Christine Oppitz-Plörer (Innsbruck) meinte, es sei auch Aufgabe der öffentlichen Hand "dem aktiven Senior die Möglichkeit zu geben, sein Wissen einzubringen", um Erfahrungen für die Allgemeinheit weiter zu nutzen. Das Alter müsse als neuer Lebensabschnitt bzw. als "Meisterstück des Lebens" begriffen werden. Notwendig sei allerdings eine Bewusstseinsänderung hin zu einer "Kultur des Alterns". Oppitz-Plörer: "Die Kultur des Alterns ist das, was wir in den Gemeinden erst schaffen müssen." Es müsse auch zwischen den Generationen im Alter zu einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie kommen. Allerdings sei es klar, dass das Pflegepotenzial in der Familie tendenziell im Abnehmen begriffen sei. Alle TeilnehmerInnen waren sich im Arbeitskreis einig, dass die Aktivierung und zielgruppenspezifische Veranstaltungen sowie Informationen - ob nun EDV-Schulungen älterer Menschen oder konkrete Gesundheitsvorsorgeaktivitäten der Städte - gerade für SeniorInnen in ihrer lokalen Umgebung besonders wichtig seien.
   

Kinderbetreuung Thema bei vielen Kommunen
Im Arbeitskreis "Die junge Stadt" unter Vorsitz von Wiens Jugendstadträtin Grete Laska, stand neben dem allgemeinen demographischen Wandel, der für Österreich ein Anwachsen der Bevölkerung bis zum Jahr 2030 auf 8,8 Millionen prognostiziert, vor allem der österreichweit steigende Trend nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Mittelpunkt. Dies trifft vor allem für die städtischen Bereiche Österreichs zu, da diese durch eine allgemeine Wanderungsbewegung in Richtung Stadt bevölkerungsmäßig besonders wachsen werden. So sei etwa in Wien die Zahl junger Menschen zwischen 1991 und 2001 im Gegensatz zu Restösterreich um 6,3 Prozent gestiegen. Laut einer aktuellen Untersuchung des KDZ gebe es eine große Übereinstimmung zwischen der Bevölkerung und den gemeinden beim notwendigen Ausbau kindergerechter Betreuungseinrichtungen, insbesondere auch im bereich von Kleinkindern. Eng damit verknüpft sei auch die möglichst frühzeitige Implementierung von adäquaten Bildungsangeboten zu sehen, betonte Laska, die betonte, dass Schule "fördern, aber nicht selektieren dürfe." Ebenso legte sie Wert auf die Unterscheidung zwischen Bildung und Wissen. Weiters erinnerte sie auch an das breite und gut angenommene außerschulische Bildungsprogramm in der Bundeshauptstadt, wie auch an deutlich gestiegenen Möglichkeiten für Jugendliche ernst genommene Partizipation zu erleben.

Mag. Josef Kobler, Direktor des Kinder- und Jugendservices Liz, betonte, dass heute Eltern von den Kommunen ein engmaschiges Betreuungsnetz schlichtweg erwarten würden. Er betonte aber, dass es dabei nicht alleine nur um eine ausreichende Anzahl an entsprechenden Betreuungseinrichtungen gehe, sondern auch um richtig gesetzte Öffnungszeiten, u ein vernünftiges soziales Tarifmodell, aber auch um inhaltliche Qualität und eine gute Vernetzung zur Schule gehe. Hier seien auch die Länder und der Bund vermehrt in ihre Verantwortung zu nehmen.

Es gehe auch darum, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken, betonte Mag.a Renate Balic-Benzing vom Wiener Jugendamt. Insbesondere hob sie die vielfältigen Bemühungen hervor, möglichst rasch mit jungen Eltern in Kontakt zu treten. In Wien stünden darüber hinaus insgesamt 9 städtische Eltern-Kind-Zentren und 34 Elternberatungsstellen für rat- und kontaktsuchende Eltern zur Verfügung. Erstere seien im Jahr 2005 von 43.500 Personen aufgesucht worden.
   

