Von Inflations- zu Konjunktursorgen  

erstellt am
18. 09. 06

US-Konjunktur mit Wachstumssorgen, Inflationshöhepunkt im ersten Quartal 2007 – robustes Gewinnwachstum stützt Aktienbörsen bis Jahreswechsel
Wien (rzb) - Prägten zu Anfang des ablaufenden Quartals noch Inflations- und Zinsängste das Bild, so fungiert nun mehr und mehr die Robustheit der Konjunkturentwicklung als Unsicherheitsfaktor an den internationalen Kapitalmärkten. Obwohl der Höhepunkt der Preissteigerungen noch nicht erreicht ist, dominiert mittlerweile der von der rasanten Talfahrt am US-Immobilienmarkt ausgehende Druck auf die US-Konsumausgaben und der damit verbundene befürchtete Einbruch des Wirtschaftswachstums. Eine Rezession, wie von einigen derzeit befürchtet, sieht Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), jedoch keineswegs aufkeimen. „Die anhaltend guten Daten aus dem Unternehmensbereich, der schwächere US-Dollar bei robustem asiatischen Wachstum und das gute Einkommenswachstum machen eine Rezession sehr unwahrscheinlich.“ Brezinschek rechnet mit einer Abschwächung des US-Wirtschaftswachstums auf rund zwei Prozent in den nächsten drei Quartalen und in der Folge mit einer schrittweisen Erholung. „Wesentliche Stütze der US-Konjunktur sind die Unternehmensgewinne und der Arbeitsmarkt mit rund einer Million neuer Arbeitsplätze seit Jahresbeginn und Lohnsteigerungen von knapp vier Prozent.“

Ein weiteres Gegenargument zum Abrutschen in eine Rezession ist die Geldpolitik der US-Notenbank, die auf allzu starke Befürchtungen einer markant rückläufigen Wirtschaftsentwicklung reagieren wird. Brezinschek erwartet von ihr keine weiteren Zinsanhebungen, vielmehr dürfte sie die Leitzinsen ab dem ersten Halbjahr 2007 sukzessive senken. In Europa versucht die Europäische Zentralbank (EZB) unterdessen, die Inflationsentwicklung mit noch zwei weiteren Zinserhöhungen in den kommenden drei Monaten in den Griff zu bekommen. Im Verlauf des ersten Quartals 2007 dürfte die EZB im Gegensatz zur US-Notenbank nicht direkt mit Zinssenkungen nachziehen, sondern zunächst eine abwartende Haltung einnehmen.

Renditen bleiben vorerst tief
Für die Rentenmärkte bedeutet der Wechsel von der Inflations- auf die Rezessionsthematik eine Triebfeder für die Kursentwicklung. Die deutlichen Renditeanstiege in den USA und Europa vom ersten Halbjahr werden in den kommenden zwei Quartalen unterbrochen. Wie schon in den Sommermonaten zeigt sich, dass eine Abkoppelung des europäischen vom US-Anleihenmarkt, trotz gegenläufiger Geldpolitik, wenig realistisch ist. Die inverse US-Renditestruktur wird in Erwartung nachfolgender Zinssenkungen noch längere Zeit charakteristisch bleiben. Im Zuge der beschriebenen Verlagerung von Inflations- hin zu Konjunkturängsten hat der US-Anleihenmarkt im abgelaufenen Quartal eine beachtliche Rallye hingelegt. Kommt es zu der von Brezinschek prognostizierten US-Konjunkturabschwächung in den kommenden Quartalen und Zinssenkungen im ersten Halbjahr 2007, besteht für die US-Anleihenkurse noch einiger Raum nach oben. Im Tief könnten die Renditen 10jähriger Staatsanleihen 4,5 Prozent erreichen. Gleichwohl dürfte aber für EUR-Investoren die ebenfalls prognostizierte USD-Abwertung einen Gutteil der Erträge aus USD-Anleihen wieder auffressen. Die Empfehlung der RZB für EUR-Investoren ist deshalb neutral, wohingegen für die Positionierung auf USD-Basis die Empfehlung Kauf lautet.

