Rewe will Kooperation mit österreichischen Bauern verstärken  

erstellt am
13. 06. 06

Hensel: Hohe Qualität muss auch ihren Preis haben
Wien (aiz) - Österreichs führende Lebensmittelhandelskette, Rewe Austria (Billa, Merkur, Penny), will künftig noch stärker mit der österreichischen Landwirtschaft kooperieren, dies kündigte Rewe-Vorstand Frank Hensel am Abend des 12.06. bei einer Vortragsveranstaltung des Ökosozialen Forums im Haus der Landwirtschaft in Wien an. Bereits bisher habe man erfolgreiche Projekte mit heimischen Bauern wie etwa die Biomarke "Ja! Natürlich" oder Premium Rind gestartet, so Hensel. Nunmehr werde versucht, einen noch größeren Anteil der Rohstoffe im Inland einzukaufen. Bei den Bioprodukten werde man in Gesprächen mit den Bauern weitere Formen der Zusammenarbeit ausloten. Darüber hinaus solle in Zeiten der Globalisierung die Vermarktung regionaler Produkte noch weiter forciert werden.

Rind- und Schweinefleisch kommen zu 100% aus Österreich
Laut Hensel wird Rewe Austria von rund heimischen 2.000 Geschäftspartnern beliefert. Pro Jahr werden 35.000 bis 40.000 Rinder, 250.000 bis 300.000 Schweine, 90 Mio. Liter Trinkmilch und 195 Mio. Eier vermarktet. "Rinder und Schweine kommen zu 100% aus heimischen Betrieben, bei Frischfleisch hat Österreich ganz einfach Vorrang", unterstrich der Rewe-Vorstand. Gleiches gelte für Eier, die ebenfalls ausschließlich aus dem Inland kämen. Die Trinkmilch stamme fast zu 100% aus dem Inland. Die bei Billa und Penny angebotene Handelsmarke "Heidi-Butter" werde seit kurzem ebenfalls ausschließlich aus heimischer Milch erzeugt. Obst und Gemüse werde im Wert von EUR 393 Mio. jährlich abgesetzt, davon stamme zwar nur die Hälfte aus Österreich, dies sei jedoch in erster Linie auf die saisonale Verfügbarkeit zurückzuführen, verteidigte sich Hensel gegen entsprechende Kritik. Bei Brot und Backwaren kämen zwischen 90 und 95% der Ware im Wert von EUR 325 Mio. aus Österreich.

Künftig wolle Rewe den Bezug heimischer Produkte weiter forcieren, so Hensel. Bei Gemüse sei ein viel versprechendes Projekt mit einem Tomaten-Produzenten gestartet worden. Bei Äpfeln bewerbe Billa keine Importware, sondern habe im Gegenzug ein Projekt zur Vermarktung von Kinder-Pausenäpfeln durchgeführt. Kinder seien auch die Zielgruppe für eine neue Initiative bei "Ja! Natürlich": Gemeinsam mit Schulen werde man über die Herkunft und den Wert von Bioprodukten aufklären.

Biomarke "Ja! Natürlich" mit Umsatzwert von EUR 200 Mio.
Mit "Ja! Natürlich" - der größten Biomarke Österreichs - habe Rewe eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Mittlerweile würden unter diesem Namen 600 Bioprodukte mit einem Umsatzwert von EUR 200 Mio. verkauft. Damit erreiche man im heimischen Lebensmittelhandel beim Biosegment einen Marktanteil von rund 48% bei einem Gesamtmarkt von EUR 320 Mio. Um in Zukunft die Absätze im Biobereich weiter zu erhöhen, wolle man im Gespräch mit den bäuerlichen Lieferanten überlegen, wie man den Mehrwert von Bio noch besser kommunizieren könne.

Darüber hinaus registriere man in Zeiten der zunehmenden Globalisierung bei den Konsumenten ein verstärktes Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit. Diesem Trend trage man durch das Angebot regionaler Produkte Rechnung, erläuterte Hensel und nannte als Beispiel das Premium Rind und die Finkensteiner Nudelfabrik in Kärnten. In Hinkunft werde die Listung solcher regionaler Spezialitäten vereinfacht, um auch kleineren Lieferanten eine Chance zu geben. Gleichzeitig hielt der Rewe-Vorstand aber auch fest, dass ausländische Ware weiterhin angeboten werde, und zwar wenn sie vom Konsumenten gewünscht werde, "denn wir wollen unsere Kunden nicht bevormunden".

