EU-Feinstaubrichtlinie  

erstellt am
27. 09. 06

 Lichtenberger: Kritik am EP-Freifahrtschein für Luftverschmutzer
Konservativ-liberaler Kniefall vor Interessen der Industrie
Wien (grüne) - "Statt sich für Umwelt- und Gesundheitsschutz in Europa stark zu machen, weicht die Mehrheit der Europa-Parlamentarier die bestehende Luftqualitätsgesetzgebung auf. Das EP hat heute den Regionen und Kommunen einen Quasi-Freifahrtschein für weitere sechs Jahre Nichtstun ausgestellt. Das Abstimmungsergebnis des EP (vor allem der Konservativen und Liberalen) zur EU-Feinstaubrichtlinie ist mehr als enttäuschend", reagiert Eva Lichtenberger, Europaabgeordnete der Grünen, auf die Abstimmung im Europaparlament am 26.09.

"Das Ergebnis ist eine inakzeptable Aushöhlung der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Feinstaubrichtlinie. Dies ist angesichts der unleugbaren Zusammenhänge zwischen schwerwiegenden Gesundheitsschäden und Feinstaubbelastung skandalös. Nur mit einer ehrgeizigen Luftreinhaltepolitik können in der EU jährlich rund 350.000 durch Feinstaub hervorgerufene vorzeitige Todesfälle vermieden werden", so Lichtenberger. Es ist verheerend, dass das EP den Weg für einen Fristaufschub für die Einhaltung der Grenzwerte geebnet hat und damit die von der EU-Kommission vorgesehene Ausnahme zur Regel machen will. Mit der Ausdehnung der "Schonzeit" fällt das EP sogar hinter die Forderung der Mitgliedstaaten zurück, die schon im Juni eine Übergangsfrist von drei Jahren für ausreichend hielten.

Künftig sollen 55 statt bisher 35 jährliche Überschreitungen des Tagesmittelwertes für PM10 zugelassen sein. Damit wird auch die gleichzeitige Verschärfung des PM10-Jahresgrenzwerts ad absurdum geführt. Dies entzieht vielen dringend notwendigen Maßnahmen gegen die Feinstaubbelastung den Boden. Die Verschärfung des Grenzwerts für ultrafeine Stäube (PM 2,5) gegenüber dem Vorschlag der Kommission ist zwar zu begrüßen. Doch ist der Wert mit 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bei weitem nicht ehrgeizig genug. Zudem soll er erst ab 2015 verbindlich sein.

Das Abstimmungsergebnis ist de-facto ein Kniefall vor den wenig ambitionierten und kurzsichtigen Interessen der Industrie. Dabei können nur ehrgeizige politische Vorgaben die erforderlichen Umweltinnovationen in der Industrie anstoßen, damit Arbeitsplätze und ihre Zukunftsfähigkeit sichern.

Wir fordern deswegen Rat und Kommission auf, bei ihren strengeren Vorschlägen zu bleiben, damit die EU ihre Vorreiterrolle im Umweltschutz nicht verspielt.

 

 Seeber: Saubere und gesunde Luft ist ein zentrales Anliegen für alle Bürger Europas
Nachhaltige Ansätze statt kurzfristigem Aktionismus - ÖVP-Delegation lehnt Parlamentsvorschlag zur Luftreinhaltung weitgehend ab
Straßburg (övp-pd) - "Saubere und damit gesunde Luft ist ein zentrales Anliegen für alle Bürger Europas. Die Luftreinhalte-Richtlinie der EU soll hier spürbare Verbesserungen bringen. Wenn Europa hier nicht engagiert handelt, wären die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgekosten um ein Vielfaches höher als die Implementierungskosten einer strengen und von uns gewünschten Richtlinie", sagte der Umweltsprecher der ÖVP-Delegation im Europäischen Parlament, Richard Seeber. "Die ÖVP-Delegation hat daher bei der heutigen Abstimmung in erster Lesung zu einem Großteil gegen die von der Berichterstatterin vorgelegten Kompromissanträge gestimmt. Wir sind gegen einen kurzfristigen Aktionismus in Umweltfragen und unterstützen daher die von Umweltminister Pröll auf Ratsebene vertretene nachhaltigere und strengere Linie", so Seeber.