Im Euroraum ist das absolute Niveau der Renditen für lang laufende Anleihen bemerkenswert niedrig. Die aktuell tiefe Verzinsung am Kapitalmarkt scheint zwar wenig attraktiv, dennoch versprechen Veranlagungen am Anleihenmarkt für die nächsten sechs Monate höhere Erträge als am Geldmarkt. Selbst der mittelfristig stärkere Preisdruck sowie das Anziehen der Wortwahl der EZB führten zuletzt nicht mehr zu Kursverlusten am Rentenmarkt. Die Historie zeigt, dass bei einem Auslaufen eines Zinsanhebungszyklus mit flachen, ja sogar inversen Zinskurven zu rechnen ist. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus erwartet Brezinschek aber nicht, dass Renditen für zehnjährige Anleihen unter die Geldmarktsätze fallen. Vielmehr sollte in den kommenden sechs Monaten die Rendite zehnjähriger Laufzeiten zwischen 3,5 und 4,1 Prozent schwanken.

USD von Zinssenkungen bedroht
Die starken Konjunkturdaten im Euroraum sowie alle weiteren Argumente für höhere EUR-Zinsen werden derzeit von den Märkten ignoriert. „Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die kommende Abschwächung der US-Konjunktur automatisch auch die Eurozone betreffen wird“, erklärt Brezinschek dazu. Bis zum Jahresende setzt er aber dennoch auf einen stärkeren Euro. „Bei einem Zusammenschmelzen des Zinsvorsprungs der USA gegenüber Europa ist eine weitere Abschwächung des Dollar vorprogrammiert.“

Während der Markt für die Eurozone weitere Zinsanhebungen bis auf ein Niveau von 3,5 Prozent einpreist, wird für die USA von unveränderten Leitzinsen ausgegangen. Der RZB-Chefanalyst rechnet indes damit, dass sich die US-Konjunktur in den nächsten Monaten ausreichend abschwächen wird, um die US-Notenbank im ersten Halbjahr 2007 zu zwei Zinssenkungen zu bewegen. Mit dem auch am Devisenmarkt vermuteten Abschmelzen der Zinsdifferenzen ist ein Übersteigen der Marke von EUR/USD 1,30 wahrscheinlich. Ein Niveau nahe alter Höchststände um EUR/USD 1,35 sollte im ersten Quartal des kommenden Jahres dann den vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung darstellen. Bessere US-Konjunkturaussichten im Jahresverlauf 2007 sollten den US-Dollar wieder unterstützen.

Konjunkturabkühlung – im Sinne der Aktienmärkte?
Der US-Aktienmarkt hat sich zunächst gut von den Kursturbulenzen erholt, die im Mai dieses Jahres in Folge höher als erwartet ausgefallener Kerninflationsdaten ausgelöst worden waren.

Für Helge Rechberger, Leiter der RZB-Aktienmarktanalyse, ist die Erklärung zumindest auf den ersten Blick nahe liegend: „Die Märkte honorieren es, dass sowohl die Konjunkturvorlaufindikatoren als auch die Ölpreise merklich zurückgehen. Damit sollten die noch vor kurzem so gefürchteten Inflationsgefahren zumindest mittelfristig vom Tisch sein.“ Auch die US-Notenbank hätte kaum mehr ein Argument, um weiter an der Zinsschraube zu drehen. Allerdings, gibt Rechberger zu bedenken, sind die Zeiten ungebremsten Wachstums in den USA vorüber. Dies ist so lange nicht bedrohlich, wie die US-Konjunktur auf ein „Soft Landing“ zusteuert und nicht in eine Rezession abgleitet.

Dann würde das als sehr robust eingeschätzte Wachstum der Unternehmensgewinne plötzlich stark in Frage gestellt werden. Dieses präsentiert sich aktuell mit auf Gesamtjahressicht erwarteten 14,5 Prozent hervorragend; doch auch und gerade hier ist das Prognoserisiko nun vermehrt nach unten gerichtet. Die Gewinnerwartungen im dritten und vierten Quartal sind höher als sie es für die ersten beiden Quartale 2006 waren, obwohl die Konjunkturdynamik deutlich abgenommen hat. „Wir erwarten, dass man sich spätestens im Verlauf der Berichtssaison für das vierte Quartal zunehmend auf Gewinnenttäuschungen und folglich Gewinnrevisionen nach unten einstellen muss“, so Rechberger. Dennoch ist die Bewertung der US-Aktienmärkte insgesamt unverändert moderat. Wenig schwankende Aktienkurse bei immer noch klar zweistelligen Gewinnwachstumsraten senken das für 2006 geschätzte Markt-KGV des S&P 500 auf 15,0 ab. Das gibt dem Aktienmarkt Unterstützung, sollte die Gewinndynamik tatsächlich einmal abreißen. Rückschläge würden entsprechend abgefedert.

