Städtebund: Landesumlagen schnüren Städten die Luft ab  

erstellt am
13. 09. 06

Städte und Großgemeinden durch Landesumlagen zunehmend belastet - Belastungswelle bei Sozialem und Spitälern
Wien (rk) - Der Österreichische Städtebund spricht sich für Änderungen beim Transfersystem (Umlagen) auf Ebene der Gemeinden und Länder aus. Je nach Bundesland werden in zahlreichen Bereichen Transfers (Umlagen, Kostenbeiträge etc.) von Gemeinden zu den Ländern geleistet, dem stehen Bedarfszuweisungen der Länder für kommunale Projekte gegenüber. Die Lastenverschiebung von den Ländern hin zur vermehrten Heranziehung durch Städte und Gemeinden könne so nicht weiter hingenommen werden, so der Städtebund.

Kommunales Transferminus von 573 Mio. Euro
Insgesamt beträgt das Minus der österreichischen Städte und Gemeinden bei den Transfers mittlerweile 573 Millionen Euro (2004). "Hier ist vor allem die Belastung der größeren Städte einfach ungerecht. Die Städte alimentieren kleinere Kommunen, müssen aber durch ihre Zentralörtlichkeit ständig mehr Leistungen für die jeweilige Region erbringen. Und dann fehlt den Zentren das Geld für Investitionen zugunsten der eigenen Bürger", argumentierte heute, Mittwoch, Städtebund-Generalsekretär Erich Pramböck im Rahmen eines Pressegesprächs in Wien. Im Rahmen des Gesprächs wurde eine aktuelle Transferstudie des Instituts für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik der TU Wien und des KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung, die im Auftrag des Städtebundes 2004/2005 entstand, vorgestellt. Damit werden erstmals die Finanzströme und Transfers aller drei Gebietskörperschaften umfassend wissenschaftlich dargestellt.****

"Jede/r BürgerIn muss gleich viel wert sein"
Jede/r BürgerIn müsse schließlich gleich viel wert sein, so Pramböck, dieser Grundsatz werde durch das Umlagensystem derzeit völlig auf den Kopf gestellt. Derzeit seien die großen Städte und ihre Einwohner eindeutig "krasse Transferverlierer", während Kleingemeinden zu den Gewinnern des Umlagensystems gehören. "Städte mit über 10.000 Einwohnern kommen wirklich zum 'finanziellen Handkuss'. Dort wohnen (ohne Wien) 25% der österreichischen Bevölkerung, sie leisten allerdings sage und schreibe 62% der Transferleistungen im System", so Pramböck. Durch das Umlagensystem werde der abgestufte Bevölkerungsschlüssel im Finanzausgleich - der sicherstellen soll, dass größere Kommunen entsprechende Pro-Kopf-Anteile der gemeinschaftlichen Abgaben erhalten - weiter ausgehöhlt.

Kostenexplosion bei Sozialhilfe im weitesten Sinn
Besonders die Sozialhilfe im weitesten Sinn (also allgemeine Sozialhilfe, Behindertenhilfe, Pflege, Heime, Jugendwohlfahrt) macht den Städten Sorgen. "Die Belastungswelle in diesem Bereich rollt und rollt. Und die Belastung der Gemeinden stieg laut Studie 1995-2004 um ganze 152%! Die vom Bund überwiesenen Ertragsanteile stiegen allerdings nur um 26% an. Mittlerweile finanzieren Städte und Gemeinden hier 48% der Ausgaben mit. Durch die demografische Entwicklung und verstärkte Nachfrage nach Betreuungs- und Pflegediensten wird das Volumen weiter anschwellen", so Pramböck. Das sei allerdings aus den städtischen Haushalten auf Dauer nicht weiter tragbar. "Beim besten Willen: Weder aus den Ertragsanteilen noch aus den Gebühren sind derartige Steigerungen auf Dauer finanzierbar. Wer bei diesem System nicht rasch umsteuert, riskiert den Totalausfall der Städte als Investitionsmotoren", erklärte Pramböck. Die Kommunen bräuchten vor allem klare Mitspracherechte bei den Leistungsangeboten, gerade im Sozialbereich.

