Zukunftsfrage "Pflege"  

erstellt am
23. 08. 06

 Gusenbauer: Lösung ist "Betreuung daheim"
Neuen Beschäftigungstyp schaffen - "Pflege mit Verlässlichkeit und Legalität"
Wien (sk) - SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hat am 28.08. das Konzept seiner Partei für eine Lösung der akuten Probleme im Pflege- und Betreuungssektor präsentiert. "Das ist ein Problem, das den Menschen wirklich unter den Nägeln brennt", so Gusenbauer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures und Gerda Mostbauer, der Vorsitzenden der ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe. Die SPÖ will einen eigenen Beschäftigungstyp schaffen, nämlich "Betreuung daheim". Das ermöglicht 24-Stunden-Anwesenheit der Betreuungskraft, geblockt für zwei Wochen; darauf folgen zwei Wochen Freizeit. Für "Betreuung daheim" soll es einen eigenen Kollektivvertrag geben, der Entlohnung, Betreuungsleistung und sonstige Rechte und Pflichten festlegt.

Aufbauend auf das schon präsentierte Modell der SPÖ, wie man den Pflegesektor mittel- und langfristig ausbaut, sollen mit dem heute vorgestellten Konzept, die akuten Probleme im Zusammenhang mit der illegalen Betreuungstätigkeit von ausländischen Arbeitskräften gelöst werden. Viele zu Betreuende und die Pflegekräfte selbst waren in den letzten Monaten mit Anzeigen konfrontiert, so Gusenbauer, mit dem Zusatz: "Wenn sie nicht im Umfeld des Bundeskanzlers waren". Gusenbauer: "Das ist nicht in Ordnung, das ist nicht menschlich."

Voraussetzung dafür ist ein legaler Aufenthalt. Das werde gewährleistet, die Betreuungspersonen bekommen eine Beschäftigungsbewilligung. Als Arbeitgeber fungieren dabei anerkannte Träger wie Caritas oder Volkshilfe und auch von Gebietskörperschaften einzurichtende öffentliche Träger. Die Betreuungskräfte sollen für zwei Wochen ununterbrochen tätig sein dürfen, anschließend mindestens ebenso lang ununterbrochen frei haben. In dieser Zeit dürfen sie keiner anderen Arbeit in Österreich nachgehen.

Indem die anerkannten Träger als Arbeitgeber fungieren, werde die Qualitätssicherung gewährleistet und die genaue Abstimmung auf den Bedarf der zu Betreuenden. Die derzeit illegal in der Betreuung Beschäftigten können auf dieser Basis legalisiert werden, erläuterte Gusenbauer. Dabei werde "die Vergangenheit pardoniert".


"Wir setzen hier einen sehr pragmatischen, für viele vielleicht undogmatischen Schritt", sagte Gusenbauer, der betonte: "Das zeigt: Wir schieben die Probleme nicht weg. Selbst für so schwierige Probleme wie den Pflegenotstand gibt es Lösungen. Pflege mit Verlässlichkeit und Legalität wird so ermöglicht."

Bures: Schüssel hat Probleme sechs Jahre lang ignoriert - "Die SPÖ schaut nicht weg, wir lösen die Probleme"
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ging mit der Untätigkeit der Regierung Schüssel hart ins Gericht. "Seit sechs Jahren hat Schüssel das Problem ignoriert", so Bures. Der letzte große Schritt sei die Einführung des Pflegegelds zu Beginn der 90er Jahre gewesen, federführend von SPÖ-Sozialminister Hesoun und Frauenministerin Dohnal verantwortet.

Dass Kanzler Schüssel von vielen Seiten auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht wurde - etwa durch einen verzweifelten Brief einer 90-jährigen Frau - und ihn auch aus seiner eigenen Familie kannte, aber trotzdem nichts getan hat, wiegt für Bures besonders schwer. Und dass Schüssel dann eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, deren Leiterin, LH a.D. Waltraud Klasnik, dann gleich gemeint hat, es gebe gar keinen Pflegenotstand, hält Bures für beschämend. "Schüssel hat die Menschen im Regen stehen gelassen."

