Spricht jetzt alles für eine große Koalition?  

erstellt am
31. 07. 06

Wien (öj) - War bisher noch alles, nun ja, fast alles, möglich, was die Zusammensetzung einer künftigen Bundesregierung anbelangt, scheint durch die Entscheidung von Hans-Peter Martin, für den Nationalrat zu kandidieren, manches einfacher geworden zu sein.

Gehen wir einfach davon aus, daß es dem klubfreien EU-Mandatar gelingen wird, die für die Kandidatur notwendigen 2600 Unterstützungserklärungen zusammenzubringen. Wenn ihn, wie er sagt, Tausende seit Jahren bedrängen, in Österreichs Innenpolitik zurückzukehren, sollte das ja kein echtes Problem für ihn darstellen.

Also Martin steigt in den Wahlkampf, kann sich, so wie zur EU-Wahl 2004, des guten Willens von "Krone"-Chef Hans Dichand sicher sein. Der hat ihm in der "Sonntag-Krone" eine ganze Seite für die Darstellung seiner politischen Überlegungen zur Verfügung gestellt.

2004 hat Martin - aus dem Stand heraus - mit der "Liste Dr. Hans-Peter Martin - für echte Kontrolle in Brüssel" immerhin fast 350.000 Stimmen (13,98 %) erreicht. An diesen hohen Anteil ist bei der Wahl am 1. Oktober keinesfalls zu denken. Heimische Meinungsforscher räumen ihm aber beste Chancen ein, in den Nationalrat einzuziehen, sprechen von möglichen 7 bis 9 Prozent.

Das kann drastische Auswirkungen auf die Zusammensetzung einer künftigen Regierung haben. Hans-Peter Martin setzt mit seinem Wahlprogramm vorrangig auf Themen, die teilweise von der SPÖ, vom BZÖ und der FPÖ besetzt sind (will heißen, daß der "kleine, ehrliche, aufrechte Mann" vor allerhand Unbill geschützt werden muß, sei es, daß diese durch die EU Ausländer oder, wahlweise, von der jeweils anderen Partei droht; auch, oder vor allem, wenn diese in der Regierung sitzt). Für die SPÖ kommt erschwerend hinzu, daß Martin, als ehemaliger SP-Funktionär, möglicherweise bei vielen Sympathien finden könnte, die wegen des BAWAG/ÖGB-Skandals und der noch andauernden Nachwehen den Sozialdemokraten den Rücken kehren könnten. Zumindest als Ausdruck vorübergehenden Protestes. Und das sind just die Wählerinnen und Wähler, die sich BZÖ und FPÖ zur Absicherung der jeweiligen parlamentarischen Zukunft "angeln" wollen. Man kann gespannt sein, wie diese "Fischzüge" ausgehen werden.

Eines steht jedenfalls ziemlich fest: Das Ziel der FPÖ, drittstärkste Kraft im Lande zu werden, scheint nicht realistisch, dies wird wohl von den Grünen beansprucht werden. Wie sich dann die Ränge vier, fünf und – wenn überhaupt – sechs darstellen werden, zeigen erst die nächsten Wochen. Dem BZÖ macht das Antreten Martins mit Sicherheit mehr Kopfzerbrechen als der SPÖ. Denn letztere könnte es sich – natürlich rein rechnerisch – leisten, zwei oder drei Prozent an Martin abzugeben. Sollte Martin vom BZÖ erhoffte Wählerschaft in dieser Größenordnung für sich mobilisieren können, wäre das das Aus für den Einzug des derzeitigen Junior-Koalitions- partners.

In einem sind sich viele Kommentatoren einig: Für eine Neuauflage der Koalition ÖVP-BZÖ wird es mit ziemlicher Sicherheit nicht reichen. Die FPÖ hat sich bereits auf ihre Oppositionsrolle festgelegt, eine Koalition von SPÖ und Grünen mit FPÖ oder BZÖ sind absolut ausgeschlossen. So bleiben also "nur" die Varianten SPÖ-Grüne, ÖVP-Grüne und, wie es viele Österreicherinnen und Österreicher gerne sähen, eine Koalition der beiden Großen. Nur, wie ein VP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit einem SP-Vizekanzler Alfred Gusenbauer – oder umgekeht – auskommen würde, darüber wird – derzeit – nicht einmal von den Kommentatoren nachgedacht. (mm)
     
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