Nachstehend die Ergebnisse der Transferstudie im Detail:
* Transfervolumen in Höhe von 33 Mrd. Euro: Die Transferzahlungen
innerhalb des Staatssektors (gemäß ESVG 1995) betrugen im Jahr
2004 32,8 Mrd. Euro und machen damit etwa ein Drittel der
gesamten Abgabeneinnahmen inkl. Sozialbeiträge (94 Mrd. Euro)
aus. Der Großteil der Ströme bewegte sich vom Bund zu den
Ländern.
* Zentralisierungstendenz: Zwischen 1995 und 2004 stieg der Anteil
des Bundes am Abgabengesamtertrag von 67,5% auf 71,9%. Der
Anteil der Länder (ohne Wien) betrug 2004 9,8%. Der Anteil der
Städte und Gemeinden erreichte 2004 den Wert von 11,7%, 1995
hatte er noch 13,4% betragen. Die Bundeshauptstadt Wien (Land
und Gemeinde) kommt auf einen Wert von 6,6%. Der Wert für 1995
betrug 7,8%.
* Insgesamt 210.000 Transfers: Zwischen den Gebietskörperschaften
kommt es derzeit (2004) zu etwa 210.000 Transfers. Davon spielen
sich 130.000 Transfers innerhalb des öffentlichen Sektors ab.
70.000 Transfers dieser 130.000 Transfers werden zwischen
Städten/Gemeinden und der Landesebene getätigt.
* Transferlasten der Gemeinden machten 2004 minus 573 Mio. Euro
aus: Der Saldo aus den unterschiedlichen Zahlungsbewegungen
zwischen den Gemeinden und den übrigen Gebietskörperschaften
(fast durchwegs nur zwischen Gemeinden und Ländern) fällt für
die Kommunen stark negativ aus. Er hat sich von minus 191
Mio. Euro (1995) auf minus 573 Mio. Euro (2004) fast
verdreifacht. Wenn man berücksichtigt, dass etwa die
Bedarfszuweisungen der Länder an die Städte/Gemeinden
(Investitionsfinanzierungen für Projekte wie Bäder, Bauten etc.)
im Vorfeld als Vorwegabzüge von den Ertragsanteilen der
Gemeinden einbehalten und somit streng genommen nicht als
Zuflüsse gewertet werden können, ergibt sich sogar ein Saldo von
minus 637 Mio. Euro (1995) bzw. minus 1,150 Mrd. Euro (2004).
Das sind bereits mehr als 15% der Steuereinnahmen der Städte und
Gemeinden ohne Wien, die von den Kommunen abfließen.
* Städte alimentieren kleinere Kommunen: Im Durchschnitt aller
Gemeinden ohne Wien betrug der Pro-Kopf-Saldo unter
Berücksichtigung der Bedarfszuweisungen auf der Einnahmenseite -
jedoch ohne Berücksichtigung, dass es sich eigentlich um
Gemeindemittel handelt - minus 88 Euro pro Einwohner. Einem
knapp positiven intragovernmentalen Transfersaldo (2004) von
29 Euro pro Einwohner bei Gemeinden mit bis 2.500 Einwohnern
steht ein negativer Transfersaldo in Höhe von bis zu minus
240 Euro pro Einwohner der größeren Städte gegenüber.
   