Sie hält auch die bisher gemachten Vorschlägen von Regierungsseite für nicht akzeptabel. Egal ob 2-Euro-Jobs, Zwangsverpflichtung von Arbeitslosen oder eine Au-pair-Regelung - damit könnten die Probleme nicht gelöst werden. Ganz anders die SPÖ: "Wir stehen für eine Politik, wo man nicht wegschaut, sondern die Probleme anpackt."

Die Höhe des Einkommens müsse in den Kollektivverträgen ausgehandelt werden, erläuterte Gusenbauer. Dabei sei klar, dass es insgesamt etwas teurer wird als die illegale Pflege, aber zugleich deutlich billiger als jede derzeit legal mögliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Worauf es dabei ankomme, sei, dass die Pflegebedürftigen das bekommen, was sie wollen und brauchen, und dass auch die derzeit illegal beschäftigten Arbeitskräfte eine legale Erwerbschance erhalten. "Bisher illegale Tätigkeit kann damit legal erbracht werden", so Gusenbauer.

Außerdem ersparen sich die Gebietskörperschaften Kosten für Pflegeheim, wenn die Betreuung zuhause erfolgt, so der SPÖ-Vorsitzende. Den Hauptteil der Finanzierung mache unverändert das Pflegegeld aus. Zudem soll es für niedrige Einkommen auch eine öffentliche Unterstützung geben, wenn sie sich die Betreuung zuhause nicht leisten können. "Es ist menschlicher, es ist legaler und es ist finanzierbar", so brachte Gusenbauer die Vorteile des SPÖ-Modells auf den Punkt.

Gerda Mostbauer, die Vorsitzende der ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe, begrüßte den von der SPÖ präsentierten Vorschlag. Sie ergänzte dazu, dass auch für Betreuungsdienste eine Einschulung notwendig ist; dies werde durch die anerkannten Trägerorganisationen auch garantiert. Das Angebot an die zu Betreuenden und ihre Familien beinhalte auch Beratung und Qualitätssicherung.

Die Qualitätssicherung solle auch durch regelmäßige Hausbesuche sichergestellt werden. Echte Pflegeleistungen, wie Wundversorgung, Injektionen etc., sollen weiterhin von qualifiziertem Personal gemacht werden. Den durchschnittlichen Bedarf von diesen Leisten gab Mostbauer mit zwei bis drei Stunden pro Tag an, der von mobilen Diensten erledigt werden kann.

Eine Verdrängung von professionellen Pflegekräften schlossen Gusenbauer und Mostbauer aus. Denn der Bedarf an professionellen, qualifizierten Pflegeleistungen (Wundversorgung, Injektionen, Verabreichung von Medikamenten) werde dadurch nicht berührt.

 

 Bartenstein: Gusenbauer schwenkt auf ÖVP-Linie ein
Lösung des Pflegethemas nur mit Legalisierung der ausländischen Pflegekräfte möglich
Wien (övp-pd) - "Mit den heute präsentierten Vorschlägen schwenkt die SPÖ nun weitgehend auf die Linie der ÖVP ein. Eine Lösung dieses Themas ist nur mit der Legalisierung der ausländischen Pflegekräfte möglich", sagte Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein, der darauf hinwies, "dass SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ständig versucht, die Valorisierung des Pflegegeldes unter den Tisch zu kehren".

Das Eintreten der SPÖ für die Legalisierung von ausländischen Pflegekräften sei hingegen durchaus positiv zu bewerten: "Immerhin trat die SPÖ lange gegen eine solche Legalisierung auf. Nur mit Hilfe der Legalisierung wird es möglich sein, eine geregelte Pflege im rechtssicheren Raum auf Schiene zu bringen", so der Minister, der seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, "dass auch der ÖGB bei diesen Vorstößen und Lösungsansätzen mitzieht".

Insgesamt sei das SPÖ-Modell allerdings zu wenig konkret und gehe über Überschriften kaum hinaus. Es sei aber jedenfalls zu begrüßen, dass sich die SPÖ mit dem Thema befasse, vor allem weil in acht von neun Bundesländern die zuständigen Sozialreferenten von der SPÖ besetzt seien und da es einer gemeinsamen Initiative von Bund und Land bedürfe.

