ORF-Serie "Sommergespräche" zur Nationalratswahl  

erstellt am
30. 08. 06

 Gusenbauer: Der Wohlstand muss gerecht verteilt werden
Regierung hat Kranke bestraft
Wien (sk) - SPÖ-Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer stellte im ORF-Sommergespräch am 29.08. Abend mit Gabi Waldner die SPÖ-Vorstellungen zur Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, zu fairen Steuern und zur gerechten Finanzierung des Krankenversicherungssystems in den Vordergrund. Die Entlastung im Umfang von drei Milliarden Euro könne durch entsprechende Maßnahmen gegenfinanziert werden. "Und Gegenfinanzierung heißt eben keine Schulden machen", betonte Gusenbauer.

Zur Finanzierung der steuerlichen Entlastung des Mittelstands erklärte Gusenbauer, dass dieses Geld erwirtschaftet werden muss, aber auch Veränderungen nötig seien. So sollen Unternehmen, die im Ausland investieren, nicht vom Steuerzahler subventioniert werden, denn das verstehe niemand. Gusenbauer kritisierte es weiters als ungerecht, dass Gewinne fiskalisch bevorzugt behandelt werden. Faktum sei: "Die Gewinne sind enorm gestiegen, aber die, die das von ihrem Steuergeld finanzieren müssen, haben Löhne von 1995." Denn aufgrund der kalten Progression sei die Kaufkraft der Löhne und Gehälter auf dem Niveau von vor zehn Jahren. "Hier geht es um faire und unfaire Steuern." Daher solle die Besteuerung von Gewinnen "auf ehrliche 25 Prozent angehoben werden".

Auf einen exakten Zeitplan, bis wann welche steuerliche Entlastung durchgeführt werde, wollte sich der SPÖ-Vorsitzende nicht einlassen - das wäre unseriös. "Denn zuerst muss einmal ein Kassensturz gemacht werden - oder wissen Sie, welchen Budgetzustand der Finanzminister hinterlässt?", so Gusenbauer.

Regierung hat Kranke bestraft
Diese Regierung habe Kranke bestraft und die Selbstbehalte erhöht, was dazu geführt habe, dass viele Menschen Angst vor der Zwei-Klassen-Medizin haben. "Mir ist lieber, dass jemand, der 10.000 Euro im Monat verdient, höhere Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, als dass eine Pensionistin mit 750 Euro im Monat keine Medikamente mehr bezahlen kann", so Gusenbauer zur Notwendigkeit des Schließens der Solidaritätslücke im Krankenversicherungssystem. Denn: "Jemand, der 10.000 Euro im Jahr verdient, bezahlt denselben Beitrag, wie jemand, der 35.000 Euro verdient. Das ist nicht gerecht." Daher soll die Höchstbemessungsgrundlage moderat angehoben werden.

Lastenausgleich zwischen Betrieben, die Lehrlinge ausbilden und jenen, die nicht ausbilden
Gusenbauer erläuterte das Modell des Lehrlingsstiftungsfonds. Konkret soll es damit zu einem Lastenausgleich zwischen den Betrieben, die Lehrlinge ausbilden und den Betrieben, die nicht ausbilden, kommen. Ein solches Modell werde bereits in Vorarlberg höchst erfolgreich durchgeführt. Weiters sollen durch Lehrlingsstiftungen, die von der Regierung abgeschafft wurden, Lehrwerkstätten angeboten werden.

Als die drei wichtigsten Punkte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nannte Gusenbauer Ausbildung und Weiterbildung, öffentliche Investitionen sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung. Wesentlich sei es, Maßnahmen in die Ankurbelung der Wirtschaft zu setzen. Hier habe sogar der Wifo-Leiter darauf hingewiesen, dass die Regierung nicht die geeigneten Maßnahmen setze.

BAWAG - Einige Ganoven haben Milliarden Euro verspielt
Bezüglich der BAWAG-Krise erklärte Gusenbauer, dass hier "einige Leute Milliarden verspielt und verjuxt haben. Das sind Ganoven." Die finanziellen Forderungen des ehemaligen Gewerkschaftspräsidenten Verzetnitsch jedenfalls könne kein Gewerkschaftsmitglied verstehen, ist Gusenbauer überzeugt.

