Grüne: Zweistelliges Ergebnis ist Ziel bei NR-Wahl  

erstellt am
07. 08. 06

Wien (grüne) - Der Bundessprecher der Grünen Alexander Van der Bellen wäre "sehr zufrieden, wenn wir bei den Nationalratswahlen annähernd die Umfragewerte" von elf bis 13 Prozent erreichen. Ziel sei jedenfalls ein zweistelliges Ergebnis. Was Koalitionspräferenzen betrifft, wollte Van der Bellen weiterhin weder Schwarz-Grün noch Rot-Grün bevorzugen. "Naturgemäß wird dann der kleinere Partner auch den Vizekanzler stellen". Inhaltlich bekräftigt der Grün-Chef die Wahlkampfthemen "Raus aus der Armut, Energiewende, Kampf gegen Frauenbenachteiligung und Rein in die Bildung". So sprach sich Van der Bellen neuerlich für die Abschaffung der Studiengebühren aus. Es sei notwendig, die Studierendenzahl von rund 200.000 um 50 Prozent auf 300.000 zu erhöhen. Die AkademikerInnenquote in Österreich sei im internationalen Vergleich zu niedrig. Und mit Studiengebühren dürfe man den Zugang zur Universität nicht behindern oder gar verhindern.

Einer der Grünen Schwerpunkte werde auch die Einführung einer Grundsicherung sein. Diese sollte in einer ersten Etappe 800 Euro monatlich zwölf Mal im Jahr betragen. Beim Arbeitsmarkt sei es leicht, das Blaue vom Himmel zu versprechen, aber schwierig, kurzfristig Besserungen herbei zu führen. Es gelte aber auch hier, dass Bildung der Schlüssel für die Prävention von Arbeitslosigkeit sei.

Auf die Frage, was sich konkret bei einer Grünen Regierungsbeteiligung ändern würde, verwies Van der Bellen u.a. auf einen Umbau des Schulsystems und einen Ausbau von "Kindergärten mit vernünftigen Öffnungszeiten". Was die Schule betrifft, müsse es mehr individuelle Förderung für die Kinder geben, damit würde man den Eltern auch die teuren Nachhilfestunden ersparen. "Ein Umbau des Schulsystems wird viel Anpassungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit bei Kindern, Eltern, aber auch LehrerInnen erfordern", wobei er sich zuversichtlich zeigte, weil "viele LehrerInnen mit dem engen Korsett, in das sie derzeit hineingezwängt sind, unzufrieden sind".

Frauen in Führungspositionen und Energiewende
Außerdem müsste "sanfter Druck" auf Firmen ausgeübt werden, die so genannte gläserne Decke - also Frauen kommen kaum in Führungspositionen - zu durchbrechen. Dies könne man erreichen, indem Wirtschaftsförderungen an die Förderung von Frauen geknüpft werden.

Van der Bellen unterstrich auch die Bedeutung einer Energiewende in Österreich. "Weg von Öl und Gas, geschweige denn vom Atomstrom, hin zu erneuerbaren Energien. Und das hat auch einen arbeitsmarktpolitischen Effekt". Als Beispiel nannte er eine Fotovoltaik-Firma in Tirol, die vor drei Jahren lediglich vier Beschäftigte hatte, heute seien es 180. "Da sieht man, dass in einem Bereich, der vor kurzem noch als Spielwiese versponnener ökologischer TheoretikerInnen gegolten hat, ungeheure Arbeitsmarktchancen drin stecken".

Absolut keine Priorität hat für Van der Bellen die jüngst von den Grünen losgetretene Diskussion über eine Abschaffung der lebenslangen Haft. "Da muss ich klar sagen, dass es sich nur um einen Diskussionsvorschlag ohne Priorität handelt. Das ist nicht Teil des Wahlprogramms".

