Schutzfunktion für die österreichische Volksgruppe in Südtirol  

erstellt am
22. 09. 06

 Khol: Südtirol außenpolitisches Herzensanliegen der Österreicher
Rede des NR-Präsidenten zur Schutzfunktion im Wortlaut
Wien (övp-pd) - Im Nationalrat wurde am 21.09. ein Entschließungsantrag betreffend der Verankerung der Schutzfunktion für Südtirol in der zukünftigen österreichischen Verfassung mehrheitlich angenommen. Wir bringen die Rede, die Nationalratspräsident Dr. Andreas Khol im Rahmen der Debatte gehalten hat, im Wortlaut.

"Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass der Außenpolitische Ausschuss die Petition der Südtiroler Schützen, der Nordtiroler Schützen und der Osttiroler Schützen - unterstützt von 113 der 116 Bürgermeister Südtirols - in Behandlung genommen hat und heute dem Hohen Haus empfiehlt, dem Anliegen dieser Petition Rechnung zu tragen und die Schutzfunktion Österreichs für seine Südtiroler Landsleute bei einer Verfassungsreform in dieser Verfassung zu verankern. Ich halte das für wichtig, ich halte das für richtig. Und, Frau Kollegin Lunacek, es wäre wirklich eine Verhöhnung von hunderttausend Unterschriften gewesen, wenn wir heute nicht diese Petition behandeln würden, sondern sie in den Papierkorb geworfen hätten."

Anliegen Südtirol zu wichtig, um es in parteipolitischer Argumentationen herunterzuziehen
"Und ich sage noch etwas dazu: Bei jedem Schritt, den die Schützen in Ausübung ihres in unserer Verfassung gewährleisteten Petitionsrechtes unternommen haben, hat es Unruhe in Rom gegeben. Beim Einbringen hat es Unruhe gegeben, beim Beschließen im Unterausschuss, und auch die heutige Debatte wird mit großem Interesse verfolgt. Hätten wir, um diese Dinge bei uns in voller Souveränität behandeln zu können, den ganzen Weg noch einmal gehen sollen? Ich glaube, dass es richtig ist. Die Schützen haben die Petition vorgelegt. Alle drei Parteien, die heute hinter diesem Bericht stehen, haben schon im Österreich-Konvent diese Frage behandelt. Ich bin froh, dass der Abgeordnete Niederwieser, der Abgeordnete Wittauer und der Abgeordnete Spindelegger einen Entschließungsantrag vorgelegt haben, und ich bitte Sie, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Ich bitte auch die Grünen, Frau Lunacek, über ihren Schatten zu springen. Das Anliegen Südtirol ist ein viel zu wichtiges, um es in parteipolitischen Argumentationen herunterzuziehen."

Italien hat Schutzfunktion Österreichs immer beachtet
"Eines möchte ich Ihnen sagen: Die Argumentation, die Sie vorgebracht haben, dass das in Europa gar nicht notwendig wäre, ist eine sehr gefährliche Argumentation. Die italienische Regierung hat die Schutzfunktion Österreichs penibel beachtet, nie einen Zweifel daran gelassen, dass das Gruber-De Gasperi-Abkommen, dass die Streitbeilegungserklärung und auch das Allgemeine Völkerrecht von der Regierung beachtet wird, von der Regierung, wie sie derzeit in Italien regiert. Und es hat in den letzten Jahren mehrere Situationen gegeben - die italienische Verfassungsreform zum Beispiel -, in denen es Anschläge auf die Autonomie gegeben hat, als man eine allgemeine Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis für die Zentrale einrichten wollte. Wir haben interveniert, die Schutzfunktion hat gegriffen, und Italien hat immer darauf reagiert."

Schutzfunktion ist durch EU-Beitritt nicht obsolet geworden
"Das heißt also: Die Schutzfunktion ist keinesfalls durch unseren Beitritt in die Europäische Union obsolet geworden. Das ist die Argumentation ganz gewisser Rechtskreise in Italien - nicht der Mehrheit - und insbesondere des Franco Frattini, seinerzeit Justizminister, jetzt EU-Kommissar, der ein persönliches Südtirol- Trauma zu haben scheint, der immer wieder darauf hinweist: Im vereinten Europa sei Gruber-De Gasperi anachronistisch. Sie sagen das Gleiche. Ich sage Ihnen: Die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol ist nicht mehr und nicht weniger als das Gruber-De Gasperi-Abkommen, das Allgemeine Völkerrecht und die Streitbeilegung im Jahre 1992. Das alles wahrzunehmen, das ist die österreichische Schutzfunktion. Völkerrechtlich kommt durch unseren heutigen Beschluss kein Jota zur Schutzfunktion dazu oder von ihr weg. Es ändert sich im Völkerrecht nichts! Innerstaatlich aber schon, Frau Kollegin Lunacek, das möchte ich schon sagen."

Verfassungsreform ist Hauptprojekt
"Erstens: Ich glaube fest daran, dass die positiv denkenden Kräfte in diesem Haus auf der Grundlage des Berichts des Österreich-Konvents, den wir heute diskutiert haben, im nächsten Jahr wichtige Fortschritte bei der Verfassungsreform machen können und werden. Das ist ein Hauptprojekt, wie das Bundeskanzler Schüssel auch erklärt hat. Und wenn wir die Verfassung ändern, dann werden wir dem außenpolitischen Herzensanliegen der überwiegenden Anzahl der Österreicher Rechnung tragen und Südtirol, unserer österreichische Volksgruppe in Südtirol natürlich in dieser Verfassung gebührenden Raum einräumen. Und wir werden damit nicht nur diesen symbolischen Akt setzen, sondern dadurch die Ausübung der Schutzfunktion zu einer Verfassungspflicht jeglicher Regierung in Österreich machen. Eine Verfassungspflicht, und nicht mehr ein Ermessen der Außenpolitik. Das ist der große Unterschied, und dieser Unterschied ist für die Südtiroler wichtig und der Unterschied ist auch für mich wichtig."

