Österreich bleib frei: Volksbegehren im Verfassungsausschuss  

erstellt am
08. 06. 06

Strache und Rosenkranz präsentieren ihre Anliegen
Wien (pk) - Der Verfassungsausschuss leitete am 07.06. die parlamentarische Behandlung des von der FPÖ initiierten und von 258.281 Österreicherinnen und Österreichern unterzeichneten Volksbegehrens mit dem Titel "Österreich bleib frei!" ein. In einer ausführlichen Diskussion hatten Heinz-Christian Strache und Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) seitens der Proponenten die Gelegenheit, die Ziele – Aufrechterhaltung der Neutralität, kein EU-Beitritt der Türkei und keine Änderung der EU-Verfassung ohne Volksabstimmung – zu bekräftigen. Die Vertreter von ÖVP, BZÖ, SPÖ und Grünen bezeichneten die Forderungen der Initiative hingegen als inhaltlich verfehlt und obsolet.

Heinz-Christian Strache betonte, der FPÖ gehe es darum, durch dieses Volksbegehren jenen Teil der Bevölkerung zu vertreten, der inhaltlich anderer Meinung ist als die vier Parlamentsparteien. Er appellierte an die Abgeordneten, die Anliegen von 250.000 Menschen ernst zu nehmen, und warnte davor, das Volksbegehren in einem Begräbnis erster Klasse zu schubladisieren.

Das Volksbegehren werfe grundsätzliche Fragen auf, die einer Volksabstimmung zuzuführen sind, stand für Strache fest. Er sprach von einer Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung durch den EU-Verfassungsentwurf, bei der vor allem die Neutralität zu Grabe getragen werde, und sah die Türkei aus geographischen wie politischen Gründen in keiner Weise geeignet, Mitglied der EU zu werden.

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) interpretierte das Volksbegehren als Gelegenheit, eine Politik zu korrigieren, die von den Bürgern nicht mehr mitgetragen wird, und sah die Intentionen der Initiative durch die Stimmungslage der Bevölkerung bestätigt. Die EU-Verfassung würde die österreichische Neutralität völlig aushöhlen, ein Beitritt der Türkei wiederum hätte eine gänzliche Veränderung des Charakters der Union mit wesentlichen politischen und sozialen Auswirkungen zur Folge, warnte sie. Aus diesem Grund sei es unverzichtbar, über die beiden Fragen eine Volksabstimmung zuzulassen.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) zeigte hingegen kein Verständnis für die Ziele des Volksbegehrens, die sie als inhaltlich verfehlt qualifizierte. So gebe es keinerlei Bestrebungen, die Neutralität aufzuheben. Was die Türkei betrifft, gehe es darum, Beitrittsgespräche unter fairen Partnern zu führen, vor einem allfälligen EU-Beitritt werde es aber in Österreich zu einer Volksabstimmung kommen. Eine Abwehr der EU-Verfassung wiederum sei schon deshalb inakzeptabel, weil der Vertrag eine notwendige positive Weiterentwicklung der Union bringe, meinte sie.

Als obsolet bezeichnete Abgeordneter DI Uwe Scheuch (F) das vorliegende Volksbegehren, wobei er der FPÖ vorwarf, dieses Instrument missbräuchlich zu verwenden und bei der Bevölkerung Erwartungen zu wecken, die nicht erfüllt werden können. Auch für Scheuch war klar, dass die Neutralität gesichert ist. Die EU-Verfassung wiederum bezeichnete er als ohnehin gescheitert. Zum EU-Beitritt der Türkei bemerkte er, das Ergebnis der Verhandlungen sei noch nicht abzuschätzen, am Ende des Tages sei aber das Volk einzubinden, darüber herrsche jedenfalls breiter Konsens.

Abgeordneter Josef Cap (S) unterstrich, die SPÖ bekenne sich zur Neutralität als Bestandteil der österreichischen Verfassungswirklichkeit, eine Aufhebung der Neutralität sei ohne die Zustimmung der Sozialdemokraten nicht möglich. Bezüglich der EU-Verfassung verwies Cap auf die Notwendigkeit, eine Lösung zu finden, um das Funktionieren nach dem bisherigen Erweiterungsprozess mit der Perspektive einer sozialen Union sicher zu stellen. Die Ablehnung in Frankreich und den Niederlanden führte er vor allem auf den Unmut über die soziale Lage zurück. Skeptisch äußerte sich Cap zu einem allfälligen Beitritt der Türkei. Hier sei noch eine breite Debatte im gesamten EU-Raum notwendig, sagte er. Besser wäre es aber, so Cap, statt eines Beitrittes ein Assoziierungsmodell zu entwickeln.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) warf der FPÖ vor, das Volksbegehren für populistische Ziele zu instrumentalisieren. Die Freiheitlichen würden übersehen, dass gerade durch ihre Zustimmung die Neutralität wesentlich ausgehöhlt wurde. Die EU-Verfassung sei ein Kompromiss, der Vertrag sollte ihrer Meinung nach einer europaweiten Volksabstimmung unterzogen werden. Für inakzeptabel hielt Lunacek hingegen eine Volksabstimmung über die Türkei. Es gelte vielmehr, den positiven Reformprozess zu unterstützen und das Verhandlungsergebnis abzuwarten, als mit einem Referendum zu drohen, gab sie zu bedenken.

Das Volksbegehren wird voraussichtlich in der nächsten Nationalratssitzung am 21. Juni als erster Tagesordnungspunkt behandelt werden.
     
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