„Wir sehen gute Chancen“, so Rechberger weiter, „dass das aktuell gute Sentiment bis über den Jahreswechsel anhalten dürfte. In weiterer Folge besteht aber bedingt durch die nachlassende Konjunktur- und Gewinndynamik die Gefahr einer vorübergehenden Korrektur.“

Trotz des guten konjunkturellen Umfelds in der Eurozone hat die RZB ihre Einschätzung für diesen Einflussfaktor um eine Stufe zurückgenommen. Denn bei den Konjunkturvorlaufindikatoren ist der Zenit eindeutig überschritten. Zudem dürfte die Diskussion um die Stärke der Abschwächung der US-Konjunktur für die Euroland-Aktienmärkte einen zusätzlichen Belastungsfaktor darstellen. Auch der Politik – gemeint sind die Spannungen im Atomkonflikt mit dem Iran – muss als potenzieller Belastungsfaktor für die Euro-Aktienmärkte Rechnung getragen werden.

Beim Zinstrend nimmt die RZB trotz der Erwartung weiter steigender Leitzinsen eine Hochstufung in den positiven Bereich vor. Die Aussicht auf unveränderte Leitzinsen im ersten Halbjahr 2007 sowie auf Zinssenkungen in den USA sollten die Stimmung in der Eurozone ebenfalls unterstützen.

Dagegen ist im ersten Quartal 2007 mit einer geringeren Gewinndynamik und somit auch niedrigeren Gewinnwachstumsraten zu rechnen. „In diesem Bereich sehen wir noch Revisionsbedarf nach unten. Dieser Anpassungsbedarf sollte im Verlauf des ersten Quartals 2007 Druck auf die Aktienmärkte ausüben“, so Rechberger.

Auch wenn die Grundstimmung an den Aktienmärkten bis zum Jahresende durchaus freundlich bleiben sollte, sind die Analysten der RZB bei der Auswahl der von ihnen favorisierten Sektoren weiterhin "defensiv" eingestellt. Aktien der Sektoren defensiver Konsum, Gesundheit und Finanz sollten sich in einem Umfeld zu Ende gehender US-Zinsanhebungen und rückläufiger Wachstumsraten tendenziell besser entwickeln. Schwieriger wird es dagegen für die stark an die konjunkturelle Entwicklung gekoppelten Titel der Sektoren Industrie, zyklischer Konsum und Grundstoffe.

Portfoliostrategie: Aktien vor Anleihen gilt mehr denn je
Mit Blick auf das nahende Jahresende hat sich das Umfeld für Dividendenpapiere deutlich aufgehellt. Nennenswerte Faktoren, wie die anhaltend günstige Aktienbewertung, die aufkommende Erwartung von US-Zinssenkungen sowie die weiterhin solide Gewinnentwicklung bei den Unternehmen rechtfertigen eine Übergewichtung von Aktien auf 55 Prozent (Benchmark 50 Prozent). Die Regionen Eurozone, Japan und Emerging Markets inklusive Osteuropa sind die bevorzugten Aktiengebiete. Auf der Branchenseite werden defensiver Konsum, Finanz und Versorger übergewichtet, während zyklischem Konsum, Grundstoffen und Industrie weniger Chancen eingeräumt werden.

Zwar profitieren Anleihen von der antizipierten Abkühlung bzw. weichen Landung der US-Konjunktur. Andererseits reduzieren steigende Konsumentenpreise den realen Ertrag. US-Dollaranleihen bleiben zusätzlich von der Entwicklung am Devisenmarkt überschattet, weshalb der Gesamtertrag aus Anleiheninvestments in den kommenden Monaten eher bescheiden ausfallen dürfte. Die RZB gibt der Eurozone und den osteuropäischen Anleihen die größten Chancen. Im Gegensatz zum Vorquartal wird die empfohlene Laufzeit signifikant erhöht. Das Gewicht im Anleihensegment wird somit auf 40 Prozent (Benchmark 45 Prozent) angepasst, während der Anteil der Alternativen Investments unverändert bei Benchmark-neutralen 5 Prozent belassen wird.
 
zurück