Das Ziel der Richtlinie müsse es sein, langfristig in Europa auf eine nachhaltige Luftverbesserung und eine Absenkung der Feinstaubwerte hinzuarbeiten. "Europa muss hier eine Vorreiterrolle übernehmen. Der dem Plenum des Parlaments heute vorgelegte Kompromiss hätte jedoch auf eine Aufweichung bereits bestehender Grenzwerte abgezielt. Das ist für uns nicht akzeptabel", betonte Seeber. Als weiteren Kritikpunkt am Bericht des Umweltausschusses nannte Seeber die komplizierte Administrierbarkeit der vorgeschlagenen Regelungen: "Hier sind wir vom Grundansatz einer 'better regulation' weit weg."

Drittens wären mit den Vorschlägen der Berichterstatterin den Regionen und Gemeinden die Möglichkeiten genommen, selbst konkrete Schutzmassnahmen für ihre Bürger zu treffen: "Das widerspricht völlig dem Subsidiaritätsprinzip. Es kann nicht angehen, dass beispielsweise verkehrsbegründete Fahrverbote in Tirol fallen müssten, weil eine EU-Richtlinie dafür keine Handhabe mehr bietet", so der Tiroler Europaparlamentarier. Abschließend betonte Seeber, dass die von der ÖVP-Delegation unterstützte Position des Rates auch für die Wirtschaft keine Standortgefährdung bedeute: "Wirtschaft kann nur dort möglich sein und florieren, wo es gesunde Arbeitnehmer gibt. Wir müssen eine Abwärtsspirale in gesundheits- und umweltpolitischen Fragen vermeiden", sagte Seeber abschließend.

 

 Scheele: Ambitionierte Grenzwerte sind wichtig
Erstmals Grenzwerte für Feinstaub mit einer Größe von 2,5 Mikrometer
Wien (sk) - Die in erster Lesung abgestimmte Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa fasst die bestehenden Rechtsvorschriften in diesem Bereich zusammen. Bereits vorhandene Grenzwerte für Schadstoffe werden übernommen. Die neue Richtlinie legt erstmals Grenzwerte für Feinstaub PM 2,5 (Feinstaub mit einer Größe von 2,5 Mikrometer) fest. Das Europäische Parlament fordert einen Grenzwert von 20 Mikrogramm/m3 ab 2015. Die WHO empfiehlt hingegen einen Grenzwert von 10 Mikrogramm. "Eine Forderung, die ich unterstütze, die aber leider keine Mehrheit im Europäischen Parlament bekommen hat", so die SPÖ Europaabgeordnete Karin Scheele.

"Feinstaub führt zu enormen Belastungen bei der Bevölkerung. Die Krankheitsbilder, die durch die Belastung entstehen, reichen von Husten, Bronchitis, Asthma, Verschlechterung der Lungenfunktion und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu erhöhter Lungenkrebsgefahr. Daher ist es höchste Zeit, hier konkrete Maßnahmen zu setzen", fordert Scheele.

Bei den größeren Partikeln PM 10 gilt derzeit ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter. Dieser soll nach dem Europäischen Parlament auf 33 Mikrogramm ab 2010 gesenkt werden.

Als einer der Hauptverursacher für die Feinstaubbelastung gilt immer noch der Verkehr. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes haben 2003 in Österreich PKW 1.910 t, LKW 2960 t und so genannte Off-Roader, also Traktoren und Baumaschinen, 3300 t Feinstaub ausgestoßen. "Wie es funktionieren könnte, zeigt das Beispiel Schweiz", so Scheele. "Seit 2002 regelt die Schweiz in vorbildlicher Weise gefährlichen Feinstaub und baubedingten Schwebestaub. Hier sind Partikelfiltersysteme für Bagger, Bulldozer und Baugeräte mit Dieselantrieb verpflichtend", erklärt die Europaabgeordnete.

Im Europäischen Parlament steht als nächstes die Verordnung über die EURO 5 Normen an. "Dieser Bericht, der im Oktober im Plenum abgestimmt werden wird, soll die Abgasnormen für Verbrennungsmotoren regeln. Dies wird ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu besserer Luftqualität in Europa", so Scheele abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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