Keine Auskünfte wollte Van der Bellen geben, welche Ressorts die Grünen im Fall einer Regierungsbeteiligung anstreben. Auf die Frage nach dem Wunschressort nannte er Umwelt und Energie. Enttäuscht zeigte er sich über die lobenden Worte von Bundeskanzler Schüssel für BZÖ-Chef Westenthaler, den er sich auch als Vizekanzler vorstellen könne. "Aber es ist gut, dass der Wähler und die Wählerin wissen, was die Präferenz von Schüssel ist. Wir sitzen jedenfalls weder im Boot mit der ÖVP noch mit der SPÖ". Befragt, ob er im Fall einer Regierungsbeteiligung das Rauchen aufgeben würde, winkte der Kettenraucher ab: "Das steht nicht auf der abzuarbeitenden Liste", vor allem wenn man "wenig Laster hat".

Zur Person
Alexander Van der Bellen (62) möchte bei seinem dritten Anlauf als Grün-Chef bei Nationalratswahlen endlich in die Regierung. Der Wirtschaftsprofessor gilt als untypischer Politiker und ist bekannt für seine oft bedächtige Art, was dem Kettenraucher auch zahlreiche Sympathiepunkte in der Bevölkerung eingebracht hat. Außerdem ist er als fünf Mal wieder gewählter Bundessprecher innerhalb der früher oft intern zerstrittenen Grünen nicht nur ein Rekordhalter, sondern auch der unbestrittene Star. Unter seiner Parteiführung gelang es den Grünen, bei fast allen Wahlgängen zuzulegen - oft jedoch unter der hohen Latte bei Meinungsumfragen. Sein Ziel, die Grünen in die Regierung zu führen, blieb auf Bundesebene bisher aber unerfüllt. Dies auch deswegen, weil nach dem überraschenden Ergebnis der letzten Nationalratswahl 2002 durch den fulminanten ÖVP-Erfolg statt der rot-grünen Möglichkeit auf einmal Schwarz-Grün im Raum stand. Für die Grünen kam diese Variante offenbar zu früh - es wurden zwar trotz interner Vorbehalte Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP aufgenommen, doch scheiterten diese. Die Tür zur ÖVP öffnete sich dann aber auf Landesebene durch den Grünen Wahlsieg in Oberösterreich, wo es erstmals zu einer schwarz-grünen Zusammenarbeit kam. Geht man nach den jüngsten Meinungsumfragen, scheint am ehesten eine Koalition mit der ÖVP denkbar.

Van der Bellen, der Ruhepol bei den hektischen Grünen, wird von seinen Parteikollegen attestiert, "herrlich selbstironisch" zu sein, im Gegensatz zu vielen anderen PolitikerInnen auch eigene Fehler einzugestehen und zuhören zu können. Er gehört seit 1994 dem Grünen Klub an. Er war zuvor im Gespräch als Kandidat für den Präsidenten des Rechnungshofes, später auch für den Dritten Nationalratspräsidenten und zuletzt auch als möglicher Bewerber für die Bundespräsidentschaft.

Am 18. Jänner 1944 in Wien als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters mit holländischen Wurzeln geboren, wächst Van der Bellen im Tiroler Kaunertal auf, wo er heute noch seine Ferien verbringt. Seine beruflichen Daten: Studium der Volkswirtschaft in Innsbruck, 1968 bis 1976 Assistent am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck, 1972 bis 1974 Research Fellow am Internationalen Institut für Management und Verwaltung, Wissenschaftszentrum Berlin; 1975 Habilitation (Finanzwissenschaft), 1976 ao. Univ.Prof. an der Universität Innsbruck, 1977 bis 1980 Verwaltungsakademie des Bundes, Wien; 1980 o. Univ.Prof. für Volkswirtschaftslehre, Univ. Wien; 1990 bis 1994 Dekan bzw. stv. Dekan an der SOWI-Fakultät. Wissenschaftliche Arbeiten gibt es von Van der Bellen u.a. zu den Themen "Fondswirtschaft in Österreich" (1968), "Mathematische Auswahlfunktionen und gesellschaftliche Entscheidungen" (1976), "Finanzierungsverstaatlichung oder Privatisierung" (1967) und "Öffentliche Unternehmen zwischen Markt und Staat" (1977) und "Betriebliche und wirtschaftspolitische Möglichkeiten zur Rüstungskonversion" (1986). (apa)
     
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