Noch keine Bewegung  

erstellt am
09. 10. 06
19:00 Uhr

Wien (öj) - Eine Woche nach der Nationalratswahl hat es noch keinerlei Schritte in Richtung Regierungsbildung gegeben. Das liegt auch daran, daß durch das Wahlergebnis selbst eine gewisse Patt-Situation entstanden ist.

Wie wir berichtet haben, ist es den beiden großen Parteien ÖVP und SPÖ nicht gelungen, so viele Stimmen auf sich zu vereinen, um eine "Wunsch-Koalition" eingehen zu können: SPÖ und Grüne kommen gemeinsam auf 46,2 Prozent, ÖVP und BZÖ kommen auf nur 38,42. Mit der FPÖ, die mit 11,21 Prozent aus der Wahl hervorging, könnten - allerdings nur rein theoretisch - SPÖ und Grüne eine Mehrheit erlangen. Doch beide lehnen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ entschieden ab. Für eine Mitte-Rechts-Koalition, also ÖVP, BZÖ und FPÖ, reicht es ganz knapp nicht (49,63 Prozent). Hier wird, zumindest auf Seiten der ÖVP, nicht laut darüber nachgedacht, während der BZÖ-Chef von Kärnten, Jörg Haider, verlauten ließ, daß das sogenannte "dritte Lager" wieder zusammenfinden könnte. Heinz-Christian Strache, Obmann der FPÖ, schließt dies aber, so wie seine führenden Parteifunktionäre, definitiv aus, steht aber auf dem Standpunkt, er wäre schon bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen, werde aber "von den anderen ausgegrenzt". Was er als bedenklich undemokratisch bezeichnet. Seine Forderungen, vor allem in Fragen Ausländer und EU-Politik, sind aber für die anderen vier Parteien nicht diskutabel.

So reduzierten sich die Koalitionsvarianten auf eine einzige, nämlich auf die Große Koalitionsregierung. Nun könnte man meinen, es sollte doch möglich sein, daß zwei bürgerliche Großparteien zueinanderfinden, noch dazu, wo dies - bis zum November 1999 - Praxis war in unserem Land. Doch waren die Töne zwischen ÖVP und SPÖ dermaßen rauh, daß die Parteibasis, so scheint es, mit der jeweils anderen Partei gar nicht mehr will.

Die SPÖ hat es, in Siegerlaune, wohl mit ihren Forderungen an einzig möglichen Partner ÖVP wohl etwas zu weit getrieben: Pensionsreform, Steuerreform, Studiengebühren u.a. sollten jedenfalls rückgängig gemacht, zum Abfangjäger-Vertrag soll ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß eingerichtet werden; darüberhinaus ist man davon ausgegangen, auch alle anderen, eigenen Wahlversprechen einzuhalten.

Die ÖVP hat sich ihrerseits sehr stark zurückgenommen, was nicht nur an den täglichen Statements aus der Parteizentrale zu messen ist. Dort und da gibt es Interviews im ORF oder in Tageszeitungen, wo etwa Klubobmann Wilhelm Molterer in Richtung SP-Pendent Josef Cap meint, die SPÖ tue so, als ob sie die absolute Mehrheit gemacht hätte; Oberösterreichs VP-Landeshauptmann Josef Pühringer stellte fest, die ÖVP habe keine Lust auf "100 Prozent Sozialismus" und warnte die SPÖ vor Absolutforderungen.

In den letzten Tagen hat man in der SPÖ wahrgenommen, daß es unter diesen Voraussetzungen zu keinen zielführenden Sondierungsgesprächen kommen kann und hat sich auf eine Position zurückgenommen, in der praktisch keine Forderung mehr ultimativ gestellt werden soll. Was von Seiten der ÖVP noch nicht wirklich eindeutig kommentiert wurde.

Bundespräsident Heinz Fischer hat bereits vor Tagen erklärt, er würde sich eine rasche Regierungsbildung erwarten. Da aber das Ergebnis der Wahlkartenauszählung noch Änderungen im Gesamtergebnis erwarten lassen, hat er SP-Chef Alfred Gusenbauer noch nicht mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Denn, auch wenn es praktisch auszuschließen ist, wäre es zumindest theoretisch möglich gewesen, daß das BZÖ die für den Einzug ins Parlament nötigen 4 Prozent der Stimmen nur knapp verfehlt. Dann wären die Mandate den vier Parteien völlig neu zugerechnet worden, was wiederum eine SPÖ-Grüne-Mehrheit hätte ergeben können. Auch wenn das - mit Sicherheit - nur Spekulation ist, ist aber eindeutig möglich, daß die Grünen durch die Wahlkartenwähler gestärkt werden und so vom BZÖ ein Mandat erhielten. Das wiederum würde bedeuten, daß die Grünen die FPÖ vom derzeitigen Platz drei verdrängen und dadurch die/den dritten Nationalratspräsidenten/in und einen Volksanwalt stellen und auch um einiges mehr an staatlicher Parteienförderung erhalten könnten.

Es ist ein wenig eigen, sich wenige Stunden vor der Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses in Spekulationen zu ergehen. Doch das hier zusammengefaßte spiegelt die momentane Situation wider. Die aktuelle Entwicklung, erfahren Sie, wie immer, täglich unter http://www.oe-journal.at/index_nachrichten.htm - und ganz detailliert, mit Analysen, Tabellen usw. in unserem nächsten "Österreich Journal" pdf-Magazin Ausgabe 41. Die steht Ihnen ab Montag, 16.10., abends zum Download zur Verfügung. (mm)
 
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