Klar sei aber, dass eine schwierige Situation - und die BAWAG-Krise sei eine ganz außerordentlich schwierige Situation - nach außerordentlichen Maßnahmen verlange. Daher sei es zu der glasklaren Entscheidung zwischen der SPÖ und den sozialdemokratischen Gewerkschaftern gekommen, dass die Gewerkschaftsspitze nicht mehr dem Nationalrat angehören solle, denn die derzeitige schwierige Situation der Gewerkschaft beanspruche ihre ganze Kraft. Den Vorsitzenden der Eisenbahnergewerkschaft Willi Haberzettel könnte sich Gusenbauer allerdings gut im Nationalrat vorstellen - dieser hatte angekündigt, nicht mehr in der dann fusionierten Transportgewerkschaft tätig sein zu wollen.

"Pflege muss in Würde passieren"
Das Thema Pflege liegt SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer besonders am Herzen. "Hier geht es um die Würde der Menschen, um Fairness in unserem Land und darum, wie wir mit der älteren Generation, die unser Land aufgebaut hat, umgehen". Die SPÖ habe zur Pflege einen Vorschlag gemacht, der bereits eine längerfristige Perspektive biete, so Gusenbauer. Gemeinsames Ziel müsse es sein, in Österreich ein Pflegesystem zu etablieren, das nach folgenden Prinzipien funktioniert: "Erstens, dass wir die Menschen zuhause pflegen. Das ist das allerwichtigste, denn sie wollen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben". Zweitens sei es klar, dass man unterschiedliche Formen von Pflege brauche, drittens müsse Pflege in Würde passieren.

Im Bereich der Pflege könnten viele Arbeitsplätze, für Menschen die es wollen, geschaffen werden. "Ich bin sehr froh, dass es die Diskussion über den so genannten Pflegenotstand, gibt. Schüssel hat versucht ihn zu verdrängen, obwohl er aus dem eigenen Umfeld hätte wissen müssen, dass Probleme bestehen", sagte Gusenbauer.

Das Pflegegeld sei die wesentlichste Unterstützung für die Finanzierung, bedauerlicherweise sei es in zehn Jahren nur ein einziges Mal valorisiert worden und sei heute nicht mehr dasselbe wert, wie noch 1995. "Dadurch ergibt sich eine Reihe von Engpässen", erklärte Gusenbauer. Zur Finanzierung der Pflege legte der SPÖ-Chef zwei Modelle auf den Tisch: Erstens, der Staat übernimmt die Pflege von jenen Personen, die es sich selbst nicht leisten können, denn: "Wie soll sich ein Pensionistin mit 700 Euro teure Pflege leisten können?" Oder zweitens: "Wenn, egal welches Ausmaß die Pflege annimmt, der Staat bezahlen soll, ist eine staatliche Pflegeversicherung eine notwendige Grundlage."

Ziel ist es, dass SPÖ stärkste Partei ist
Gusenbauer stellte einmal mehr klar, dass die SPÖ die Studiengebühren abschaffen will und zum frühest möglichen Zeitpunkt und daher zum günstigsten Preis aus dem Euro-Fighter-Vertrag aussteigen werde. Zur Zusperrpolitik der Bundesregierung - Stichwort geschlossene Polizeiposten und Gendarmerieposten - merkte der SPÖ-Vorsitzende an, dass durch die Realisierung der Schengengrenze 2008 3.000 Exekutivbeamte, die bisher an der Grenze tätig waren, dann im Inland die Sicherheit verstärken werden. Zum Thema Privatisierung sagte Gusenbauer, dass im Bereich der öffentlichen Infrastrukturunternehmungen das Maß erreicht sei.

