Öffentliche Finanzen im Jahr 2006  

erstellt am
14. 06. 06

Guter Start des neuen Stabilitäts- und Wachstumspakts, aber noch wichtige Hürden zu nehmen
Brüssel (eu-int) - Die Bilanz für das erste Jahr des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) ist insgesamt positiv, auch wenn einige zentrale Probleme noch zu lösen sind. Dank des neuen Pakts und der stärker ökonomischen Ausrichtung, die gewährleistet, dass wirtschaftliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern besser berücksichtigt werden, übernehmen die Mitgliedstaaten deutlich mehr politische Eigentümerschaft für die Haushaltsdisziplin. Die Konsolidierungsanstrengungen sind mehr struktureller Art, dauerhaft und wohl durchdacht. Bei der Bewertung des „präventiven“ Teils des Paktes, d.h. bei der Frage, ob mittelfristig eine solide Haushaltsposition erreicht wird, stellt sich das Bild jedoch differenzierter dar. Dies bereitet vor allem deshalb Sorge, als der derzeitige Konjunkturaufschwung in der Europäischen Union und im Eurogebiet eigentlich die Chance für stärkere Konsolidierungsbemühungen bietet. Dies sind die Schlussfolgerungen einer Mitteilung an das Parlament und den Rat, die heute verabschiedet wurde und sich auf den Jahresbericht über die Situation der öffentlichen Finanzen in der Europäischen Union stützt.

„Die Reform bietet aus wirtschaftlicher Sicht mehr Ermessungsspielraum und hat damit einen konstruktiveren und transparenteren wirtschaftlichen Dialog auf EU-Ebene stimuliert. Sie hat die gegenseitige Unterstützung und die Ausübung gegenseitigen Drucks verstärkt und zu einem reibungslosen, effizienten Ablauf des Paktes beigetragen. Die größte Herausforderung besteht jedoch nach wie vor darin, über die Korrektur übermäßiger Defizite hinauszugehen und durch Verstärkung der Konsolidierungsbemühungen in besseren Zeiten mittelfristig eine sichere Haushaltsposition zu erreichen,“ so der Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Joaquin Almunia. „Wenn wir auch in un günstigeren Zeiten über einen ausreichenden Handlungsspielraum verfügen wollen, wenn wir außerdem unsere Pflicht zur Verringerung übermäßiger Schulden erfüllen wollen, dann dürfen wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen".

Die Kommission hat heute eine Mitteilung verabschiedet, in der sie die wichtigsten politischen Schlussfolgerungen ihres Berichts über die öffentlichen Finanzen in der WWU im Jahr 2006 darlegt. Darin nimmt sie auch eine erste Bewertung der Umsetzung des im Juni vergangenen Jahres reformierten WSP und der zukünftigen Herausforderungen vor.

Die Reform des WSP des Jahres 2005 brachte eine signifikante Verbesserung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit.

In diesem Verfahren kann länderspezifischen Überlegungen im Hinblick auf Wirtschaftswachstum und öffentliche Finanzlage besser Rechnung getragen werden, was jedoch nicht ausschließt, dass für Länder mit einem Defizit von über 3 % nach wie vor das Defizitverfahren eingeleitet wird.

Für die Korrektur übermäßiger Defizite wurden realistische Fristen gesetzt, um Phasen schwachen Wirtschaftswachstums zu berücksichtigen; von besonderer Wichtigkeit sind jedoch die empfohlenen haushaltspolitischen Korrekturen. Dies gilt umso mehr, als diese Korrekturen jetzt ohne Berücksichtigung einmaliger und befristeter Auswirkungen formuliert werden, so dass übermäßige Defizite auf permanente Art korrigiert werden.

Besonders wichtig ist diesbezüglich, dass das höhere Maß an Flexibilität und Beurteilungs- spielraum nicht zu Lasten des regelgestützten Systems für die Haushaltspolitik geht, und somit die Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten garantiert ist.

Gemäß den Haushaltsergebnissen des Jahres 2005 hat sich das nominale Defizit in der EU von 2,6 % im Jahr 2004 auf 2,3 % des BIP verringert (2,4 % bzw. 2,8 % im Eurogebiet). Strukturell bedeutet dies eine Verbesserung um rund ein Dreiviertel Prozent des BIP und damit die größte Haushaltsanpassung seit dem Jahr 1997.

Der präventive Teil
Der Pakt beschränkt sich natürlich nicht auf die Korrektur übermäßiger Defizite. Sein Hauptziel ist die Festlegung sinnvoller mittelfristiger Ziele für die öffentlichen Finanzen. Diese Ziele sollten sich in einer Bandbreite von -1 % des BIP für Länder mit niedriger Schuld und hohem Wachstumspotenzial und einem Gleichgewicht bzw. Überschuss für Länder mit hoher Schuld und niedrigem Wachstumspotenzial bewegen.

Bei der Prüfung der ersten nach der Reform des Paktes unterbreiteten Stabilitäts- und Konvergenzprogramme zeigte sich, dass die Mitgliedstaaten sich mittelfristige Ziele gesetzt haben, die weitgehend mit den vereinbarten Grundsätzen vereinbar sind. Des Weiteren ist positiv zu verzeichnen, dass die Haushaltsprojektionen sich nahezu ausnahmslos auf realistische Wachstumsprognosen stützen und deutlich seltener auf einmalige und andere befristete Maßnahmen zurückgegriffen wird. Allerdings lassen die mittelfristigen Haushaltspläne mitunter etwas Ehrgeiz vermissen, die Lücke zwischen dem aktuellen Haushaltsstand und den mittelfristigen Haushaltszielen schließen zu wollen. Vor dem Hintergrund des Konjunkturaufschwungs sollten 2006 und auch 2007 stärkere Haushaltsanpassungen vorgenommen werden.

Der Bericht über die öffentlichen Finanzen in der WWU 2006 umfasst auch zwei analytische Kapitel über a) die Rolle von nationalen finanzpolitischen Vorschriften (z.B. Ausgabehöchstgrenzen, „nationale Pakte“) und Einrichtungen, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt sinnvoll ergänzen können, sowie b) die Finanzpolitik „in guten Zeiten“. Neuere Entwicklungen und die Frühjahrsprognosen der Kommission des Jahres 2006 bestätigen den Konjunkturaufschwung im Eurogebiet und in der EU. Die Mitgliedstaaten dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und wirtschaftlich günstige Zeiten nutzen, um ihre Bemühungen um eine Konsolidierung der Haushalte verstärken.

Hintergrund
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt besteht aus den Bestimmungen des EU-Vertrags über die Wirtschafts- und Währungspolitik (Titel VII) sowie zwei Verordnungen aus dem Jahr 1997 über die haushaltspolitische Überwachung und die Korrektur von übermäßigen Defiziten. Diese Verordnungen wurden im Juni 2005 geändert. Der im März 2005 von den EU-Finanzministern angenommene Bericht über die Verbesserung der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist ebenfalls Bestandteil der EU-Architektur für die haushaltspolitische Überwachung.
     
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