* Aushöhlung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels: Das bedeutet,
dass das System der Transferzahlungen den abgestuften
Bevölkerungsschlüssel, der den umfangreicheren und
zentralörtlichen Aufgaben der größeren Städte im nationalen
Finanzausgleich Rechnung tragen soll, massiv aushöhlt. Kleinere
Gemeinden (bis 2.500 Einwohner) erhalten aus den Ertragsanteilen
545 Euro, große Städte (mit über 50.000 Einwohnern) 896 Euro.
Das Mehr für zentralörtliche und ballungsraumspezifische
Aufgaben von 351 Euro wird somit durch die unterschiedliche
Behandlung bei den Transferzahlungen (plus 29 Euro gegenüber
minus 240 Euro, gesamthaft somit minus 269 Euro) durch die
Länder zu drei Viertel "abgesaugt".
* Städte über 10.000 Einwohner kommen zum "Handkuss": In den
Städten mit über 10.000 Einwohnern leben 25% der Bevölkerung
Österreichs (ohne Wien). Sie tragen aber 62% aller
Transferlasten. D.h., dass sie für ihre kommunalen Aufgaben
deutlich weniger Finanzspielraum haben. Das wirkt sich als
eklatante "Wachstumsbremse" für städtische Investitionen aus.
* Minus für Gemeinden in allen Bundesländern mit Ausnahme des
Burgenlandes und der Steiermark: Bei den intragovermentalen
Netto-Transferlasten der Städte/Gemeinden kommt es zu
Unterschieden. Das liegt an den vielfältigen institutionellen
und rechtlichen Unterschieden der Aufgabenerfüllung bzw. der
Gemeindestrukturen. So weisen das Burgenland und die Steiermark
aufgrund der Vielzahl von Klein- und Kleinstgemeinden positive
Transfer-Salden auf. Sieht man sich jedoch im Burgenland die
einzige Stadt mit über 10.000 Einwohnern - die Landeshauptstadt
Eisenstadt - an, so stellt man fest, dass der Pro-Kopf-Saldo der
Transfers minus 169 Euro beträgt. Beispiel Steiermark: Hier kann
bei den Städten zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern (Leoben
und Kapfenberg) ein negativer Pro-Kopf-Saldo von minus 243 Euro
festgestellt werden. D.h., dass die städtischen Zentren
steigende Beträge transferieren müssen, während Umland-Gemeinden
als Transferempfänger als klare Gewinner aussteigen.
* Hohe Gemeindetransfers bei Sozialem und Krankenanstalten:
Transfereinnahmen werden von den Gemeinden vor allem in den
Bereichen Abwasser- und Abfallentsorgung sowie Bildung und
Straßenbau/Verkehr erzielt. Auf der Ausgabenseite werden
Transferzahlungen insbesondere im Bereich Soziale Wohlfahrt, und
zur Krankenhaus-Abgangsdeckung geleistet.
* Entwicklung im Sektor Soziales (Sozialhilfe), Pflichtschulen und
Krankenanstalten: Bei Betrachtung des Einnahmen-Ausgaben-Saldos
für die oben genannten Bereiche (siehe Tabelle unten) zeigt
sich, dass Städte und Gemeinden zwischen 1995 und 2004 einen
prozentuellen Anstieg der Netto-Belastung von 74% zu verzeichnen
haben. Bei den Ländern ist die Dynamik mit 54% geringer
ausgefallen. Dem gegenüber steht ein Abgabenwachstum in Ländern
und Gemeinden zwischen 1995 und 2004 von gerade einmal 26
Prozentpunkten.
* Kostenexplosion bei Sozialhilfe: Die Lasten der Gemeinden sind
vor allem im Bereich der Sozialhilfe enorm angestiegen (152%).
Der höhere Anstieg fand bei allen Städten und Gemeinden,
verstärkt in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich und
Oberösterreich, statt. Der Anteil der Gemeinden an den Netto
Lasten ist in diesem Zeitraum um 9 Prozentpunkte von rund 39%
auf 48% gestiegen. Der Anteil der Städte und Gemeinden an den
Netto-Lasten im Spitalsbereich lag im Betrachtungszeitraum 1995
2004 weitgehend konstant bei etwa 38-39%, jener im Bereich
Pflichtschulen (Gemeinden sind Pflichtschulerhalter) leicht
      steigend bei 61 bis 66%.

* Aufgabenbereich Sozialhilfe: Höchste Belastung für Kärntner
Kommunen, geringste in Tirol
Die Netto-Belastung (Einnahmen-Ausgaben-Saldo) aus der Funktion Sozialhilfe im weitesten Sinne schwankt von Bundesland zu Bundesland. Die Kärntner Städte und Gemeinden tragen mit 59,9% der Netto-Lasten den höchsten Anteil, in Tirol mit 38,1 % den geringsten Anteil. Im Durchschnitt der Städte und Gemeinden ohne Wien betrug der kommunale Anteil insgesamt 2004 etwa 48%.

Auf Gemeindeebene stehen (alle Werte für 2001) Einnahmen für "Sozialhilfe im weitesten Sinne" in Höhe von 270 Mio. Euro Ausgaben in Höhe von 1.026 Mio. Euro gegenüber.

