EU-Verhandlungen mit der Türkei  

erstellt am
28. 09. 06

 Pirker: Türkeiverhandlungen bleiben offener Prozess
EP beschließt ausgewogenen Bericht mit notwendiger Kritik
Straßburg (övp-pd) - "Der heute vom Europäischen Parlament angenommene Türkei-Bericht ist ein faires und ausgewogenes Dokument. Es ist absolut notwendig, unsere Besorgnis über die nach wie vor ungelösten Probleme in der Türkei offen anzusprechen. Mit dieser Kritik steht das Europaparlament nicht allein da, auch der türkische Außenminister Gül hat erst vor wenigen Tagen die spürbare Verlangsamung der Reformprozesse zugegeben", sagte ÖVP-Europaparlamentarier Hubert Pirker am 27.09. in Strassburg. "In dieser Hinsicht ist es gerechtfertigter denn je, dass der Parlamentsbericht die Beitrittsverhandlungen als langdauernden Prozess mit offenem Ausgang bezeichnet, der nicht a priori und automatisch zu einem Beitritt führt", so Pirker, der sich mit der ÖVP-Delegation erfolgreich für eine Aufnahme dieses Passus in den Endbericht eingesetzt hatte.

Der Bericht des Europaparlaments listet vor allem die anhaltenden Mängel oder unzureichenden Fortschritte in den Gebieten der Meinungsfreiheit, der Religions- und Minderheitenrechte, der Beziehungen zwischen Zivilgesellschaft und Militär, den Frauenrechten oder den kulturellen Rechten auf. Das Europaparlament fordert die Türkei darüber hinaus auf, nach wie vor bestehende Defizite in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu beseitigen. Weitere Schwerpunkte des Berichts sind die Forderung an die Türkei, den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen sowie ihre Zypernpolitik den Anforderungen der Union anzupassen. "Die Türkei muss das Zusatzprotokoll zum Abkommen von Ankara umsetzen. Es kann nicht sein, dass die Türkei einen EU-Mitgliedstaat nach wie vor nicht anerkennt und sich weigert das Freihandelsabkommen im Bereich der Schifffahrt und dem Flugverkehr mit Zypern anzuwenden", betonte Pirker.

"Für das Europäische Parlament ist die Zeit vorschneller Versprechungen vorbei. Es wird keine Freifahrten mehr in die Union geben. Das Europäische Parlament muss und wird auf die Erfüllung aller Beitrittskriterien achten. Dabei steht vor allem auch die Aufnahmefähigkeit der Union ganz oben auf der Liste. Heute mehr denn je ist es notwendig, dass sich die Bürger Europas auf das Europaparlament als Vertretung ihrer Interessen verlassen können", sagte Pirker abschließend.

 

 Berger: SPÖ-Delegation stimmt mehrheitlich gegen Fortschrittsbericht zu Türkei
Kritik durchaus angebracht
Wien (sk) - "Die Delegation der SPÖ-Europaabgeordneten hat heute mehrheitlich gegen den Bericht von Camile Eurlings zum Stand der Fortschritte der Türkei auf dem Weg in die EU gestimmt. Auch wenn der Bericht viele wichtige Feststellungen und kritische Anmerkungen zur Lage in der Türkei enthält, wird im Bericht weiterhin am Ziel einer EU-Mitgliedschaft der Türkei festgehalten. Damit konnten wir uns nicht einverstanden erklären", so die Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten Maria Berger in Strassburg.

"Wir erkennen an, dass die Türkei ein wichtiger Partner bei den Beziehungen zwischen Europa und dem Nahen Osten ist. Der Bericht zeigt aber auch, dass der Reformeifer, besonders in den wichtigen Bereichen Menschenrechte und Meinungsfreiheit stark nachgelassen hat. Kritik ist also durchaus angebracht", so Berger.

Zufrieden zeigt sich Berger mit dem Umstand, dass die Anerkennung des Genozids an Armenien durch die Türkei nun nicht, wie in dem Bericht gefordert, Vorbedingung für einen eventuellen Beitritt sein darf. "Es ist wichtig, dass sich die Türkei mit ihrer Geschichte beschäftigt. Nun allerdings neue Forderungen auf den Tisch zu legen, ist kontraproduktiv", meint die Europaabgeordnete abschließend.

 

 Mölzer: Chance für Abbruch der EU-Türkei-Verhandlungen
Äußerst Türkei-kritische Debatte im EU-Parlament und negativer Fortschrittsbericht
Wien (fpd) - "Der am Mittwoch im EU-Parlament abzustimmende Bericht Eurlings befaßt sich äußerst kritisch mit dem Fortschritt der Reformen in der Türkei", erklärt der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer. "In der Debatte zum Bericht zeigten sich Abgeordnete aus allen Fraktionen mehr als skeptisch zur Europareife der Türkei. Insbesondere wird neben der fehlenden Anerkennung Zyperns die Weigerung Ankaras, sich zur Schuld am Genozid an den Armeniern zu bekennen, als Hindernis für einen EU-Beitritt gesehen. Auch die nach wie vor bestehende menschenrechtswidrige Behandlung des kurdischen Volkes, die anhaltende Verletzung der Meinungs- und Kunstfreiheit, der abnehmende Reformeifer, sowie die zunehmende Islamisierung, sorgen für steigendes Unbehagen", berichtet der freiheitliche EU-Mandatar weiter.

Mölzer fordert daher gemeinsam mit anderen EU-Abgeordneten den raschen Abbruch der Beitrittsverhandlungen. Überdies nehmen auch die antieuropäischen Kräfte in der Türkei zu. Damit die fortschrittlichen Kräfte des kleinasiatischen Landes weiterhin pro-westlich arbeiten können, fordert Andreas Mölzer jede Unterstützung für diese Reformkräfte, aber ein klares "Nein" zum EU-Beitritt der Türkei.

 

 Lunacek: Österreich darf bei umstrittenem türkischen Ilisu-Staudammprojekt nicht vorpreschen
Wien (grüne) - "Bereits morgen Donnerstag soll der Beirat für Ausfuhrförderung entscheiden, ob eine staatliche Garantie für das umstrittene türkische Ilisu-Projekt vergeben wird," kritisiert Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen, denn "bis dahin werden wichtige Fragen nicht geklärt sein. Etwa die Frage, wohin die betroffenen Menschen im Staudamm-Gebiet umgesiedelt werden, oder die möglichen Wasserkonflikte mit den Anrainerstaaten Syrien und Irak."

Die Exportkreditagenturen Deutschlands und der Schweiz wollen vor ihrer Entscheidung noch einen einwöchigen Workshop in der Türkei Anfang Oktober abwarten. Auch der österreichische Finanzminister sollte sich die Argumente der zahlreichen KraftwerksgegnerInnen zuerst genau anhören, bevor im Beirat die Entscheidung fällt, fordert Lunacek. "Die Entscheidung des Beirates sollte vertagt werden. Und Finanzminister Grasser, der die Entscheidung für oder gegen die Erteilung einer Staatsgarantie letztendlich fällen und verantworten wird, darf einer Garantievergabe erst zustimmen, wenn wirklich alle strittigen Punkte geklärt sind", fordert Lunacek.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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