Debatte über Verfassungskonvent  

erstellt am
21. 09. 06

 Hlavac: Verfassungskonvent hat nicht zu gewünschtem Ergebnis geführt
Notwendig, modernen Grundrechtskatalog zu verfassen
Wien (sk) - "Der Verfassungskonvent war ein sehr ehrgeiziges Ziel, hat aber nicht zu den Ergebnissen geführt, die man sich gewünscht hatte", betonte SPÖ-Integrationssprecherin Elisabeth Hlavac am 21.09. im Nationalrat. Natürlich müsse es Kompromisse geben, eine Verfassung könne nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit und Kompromissen beschlossen werden, und Hlavac kritisierte die "sehr einseitige Sichtweise der Bundesregierung". Die SPÖ war zu Kompromissen bereit, "von Regierungsseite erleben wir aber immer nur, dass etwas vorgegeben wird und wenn man nicht zustimmt ist man Total-Opposition". Als notwendig bezeichnete es Hlavac, einen modernen Grundrechtskatalog zu verfassen, denn der Bereich der Grundrechte "ist wichtig für die Qualität einer Gesellschaft, für den Rechtsstaat und die Sicherheit der einzelnen Menschen ihr Leben ohne Diskriminierung und Angst vor Diskriminierung leben zu können". Auch der Bereich der sozialen Sicherheit "ist in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt worden", strich Hlavac die Bedeutung der Aufnahme sozialer Grundrechte in den Katalog hervor.

Zur Frage der Volksgruppen und der Diskussion um die Kärntner Ortstafeln merkte Hlavac, die selbst einem Volksgruppenbeirat angehört, an, dass der damals vorgelegte Rechtsentwurf der Regierung "keine Rechtsdurchsetzungsgarantie beinhaltet hat und sich die Regierung geweigert hat, diese hinzuzufügen - daher konnten wir nicht zustimmen". Ein Kärntner Landeshauptmann, der nicht bereit sei, das Urteil des VfGH umzusetzen, wäre wohl auch nicht bereit gewesen, diesen Kompromiss durchzusetzen - "daher war es richtig, dass wir nicht zugestimmt haben, der Kärntner Landeshauptmann hätte die Rechte der Volksgruppen nicht sichergestellt - das ist eine betrübliche Tatsache".

Zum Thema Justiz meinte Hlavac, dass man sich angesichts der Ereignisse der letzten Tage im Fall Bawag auch die Frage stellen dürfe, warum alles so knapp vor der Wahl breit getreten werden, "die SPÖ lässt sich hier nicht den Mund verbieten und es muss möglich sein, den Bereich Justiz genauso zu kritisieren, wie jeden anderen - denn hier sind Dinge geschehen, die unfassbar sind", so Hlavac. Die SPÖ fordert in einem Entschließungsantrag einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt, der mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werde und unabsetzbar sei.

 

 Baumgartner-Gabitzer: Der Ö-Konvent hat gute Arbeit geleistet
ÖVP-Verfassungssprecherin bringt Entschließungsantrag ein
Wien (övp-pk) - Als intensive und wertvolle Zeit der Diskussion über das Verfassungsthema bezeichnete ÖVP-Verfassungssprecherin Ulrike Baumgartner-Gabitzer die 19monatige Arbeit des besonderen Ausschusses über den Österreich-Konvent und dankte allen Expertinnen und Experten für deren Mitarbeit und Unterstützung. "Auch wenn am Ende keine neue Verfassung steht, so haben wir doch einen sehr interessanten Bericht zu Stande gebracht", so Baumgartner-Gabitzer am 21.09. im Plenum des Nationalrates.

Der Konvent habe mit viel negativer Begleitmusik der Opposition begonnen. "Ich bin froh, dass der Konvent stattgefunden hat und gute Arbeit leisten konnte. Die geringe Konstruktivität der Opposition ist zwar bedauerlich, aber wir werden nicht müde, für eine Weiterentwicklung unserer Verfassung zu sorgen", kündigte Baumgartner-Gabitzer an.

Drei große Ziele der ÖVP nannte Baumgartner-Gabitzer, die sich allesamt am Wohl der Bürgerinnen und Bürger orientierten: Eine schlanke, verständliche und übersichtliche Verfassung, ein Grundrechtskatalog und eine neue Verwaltungsstruktur, die Doppelgleisigkeiten beseitigt und den Rechtsschutz verbessert.

"Beim Thema Verfassungsbereinigung wollten wir eine Verfassungsurkunde begleitet von wenigen Trabanten wie historische Gesetze. Mit der SPÖ sind wir einander nahe gekommen, ich hoffe auf einen Konsens in der nächsten Legislaturperiode", so die ÖVP-Abgeordnete. Unverständlich ist für Baumgartner-Gabitzer, warum die Opposition sich gegen eine Präambel ausgesprochen hat, in der die wichtigsten Grundsätze einer Verfassung festgeschrieben sind. "Das ist international üblich!" Die Ablehnung seitens der Opposition kann für Baumgartner-Gabitzer nur als "Justamentstandpunkt" gedeutet werden. Statt dessen wolle die SPÖ zahlreiche neue, unnötige Staatsaufgaben kreieren. "Dabei muss man sich stets fragen, wer dafür zahlt und warum sich der Staat in alle Angelegenheiten der Leute einmischt."

Bei den Grundrechten sei festzuhalten, dass die ÖVP selbstverständlich neben den wichtigen liberalen Grundrechten auch für soziale Grundrechte eintritt - wie etwa das Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder das Recht auf Bildung. Vollkommen unverständlich ist für die ÖVP-Verfassungssprecherin die Ablehnung der Einführung des Briefwahlrechtes durch die Opposition. "Das wäre endlich eine Weiterentwicklung der Teilnahme am demokratischen Geschehen auf internationalem Niveau und entspräche einem flexiblen, modernen Menschenbild. Aber leider gab es da keinerlei Bewegung seitens der Opposition."