 

 

 

 Strache: Neue Ideen statt ÖVP/SPÖ-Wahlgeplänkel
Medizin-Studenten sollen ebenfalls Verantwortung im Pflegebereich übernehmen
Wien (fpd) - FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache unterstützte die Forderung von Barbara Rosenkranz, Medizinstudenten für den Pflegedienst heranzuziehen. Der Umgang mit alten und kranken Menschen sei angehenden Ärzten sehr wohl zuzumuten, so Strache.

Gleichzeitig verlangte Strache auch eine Erhöhung des Pflegegelds. Der Wertverlust beim Pflegegeld seit dem Jahr 1996 betrage trotz Erhöhung im Jahr 2005 über 10 Prozent. Daher müsse es jetzt zu einer fairen Erhöhung in diesem Ausmaß kommen. Zudem sei auch eine jährliche automatisierte Indexanpassung sicherzustellen. Weiters verlangt die FPÖ, das Recht auf medizinisch notwendige Leistungen für alle Österreicher unabhängig von Alter, Geschlecht oder finanzieller Leistungsfähigkeit in der Verfassung festzuschreiben. Nur so könne eine optimale medizinische Versorgung im Alter auch garantiert werden.

Die Aussagen der SPÖ bezüglich Pflegenotstand bezeichnete Strache dagegen als unglaubwürdig. Schließlich habe der "Sozialpolitiker" Gusenbauer bereits 2002 die Sinnhaftigkeit des Pflegegeldgesetzes in Frage gestellt, so Strache. Aber auch Schüssel sei bei dem derzeitigen Pflegenotstand in die Pflicht zu nehmen. Schließlich habe es die schwarz-orange Regierung zu verantworten, daß derzeit vieles im Pflegebereich im Argen liege. Die FPÖ werde diesem Thema jedenfalls weiterhin die nötige Aufmerksamkeit widmen, schloß HC Strache.

 

 Öllinger: SP-Vorschlag zur Pflegemisere greift zu kurz
Wien (grüne) - "Der Vorschlag der SPÖ zur Behebung des Pflegenotstands ist diskussionswürdig, greift aber zu kurz. Die SPÖ bleibt nämlich die Antwort schuldig, was mit den schon jetzt im Land aufhältigen ausländischen Pflegekräften passieren soll", reagiert Karl Öllinger, stv. Klubobmann und Sozialsprecher der Grünen, auf Aussagen von SP-Chef Gusenbauer. Jedes Modell muss sich an der Frage messen lassen, ob es eine Legalisierung der Pflegepersonen und eine Entkriminalisierung der Angehörigen mit sich bringt. Dazu hat sich Gusenbauer nur undeutlich geäußert! Zweitens muss die Organisation der Betreuung unkompliziert bleiben. Ob das nun über die von Gusenbauer favorisierte Variante oder über die von den Grünen vorgeschlagene über das Hausangestelltengesetz erfolgt, ist sekundär.

Massive Kritik übt Öllinger an den Vorschlägen von FPÖ und BZÖ. "Deren Vorschläge sind bisher untauglich bzw. bösartig. Wenn Westenthaler eine Au-pair-Lösung, wonach alle ein bis zwei Wochen abgewechselt werden soll, vorschlägt, dann zeigt das nur, dass er offensichtlich keine Ahnung hat. Auch der Vorschlag von Frau Rosenkranz, die MedizinstudentInnen anstelle der ausländischen Pflegerinnen einsetzen will, ist weltfremd", kritisiert Öllinger und rechnet vor. Es gibt nicht einmal 2000 Medizin-StudienanfängerInnen pro Jahr, aber 40.000 ausländische PflegerInnen. Wie soll sich das ausgehen? Außerdem: Gute ÄrztInnen müssen keine guten PflegerInnen sein - und umgekehrt. Das sind zwei grundlegend unterschiedliche Ausbildungen! Abgesehen davon: Wie stellt sich Frau Rosenkranz das vor? Sollen die MedizinstudentInnen statt der Pflegerinnen 24 Stunden in einem fremden Haushalt sein?
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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