* Aufgabenbereich Krankenanstalten (Stand 2001):
Spitalsstandorte müssen hohe Netto-Belastung verkraften

Der Aufgabenbereich "Krankenhaus (Abgangsdeckung)" umfasst die Finanzierung der Abgänge eigener Krankenanstalten der Städte und von Krankenanstalten anderer Rechtsträger. Die Krankenanstaltenfinanzierung erfolgt seit 1997 durch Landesfonds, in die Bund, Länder und Gemeinden sowie Sozialversicherungsträger einzahlen. Aufgaben und Umfang der Landeskrankenanstaltenfonds sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich: In Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark werden Finanzierungsbeiträge nicht über den Fonds, sondern über den Landeshaushalt abgewickelt.

Zahlreiche Gemeindespitäler finden sich in den Städten Niederösterreichs (Datengrundlage 2001; Übernahme zahlreicher Gemeindespitäler durch Land NÖ mit 1.1.2006; mit Stand September 2006 kommunal: Wiener Neustadt, Neunkirchen, Klosterneuburg, Korneuburg und Stockerau; die Spitäler Wiener Neustadt und Neunkirchen sollen bis 2008 in die Trägerschaft des Landes übergehen), in Salzburg (Mittersill, Zell am See, Hallein, Oberndorf, Tamsweg), in Oberösterreich (AKh Linz) und in Vorarlberg (Krankenhaus der Stadt Dornbirn und bis Dezember 2002 das Krankenhaus der Stadt Hohenems).

In Tirol gibt es Bezirkskrankenhäuser, die in Form von Gemeindeverbänden finanziert werden. In den Bundesländern Burgenland, Steiermark und Kärnten gibt es keine Gemeindespitäler.

Die Abgangsdeckung der Krankenanstalten richtet sich primär nach der Trägerschaft: Bei Landesspitälern erfolgt diese jedoch nur teilweise durch die Länder, da auch die Städte und Gemeinden Beiträge zahlen (im Burgenland 10% der Abgänge, in Oberösterreich 40%, in Salzburg 25%, in Vorarlberg 40%). Bei den kommunalen Spitälern erfolgt ebenso eine Teilung der Lasten der Betriebsübergänge zwischen Gemeinden und Land. Ein Rest wird von den Gemeinden oder Gemeindeverbänden als Träger finanziert.

Einnahmen und Ausgaben der Städte und Gemeinden betragen saldiert minus 530 Mio. Euro. Sie tragen damit etwa 38% der Netto- Lasten der Landes- und Gemeindeebene (minus 1.388 Mio. Euro in absoluten Zahlen).

Die Netto-Belastung der Kommunen (ohne Wien) beträgt im Durchschnitt minus 85 Euro pro Kopf. Gemeinden als Träger von Krankenanstalten weisen mit durchschnittlich minus 196 Euro pro Kopf die höchste Netto-Belastung auf.

Reformperspektiven aus Sicht des Städtebundes
* Aufgabenorientierte Kompetenzverteilung der
Gebietskörperschaften (klare Strukturen und Zuordnungen; z.B.
starke finanzielle Inanspruchnahme der Standortstädte bei
Fachhochschulen durch Landesebene, wiederkehrende Forderungen
der ÖBB nach Mitfinanzierung der Städte und Gemeinden für
Bahninfrastruktur etc.)
* Keine laufenden Kostenverschiebungen (schulische
Nachmittagsbetreuung belastet vor allem Städte als
Pflichtschulerhalter, da der Bund nur eine Lehrerstunde am
Nachmittag finanziert - der Rest muss von Gemeinden und Eltern
finanziert werden; Kosten für laufende Integrationsmaßnahmen auf
lokaler Ebene, KMU-Paket 2006 als Kostenfaktor auf kommunaler
Ebene)
* Reduktion der Dynamik der Transfers (um Transferwelle bei
Sozialhilfe und zunehmend im Segment der Altenpflege und
-betreuung zu begegnen)
* Mitspracherechte bei den Leistungsangeboten (insbesondere im
Segment Soziales)
* Verbreiterung der Bemessungsgrundlage (um eine gerechtere
Aufteilung der Belastung auf alle Kommunen zu erreichen, da das
derzeitige System vor allem Industriestädte benachteiligt, d.h.
      jede/r BürgerIn muss gleich viel wert sein)

Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von 250 Städten und größeren Gemeinden sowie Vertreter der österreichischen Städte im Rahmen der Finanzausgleichsgespräche zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden. (Schluss) stä

Informationen: http://www.staedtebund.gv.at/
 
zurück