Wir haben die Landeseinheit im vereinten Europa hergestellt
"Europa hat die Südtirol-Autonomie völlig unberührt gelassen in ihrem Rechtsbestand. Der ethnische Proporz besteht weiter und die Schutzfunktion Österreichs besteht weiter. Europa hat aber auch etwas Großartiges für Südtirol bewirkt: Wir haben die Landeseinheit im vereinten Europa hergestellt. Nordtirol, Südtirol, Osttirol, sie alle können wirtschaftlich, kulturell, sozial zusammenarbeiten. Die Brenner-Grenze ist unsichtbar geworden, sie existiert nur mehr in den Köpfen mancher. Wir sind wieder ein Tirol geworden. Mehr brauchen wir nicht. Im vereinten Europa gibt es keine Grenzänderungen, im vereinten Europa ist das alles nicht notwendig. Wenn jedoch einmal irgendjemand die Hand an die Autonomie legen würde, dann steht Österreich bereit, dann wird Österreich seine völkerrechtlichen Rechte ausüben, und wir im Parlament und auch die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes können jede österreichische Regierung an ihre Verfassungspflicht erinnern."

Österreich und Italien sind befreundete Länder
"Daher heute ein Dank an die Schützen, ein Dank an die Bürgermeister, die das unter Inkaufnahme nicht weniger Risken unterstützt haben, denn es hat ja der Präfekt ein Strafverfahren gegen alle Bürgermeister eröffnet. Es hat Vernehmungen gegeben. Die haben das riskiert, die Verfahren sind zum Glück eingestellt worden. Ich sage noch einmal: Österreich und Italien sind befreundete Länder. Wir haben keine offenen Probleme. Es ist unsere Souveränität, dem Herzensanliegen Südtirol in unserer Verfassung Rechnung zu tragen. Ich bitte Sie noch einmal: Stimmen Sie alle mit! Es ist ein wichtiges Zeichen an unsere Landsleute ladinischer und österreichischer Zunge auf der anderen Seite des Brenners. Es lebe das Land Tirol!"

 

Krist: SPÖ stimmt Verankerung in die Verfassung zu
Reheis: Schüssel hat mit Berlusconi-Wahlempfehlung dieser Initiative geschadet
Wien (sk) - "Die SPÖ erachtet eine Verankerung der Schutzfunktion für die österreichische Volksgruppe in Südtirol im Zuge der anstehenden Verfassungsreform für wichtig und stimmt daher diesem Entschließungsantrag zu", betonte SPÖ-Abgeordneter Hermann Krist am 21.09. im Nationalrat. SPÖ-Abgeordneter Gerhard Reheis bekräftigte, dass sich diese Schutzfunktion "nicht gegen die italienische Regierung Prodi, aber gegen Bestrebungen unter einer Regierung Berlusconi, die Autonomie in Südtirol aufweichen zu wollen, richtet". Reheis kritisierte, dass Kanzler Schüssel mit seiner Wahlempfehlung für Berlusconi "dieser Initiative geschadet hat".

Reheis betonte die hervorragende Beziehung zwischen Nord- und Südtirol und dass es gerade "für uns Tiroler wichtig ist, eine geistige Landeseinheit zu sehen", und der SPÖ-Abgeordnete begrüßte die Mehrparteieneinigung. Für die Sozialdemokratie ist auch die Beachtung der Schutzfunktion anderer Staaten wichtig und notwendig. Reheis kritisierte, dass "vor dem Auge der europäischen Öffentlichkeit die Minderheitsrechte der Kärntner Slowenen mit Füßen getreten werden".

Krist betonte, dass es für die SPÖ wichtig war "mit Ruhe, Weitblick und diplomatischem Gespür dieses sensible Thema zu behandeln". Mit diesem Entschließungsantrag "sind wir ohne Zweifel auf dem richtigen Weg". Für den SPÖ-Abgeordneten ist es wichtig, keinesfalls alte Gräben aufzureißen und dieses Thema verantwortungsvoll "auf Basis des Pariser Vertrags und im Geiste der Europaratskonvention zum Schutz nationaler Minderheiten zu behandeln ".
     
Bozen: LRin Kasslatter Mur in Wien
"Aufnahme der Südtirol-Schutzklausel ist Solidaritätsakt"
Bozen (lpa) - Vor Ort im Wiener Parlament war Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur am 21.09. bei der Debatte des Nationalrats zur Aufnahme einer Schutzbestimmung für Südtirol in die neue Verfassung, anwesend. Die Bereitschaft Österreichs Südtirol zu unterstützen sei ein Akt der Solidarität für die Südtiroler und habe sie sehr beeindruckt, sagte Kasslatter Mur, die in Wien an mehreren Kulturtreffen teilnimmt.

„Die Sitzung des Nationalrats zur Schutzklausel für Südtirol war beeindruckend, weil eine breite Mehrheit der Abgeordneten die Bereitschaft bekundet hat, die Schutzfunktion für Südtirol zu bestätigen“, freut sich Kasslatter Mur. Die jetzige Zeit, sei eine Zeit des Übergangs. Das europäische Haus sei noch nicht stabil genug, dass Südtirol die Unterstützung Österreichs bei politischer Schlechtwetterlage nicht gebrauchen würde, meint die Landesrätin. Kasslatter Mur bewertet die Entscheidung des österreichischen Nationalrats als Solidaritätsakt für die deutschsprachige Minderheit in Italien, für die sie dankbar sei.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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