Gusenbauers Grundposition zu Koalitionsfragen zum jetzigen Zeitpunkt ist klar. "Die SPÖ steht für keine Koalition mit Parteien zur Verfügung, die die Verfassung missachten, die Gesetze lächerlich machen und die die österreichischen Grundwerte nicht akzeptieren." Namentlich nannte Gusenbauer den Kärntner Landeshauptmann Haider und das BZÖ, aber auch die FPÖ sei "um nichts besser". "Mein Ziel ist, dass die SPÖ stärkste Partei wird und dass wir den Kurswechsel zu mehr Fairness und mehr Chancen für unsere Kinder und Jugendliche erreichen", betonte der SPÖ-Chef. Er, Gusenbauer, habe große Achtung vor den Wählerinnen und Wählern: "Sie entscheiden, wie stark die Parteien sind."

"Meine Mutter hat mir wichtige Werte vermittelt"
"Meine Mutter, die wie zigtausend andere Mütter in Österreich, die Politik in den 60er Jahren mit Interesse verfolgt hat, hat mich zu einer Wahlveranstaltung mit Bruno Kreisky mitgenommen". Kreisky habe ihn, Gusenbauer sehr beeindruckt und seine Mutter habe schon damals angekündigt, dass Kreisky einmal Kanzler sein und es den Menschen dann besser gehen werde. "Mir hat gefallen, dass sich Kreisky um die Menschen gekümmert hat und dafür gesorgt hat, dass es den einfachen Menschen besser geht. So habe ich beschlossen, dass ich das auch machen will".

Seine Mutter, so Gusenbauer, sei wie viele andere Mütter in Österreich eine beeindruckende Persönlichkeit. Sie habe immer hart gearbeitet und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht. "Sie hat mir vor allem Werte, die mir ganz wichtig sind, mitgegeben. Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und, dass man sich um andere Menschen kümmern soll", unterstrich Gusenbauer.

 

 Lopatka: Gusenbauers Schweigen sagt mehr als tausend Worte
Die roten Skandale, über die keiner in der SPÖ mehr spricht
Wien (övp-pk) - "Gusenbauers Schweigen über die Skandale sagt mehr als tausend Worte" - unter diesem Motto hat das Sommergespräch mit Alfred Gusenbauer stattgefunden, so ÖVP- Generalsekretär Reinhold Lopatka. Der SPÖ-Spitzenkandidat wolle ständig vergessen machen, warum sowohl die rote Gewerkschaft, als auch ihre Bank um das finanzielle Überleben kämpfen. "Das von den Sozialdemokraten geduldete Spekulantentum der ÖGB-Bank BAWAG hat die Arbeiterbewegung an den Rand des Ruins und darüber hinaus getrieben. Alles geduldet von SPÖ-Gewerkschaftern und Teilen der SPÖ." Die Antwort auf die entscheidende Frage, warum im roten Netzwerk der Gusenbauer-SPÖ "Arme ärmer und Reiche reicher werden", habe der SPÖ-Chef nicht beantworten wollen, so Lopatka.

Ex-Präsident und "Noch-Immer-SPÖ-Vorstandsmitglied" Fritz Verzetnitsch soll für seine `Verdienste um Arbeiterbewegung und - bank` nun 800.000 Euro bekommen, so der ÖVP-Generalsekretär. Gleichzeitig werden die kleinen ÖGB-Mitarbeiter geschröpft und zu "Solidaritätsleistungen" in Form von Pensionskürzungen von bis zu 70 Prozent gezwungen. Sogar vor Witwen- und bestehenden Pensionen macht die ÖGB-Spitze nicht halt. Die Aussage Gusenbauers zum SPÖ- ÖGB-BAWAG-Skandal, "einige Leute haben Milliarden verspielt und verjuxt", könne ja nur als Verhöhnung der kleinen ÖGB-Mitarbeiter und der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gewertet werden, die nun dafür gerade stehen müssen.

Wieder einmal wurde der Beweis geführt, "die SPÖ kann weder wirtschaften noch unser Sozialsystem nachhaltig absichern", so Lopatka weiter. Offensichtlich beziehen sich die plakatierten SPÖ- Versprechungen "Pensionsansprüche garantieren" auf verdiente Mitglieder des roten Netzwerks. "Darum stört Gusenbauer auch nicht Verzetnitschs `Pensionsauffettung` und auch nicht die `Wählertäuschung` durch die Kandidatur von Spitzengewerkschaftern. Ist das die neue Fairness, die das Land braucht?", stellte Lopatka abschließend die Frage.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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