Bei den Verwaltungsstrukturen wollte die ÖVP keine Experimente oder Aufblähungen, wie die SPÖ sich das vorstellte, sondern bei bewährten Einrichtungen wie den Bezirkshauptmannschaften bleiben. "Verwaltung muss funktionieren und schnell agieren können. Annäherung, aber (noch) keinen Konsens gab es bei der Einführung eines Bundesverwaltungsgerichtes bei Asylfragen. "Vielleicht ist das in der nächsten Legislaturperiode möglich", hofft Baumgarter-Gabitzer.

Abschließend brachte die ÖVP-Verfassungssprecherin einen Entschließungsantrag mit folgendem Wortlaut ein:

"Der Nationalrat begrüßt die bisherigen umfangreichen Arbeiten an einer Verfassungsreform, die vom Österreich-Konvent eingeleitet und vom Besonderen Ausschuss zur Beratung des Berichts des Österreich-Konvents weitergeführt wurden und ersucht in diesem Zusammenhang die Bundesregierung, die Arbeiten an einer zukünftigen modernen Bundesverfassung auf der Grundlage dieser Ergebnisse mit dem Ziel, ein übersichtliches und für die Bürger verständliches Verfassungswerk ohne die zahlreichen einzelnen Nebengesetze und Verfassungsbestimmungen zu schaffen, voranzutreiben.

  • Dabei sollen in einem umfassenden und zeitgemäßen Grundrechtskatalog auch die sozialen Grundrechte nach dem Vorbild der Europäischen Grundrechtscharta gewährleistet werden.
  • Die Einrichtung von Verwaltungsgerichten in den Ländern soll eine Beschleunigung der Verfahren sowie eine Verbesserung des Rechtsschutzes bewirken.
  • Eine zeitgemäße Aufgabenteilung soll sich an den Fähigkeiten der Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) orientieren. In diesem Zusammenhang soll die Rolle der Gesetzgebungsorgane überdacht werden.
  • Bei allgemeinen Wahlen soll künftig eine Briefwahl unter voller Wahrung der Grundsätze des freien, geheimen und persönlichen Wahlrechts ermöglicht werden.
  • Anstelle des bisher die Sicherheit Österreichs in der Verfassung abbildenden Prinzips der Umfassenden Landesverteidigung soll eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach dem neuen und moderneren Prinzip der umfassenden Sicherheitsvorsorge zur Gewährleistung der Sicherheit des Staates und seiner Bürger festgeschrieben werden."

 

Scheibner: "Wir wollen eine moderne zukunftsorientierte Verfassung"
SPÖ-"Njet" aus parteitaktischen Gründen
Wien (bzö) - "19 Monate sind wir im Verfassungskonvent mit Experten, mit Professoren, mit Verfassungsrechtler und Landespolitiker gesessen und es waren intensive Verhandlungen. Trotzdem kam wieder das "Njet" der SPÖ, da man gemeint hat, dies ist ein Regierungsprojekt und wenn das gut ausgeht, wäre das ein Erfolg der Regierung. Dies wollte die SPÖ eben nicht zu lassen", kritisierte der Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsklub-BZÖ Herbert Scheibner im Zuge der Parlamentsdebatte.

So habe man versucht, Argumente zu suchen, um dieses Projekt nicht erfolgreich abschließen zu können. "Gusenbauer hat schon im Oktober 2004 - mitten in den Verhandlungen - schon gewußt, daß dieser Konvent scheitern wird", meinte Scheibner.

Der Besondere Ausschuß, so Scheibner weiter, sei nur mehr eine Farce gewesen. Das sei nur mehr eine Zeitverschwendung gewesen. "Es wäre möglich gewesen, daß man zumindest in einer Teilnovelle die Dinge, auf die wir uns schon geeinigt hatten, auch umsetzen können. Das wäre kein Erfolg der Regierung, sondern ein Erfolg des Parlaments gewesen", betonte Scheibner.

Man sei nicht einmal in der Lage gewesen, eine Rechtsbereinigung vorzunehmen, die nach Jahren einer Großen Koalition entstanden sei. "Man hätte mit einem Schlag das Bereinigen können und auch in Zukunft dafür sorgen, daß dieser Mißbrauch in der österreichischen Bundesverfassung nicht möglich ist", so Scheibner.

"Ist es in einem Land noch zeitgemäß, das EU-Mitglied und neun Bundesländer habe, eben neun verschiedene Bauordnungen, neun verschiedene Sicherheitsbestimmungen, neun verschiedene Qualitätskriterien zu haben. Wir haben daher gesagt, Gesetzgebung beim Bund und die Vollziehung beim Land durch eine entsprechende Kontrolle durch die Landtage. Der Bundesrat als Teil der Gesetzgebung durch Landtagsabgeordnete besetzt und mit den entsprechenden Vetorechten ausgestattet. Das wäre eine sinnvolle zukunftsorientierte Weiterentwicklung unserer Kompetenzbestimmungen", erklärte Scheibner.

Kein Mensch habe das Neutralitätsgesetz abschaffen wollen, da habe es einen Konsens gegeben, daß wir das Neutralitätsgesetz entsprechend weiter verankert haben. "Nur die, die die Neutralität wirklich abgeschafft haben, war die SPÖ 1998 mit einer Verfassungsnovelle", stellte Scheibner fest. "Ich bedauere es wirklich, daß 19 Monate Arbeit nicht gefruchtet haben. Wir wollen aber eine moderne zukunftsorientierte Verfassung und dies hat nichts mit Parteipolitik, sondern nur was mit Staatspolitik zu tun". 
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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