Reformgespräche Alpbach  

erstellt am
23. 08. 06

Debatten über Energieversorgung, Infrastrukturliberalisierung und Mitarbeiterbeteiligung
Wien / Alpbach (pwk) - Unter dem Motto „günstig - sicher - sauber“ diskutierten Experten die notwendigen strategischen Weichenstellungen in der Energiepolitik bei den Reformgesprächen der Wirtschaftskammer Österreich in Alpbach. Im Befund zum Ist-Stand bestand weitgehende Einigkeit unter den Diskutanten: Die zunehmende Abhängigkeit von Energieimporten Österreichs und der Europäischen Union gibt Anlass, die Ausarbeitung langfristiger kohärenter Energiekonzepte zu fordern. Energiekosten steigen dramatisch, die Versorgungssicherheit wird immer mehr zum Thema für Unternehmen und Privathaushalte. Gleichzeitig steigt der ökologische Druck auf die Energiewirtschaft. WIFO-Experte Kurt Kratena verwies darauf, dass der Energieverbrauch in den letzten Jahren sogar stärker als das Bruttoinlandsprodukt gewachsen sei.

Zur Verbesserung der Energieversorgungssicherheit bekommt die Energieeffizienz einen immer größeren Stellenwert. Die Betriebe müssen sich gegen steigende Kosten wappnen, erklärte WKÖ-Experte Stephan Schwarzer, gleichzeitig müsse die Wirtschaft verbrauchsarme Fahrzeuge, Wohnungen und Geräte entwickeln, ergänzten WWF-Geschäftsführerin Hildegard Aichberger und die AK-Energieexpertin Gunda Kirchner. Vorstandsdirektor Herbert Schröfelbauer von der Verbund Austrian Hydro Power AG unterstrich den Beitrag der geplanten Wasserkraftprojekte für die Versorgungssicherheit und den Klimaschutz. Um die ehrgeizige österreichische Kyoto-Verpflichtung doch noch zu erfüllen, müssten, so Schwarzer, innovative Wege beschritten werden, so sei zB nicht einzusehen, dass man in der ganzen Welt CO2-Gutschriften erwerben könne nur nicht im eigenen Land. Alle Referenten und Teilnehmer aus dem Auditorium sprachen sich für die Ausarbeitung einer langfristigen konzertierten Energiestrategie aus. EK-Abteilungsleiter Karl Kellner plädierte für eine Verstärkung des energiepolitischen Engagements der Europäischen Union im Sinne des bereits vorliegenden Grünbuchs zu einer nachhaltigen Energiepolitik gemeinschaftlichen aus.

Dem magischen Dreieck der Infrastrukturliberalisierung – Markt, Regulierung, Daseinsvorsorge“ widmete sich ein weiterer Arbeitskreis. Seit einigen Jahren werden zahlreiche Infrastruktursektoren der EU einer schrittweisen Marktöffnung unterzogen. Ziel ist dabei die Schaffung eines funktionierenden Markt- und Wettbewerbsmechanismus in den Sektoren Telekommunikation, Verkehr, Postwesen, Gas und Elektrizität. Mit verschiedenen Methoden der Regulierung sollen funktionierende Märkte herbeigeführt werden, natürliche Monopole kontrolliert und Versorgungssicherheit im Sinne einer bürgernahen Daseinsvorsorge gewährleistet werden.

Im Spannungsfeld zwischen erwiesenen Effizienzgewinnen und der Befürchtung möglicher Steuerungsverluste wurde der derzeitige Stand der Regulierung und Liberalisierung diskutiert. „Ich begrüße jedenfalls eine vollkommene Marktöffnung sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr, da von diesen Maßnahmen mit Sicherheit eine Steigerung des Fahraufkommens auf dem heimischen Streckennetz und damit auch eine Steigerung der Einnahmen aus dem Infrastrukturbenützungsentgelt zu erwarten ist“, meint Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka in seinem Eröffnungsstatement zu den Liberalisierungschancen im Schienenverkehr. In weiterer Folge wurde von einem hochkarätig besetzten Podium unter reger Publikumsbeteiligung der derzeitige Stand der Liberalisierung aus akademischer Sicht sowie aus Sicht der Regulatoren, betroffener Unternehmer und Interessensvertreter diskutiert. Dabei wurden überwiegend die Vorteile der Liberalisierung unterstrichen. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass Regulierung auch in Zukunft für einen effizienten Wettbewerb auf liberalisierten Märkten notwendig ist.

Die Präsentation einer gemeinsamen Studie von Arbeiterkammer und WKÖ zur Mitarbeiterbeteiligung sowie Erfahrungsberichte der Arbeitnehmervertretung eines Groß- und Kleinbetriebes war Gegenstand eines weiteren Arbeitskreises. Die Studie, die von Ralf Kronberger (WKÖ) und Heinz Leitsmüller (AK) präsentiert wurde, zeigt Verbreitung und Ausgestaltung der vorhandenen Mitarbeiterbeteiligungsmodelle bei denen positive Erfahrungen überwiegen. In Zusammenarbeit mit der FH Wr. Neustadt wurden über 1700 Arbeitgeber und über 900 Betriebsräte befragt, welches Interesse, welche Erfahrungen und welche Anforderungen sie an Mitarbeiterbeteiligungsmodelle haben. Über 80 % der befragten Betriebsräte sowie der Arbeitgeber würden bei Gelegenheit das Modell wiederholen. Mitarbeiterbeteiligungsmodelle sind für die Beschäftigten vor allem interessant, wenn es darum geht, an den Erfolgen eines Unternehmens partizipieren zu können. Unternehmer sehen hingegen eine weitere Chancen die Mitarbeiterbindung mit dem Unternehmen zu stärken.