Integration bedeutet für Städte auch Chance
Ein weiterer Arbeitskreis widmete sich am Donnerstag dem Thema "Die bunte Stadt - Integration und Migration gestalten". Wiens Integrationsstadträtin Mag.a Sonja Wehsely, die auch den Vorsitz inne hatte, betonte, dass die Vielfalt in Österreichs Städten, unabhängig von der jeweiligen Größe, längst Realität sei. Weiters betonte sie, dass Integration eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit sei, bei der es ihres Erachtens "sehr auf die Herangehensweise zum Thema ankomme." Als wichtigen Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration nannte sie das Prinzip der "Chancengleichheit", um das sich Wien, mit einem Bevölkerungsanteil von 30 Prozent von Personen mit Migrationshintergrund, bemühe. Insbesondere hob sie hierbei auch die enge Zusammenarbeit mit diversen Vereinen hervor, von denen es in Wien über 720 alleine im Bereich Integration gebe. Weiters erinnerte Wehsely daran, dass viele Konfliktsituationen sozialer Natur seien. Von Seiten des Bundes erwarte sie sich mehr finanzielles Engagement bzw. auch ein Miteinbinden der Kommunen in laufende Bundes- und Länderstrategien.

DI Wolfgang Rümmele, Bürgermeister von Dornbirn, betonte, dass seine Stadt als ehemaliges wichtiges Textilzentrum Österreichs bereits langjährige Erfahrungen mit dem Thema Integration besitze. Bei einem Anteil von etwa 20 Prozent von Personen mit Migrationshintergrund bemühe sich die Kommune auf vielfältige Art und Weise, wie etwa Sprachangebote, um ein gutes Miteinander. Im Jahr 2002 habe sich Dornbirn ein von allen Parteinen mitgetragenes "Integrationsleitbild" erarbeitet.

Dr. Alexander Janda, vom Österreichischen Flüchtlingsfonds, erinnerte in seiner Wortmeldung daran, dass nach Österreich seit dem Jahr 1945 rund 2 Millionen Flüchtlinge gekommen seien, von denen 700.000 Menschen geblieben seien. Er berichtete, dass seine Organisation aktuell fünf Wohnprojekte - zwei in Wien, jeweils eines in Haid, Kapfenberg und Mödling - in guter Zusammenarbeit mit den dortigen Kommunen betreibe. Hinsichtlich der EU betonte er, dass in absehbarer Zeit ein "Europäischer Integrationsfonds" als dauerhafte Einrichtung geplant sei. Auch er betonte die hohe Relevanz des Bildungsbereiches beim Thema Integration.

Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ändere ihres Erachtens nichts am hohen Armutsrisiko für MigrantInnen, betonte Mag.a Dagmar Aigner (Stadt Salzburg). Bei 150.000 Einwohnern weise ihre Stadt einen rund 21prozentigen MigrantInnen- Anteil aus. Insbesondere hob sie die teils schlechte Bildungssituation für MigrantInnen hervor: So verfügten 66 Prozent nur über einen Pflichtschulabschluss im Vergleich zu 31,2 Prozent bei den Österreichern. Seit 2004/05 sei ihre Stadt dabei, ein Integrations-Leitbild zu erarbeiten. Schon jetzt würde sich als Kernforderung an die Kommune die Schaffung eines Integrationsbeauftragten herausschälen, dem die Stadt auch entsprechend Rechnung tragen werde.

Seit mehr als sechs Jahren sei ihre Stadt im Bereich der Integration von Flüchtlingen aktiv tätig, betonte die Bürgermeisterin von Kapfenberg, Mag.a Brigitte Schwarz. Die Erfahrungen mit dem seit 2003 vom Österreichischen Flüchtlingsfonds bezahlten Integrationshaus - hier wohnen gegenwärtig 150 Personen in 45 Wohneinheiten - seien durchwegs als positiv zu bezeichnen. Bereits seit 1999 existiere in Kapfenberg ein entsprechender Integrationsarbeitskreis, der u.a. die vielfältigen ehernamtlichen Arbeiten in der Gemeinde koordiniere. Besonderen Wert legte sie auf den gut funktionierenden Dolmetsch- und Vermittlerdienst, der derzeit 18 Sprachen abdecken könne.
     
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