Qualitätssicherung hat oberste Priorität
In allen Produktsegmenten habe Qualität weiterhin oberste Priorität, unterstrich Hensel. Dem entsprechend habe man umfangreiche Qualitätssicherungs-Programme eingeführt. Im Biobereich seien ohnehin strenge Kontrollen vom Landwirt bis zum Regal vorgesehen. Bei Obst und Gemüse habe man gemeinsam mit Global 2000 ein Pestizid-Reduktionsprogramm eingeführt. Hier seien durch die Einhaltung der EUREPGAP-Standards und das AMA-Gütesiegelprogramm höchste Qualität und Herkunft garantiert, gleichzeitig habe man bei den strengen Kontrollen Doppelgleisigkeiten abgestellt. Im sensiblen Frischfleisch-Segment gelte seit 1997 die Bauernhof-Garantie, hier sei man mit der AMA Marketing im Gespräch über eine Weiterentwicklung dieses Systems. Gleiches gelte für den Eierbereich, wo man ebenfalls gemeinsam mit der AMA die Verwendung des bewährten Gütesiegels plane.

Abkehr von Tiefstpreis-Strategie?
Auf den im Handel immer häufiger anzutreffenden Tiefstpreis-Wettbewerb angesprochen, ließ der Rewe-Vorstand insofern aufhorchen, als er Kritik an der endlosen Preisdrückerei übte: "Der Preis bleibt für uns weiterhin wichtig, weil wir uns in einem harten Konkurrenzkampf befinden, aber er kann und darf nicht das alleinige Kriterium sein. Qualität hat auch ihren Preis, der höhere Preis muss allerdings für den Konsumenten nachvollziehbar sein", sagte Hensel. Dass sich die Qualitätsphilosophie bezahlt mache, habe Rewe gemerkt, als im Zuge der Vogelgrippe-Problematik in Deutschland bei Geflügelfleisch Umsatzverluste von 35% und in Italien von bis zu 50% registriert wurden, wogegen sich die Rückgänge in Österreich in engen Grenzen hielten.

Astl: Positives Signal für verstärkte Kooperation
Der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, August Astl, bezeichnete die Aussagen von Hensel als "positives Signal für eine verstärkte Kooperation von Rewe mit der österreichischen Landwirtschaft". Er hoffe, "dass hier in den nächsten Wochen und Monaten weitere substanzielle Forstschritte erzielt werden". Der Handel sei für die Bauern ein besonders wichtiger Partner, so Astl.

Bisher habe es vonseiten der bäuerlichen Lieferanten zuweilen auch unangenehme Erfahrungen mit dem Lebensmittelhandel - vor allem bei den Erzeugerpreisen - gegeben. So sei derzeit der Preis für Eier aus alternativen Haltungsformen nicht kostendeckend, womit für die Landwirte auch der Anreiz zur Umstellung von Käfig- auf Boden- oder Freilandhaltung verringert werde. Höhere Tierschutzstandards erforderten nämlich auch höhere Kosten, insbesondere bei der Umstellung auf tierfreundlichere Haltungsformen. Generell riet Astl den Landwirten, noch markt- und qualitätsorientierter als bisher zu agieren. Die Landwirtschaftskammern würden dies durch ein entsprechendes Beratungsangebot unterstützen.

Die Rewe Group Austria erzielte in Österreich im Jahr 2005 einen Gesamtumsatz von EUR 8,23 Mrd. (+5,3%). Davon entfielen rund EUR 5 Mrd. auf Österreich, EUR 1,9 Mrd. auf Italien und EUR 1,3 Mrd. auf Osteuropa. Im heimischen Lebensmittelhandel ist das Unternehmen mit einem Anteil von 38,5% (laut AC Nielsen) Marktführer. Insgesamt werden 52.300 Mitarbeiter beschäftigt, davon 32.000 in Österreich. Im Jahr 2005 umfasste das Filialnetz in Österreich 1.907 Standorte, wovon 1.382 auf den Lebensmittelhandel (Billa, Merkur, Penny) und 525 auf den Drogeriefachhandel (Bipa) entfielen.
     
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