Rene Schindler von der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung stellte in seinem Statement klar, dass es nicht das ideale Mitarbeiterbeteiligungsmodell geben kann, sondern je nach Zielsetzung des Unternehmens differenzierte Modelle zur Anwendung gelangen müssen. Weiters ortet er den Bedarf praktikablerer Modelle für mittelgroße Unternehmen zu schaffen. Den ÖGB sieht Schindler als wichtiges Kontrollorgan bei der Überwachung der Arbeitnehmerinteressen wenn es um die Einführung von Beteiligungsmodellen geht.

Andreas Berger von der RHI AG meint, dass nur einfache Modelle, die für die Arbeitnehmer leicht nachvollziehbar sind, zum Erfolg führen. Nachholbedarf sieht Berger in der Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen. „Ebenso würde sich anbieten den derzeitigen Steuerfreibetrag für die begünstigte Abgabe von Kapitalanteilen – derzeit 1460 Euro – anzuheben“, so Berger.

Siegfried Mader von der Datagain Onlinemarktforschung GmbH sieht die Mitarbeiterbeteiligung als ideales Instrument den Mitarbeitern unternehmerisches Denken zu vermitteln. Er empfiehlt kleinen Unternehmen die schon angebotene und staatlich geförderte Besicherung der Kapitalanteile der Mitarbeiter stärker zu nutzen. Darüber hinaus hält er es für sehr wichtig, das Beteiligungsmodell vor seiner Einführung sorgfältig zu planen und mit den Mitarbeitern ausführlich zu diskutieren.

Insgesamt sind alle Teilnehmer davon überzeugt, dass die Mitarbeiterbeteiligung weiter an Bedeutung gewinnen wird, man aber um eine differenzierte Betrachtung nicht hinwegkommen wird. Weitere Infos zur Studie: www.mitarbeiterbeteiligung.net

Der vierte Arbeitskreis bei den Reformgesprächen widmete sich der Suche nach den Kraftfeldern der Zukunft betreffend Familie, Schule und Betrieb. Heutzutage sind immer öfter Absolventen der Erstausbildung nicht reif für den Arbeitsmarkt, weshalb es auch zu Schwierigkeiten im Berufseintritt kommt. Eine Ursache dieser Entwicklung liegt vor allem am hohen Maß an Veränderungen, auf die sich unsere Jugend ständig anpassen muss. Auf der Suche nach Sicherheit entdeckt man aber die fehlende Struktur, die dazu notwendig wäre.

Peter Gruber, Wirtschaftsberater aus Wien, zum Thema des Arbeitskreises: „Menschen brauchen Grundmuster auf die sie sich verlassen können, denn Struktur schafft Sicherheit.“ Seiner Einschätzung nach ist es dabei wichtig, dass die Managerebene hier Vertrauen schenkt, indem sie Nähe zu seinen Mitarbeitern selbst sucht, Blickkontakt in Gesprächen hält und seinem Gegenüber zuhört.

Helene Sengstbratl vom AMS Burgenland, mangelt es in Österreich nicht an gebildeten jungen Arbeitskräften, vielmehr wäre es hilfreich, die kleine Gruppe an schwererziehbaren Jugendlichen zu fördern! Das AMS sieht sich diesbezüglich als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Schule und als Auffangnetz zur Vermittlung dieser Arbeitskräfte.

Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der WKÖ, stellte in diesem Rahmen das laufende WKÖ-Projekt „Der Jugend eine Chance“ vor, indem genau diesen langzeitarbeitslosen Jugendlichen durch die Hilfe von Coaches der Arbeitseintritt erleichtert wird und sie erstmals ein Gefühl von Sicherheit empfinden. „640 Jugendliche sind bereits in die Betriebe vermittelt worden“ lautet Gleitsmanns erfolgreiche Zwischenbilanz.

Eingehend wurde auch die Frage diskutiert, ob und wie die Vermittlung von Werten und Regeln heute stattfindet. Die gute alte Großfamilie als Ort der Stabilität bleibt oftmals aus, Schulen werden mehr als Ort der Konsumation angesehen anstatt als Chance etwas für sich selbst mitzunehmen. Unternehmen fühlen sich zunehmend überfordert, die Lücken die aus diesen Bereichen entstanden sind, nachzuholen und zu füllen, obwohl sie sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind.

Liegen nun die Kraftfelder der Zukunft in der Familie, dem Bildungssystem oder doch mehr in den Betrieben? Aus den verschiedenen Beiträgen lässt sich der Schluss ziehen, dass es vor allem die richtigen Rahmenbedingungen und die Unterstützung aller braucht - denn nur so kann es gelingen, Österreich und Europa im globalen Umfeld des 21. Jahrhunderts nachhaltig zu positionieren!
     
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