Grenzenlos - Zeitenlos Klöster im Herzen Europas  

erstellt am
16. 10. 06

20. Oktober bis 12. Jänner 2006 im Ringturm
Wien (städtische) - Die Veranstaltungsreihe "Architektur im Ringturm" präsentiert Klöster aus Mitteleuropa (Österreich, Tschechien, Polen, Slowakei, Ungarn, Slowenien). Die Ausstellung versteht sich als Beitrag zu einer Weitung der Sicht auf die gemeinsame Geschichte und Kultur Mitteleuropas. Sie vermittelt anhand zahlreicher Fotos von Prof. Gerhard Trumler und einer einfühlsamen historischen Begleitung die Faszination der Grenzenlosigkeit und Zeitenlosigkeit der mitteleuropäischen Klosterwelt. An der Architektur und künstlerischen Ausstattung gerade der Klöster wird dieses grenzenlose Europa sichtbar. Künstler wie Auftraggeber agierten international - somit sind die Klosterbauten auch Zeugnisse einer großen grenzenlosen Kunstlandschaft.

Die mitteleuropäische Klosterwelt kann mit einem Netz verglichen werden, das sich über den gesamten Raum erstreckt, ohne Staats- und Landesgrenzen zu unterbrechen - vielmehr werden die nationalen Grenzen durch dieses Netz überdeckt. Beeinflusst von den jeweils herrschenden Umständen war dieses Netz stets starken Veränderungen unterworfen. Unbeschadet aller politischen Entwicklungen hat es die Jahrhunderte in immer anderer Form überdauert, seine Grundstruktur jedoch niemals verloren. Zwar sind immer wieder Klöster aufgelassen worden oder aus einem anderen Grund abgekommen, dafür wurden aber neue gegründet; und bestimmte Häuser können heute überhaupt auf eine mehr als tausend Jahre zurückreichende Geschichte verweisen. Dadurch werden die Klöster zu wahren Symbolen für Grenzenlosigkeit und Zeitenlosigkeit.

Die Klöster haben die Entwicklung von Religion, Politik und Kultur in der Geschichte Mitteleuropas wesentlich mitgeprägt. Sie sind immer schon Institutionen gewesen, die relativ unabhängig von Staats- und Landesgrenzen gedacht und agiert haben. Dieser Umstand kam schließlich in vielfacher Form - kulturell, geistig und wirtschaftlich - zum Ausdruck. Am eindrucksvollsten zeigt sich dies an den heute vielfach noch erhaltenen Bauwerken, die von internationalen Künstlern ausgestattet wurden. Durch die Präsentation von Bauwerken unterschiedlicher Orden aus verschiedenen Ländern nebeneinander wird es möglich, kunsthistorische Zusammenhänge visuell leicht erfahrbar zu machen.

Der Fotograf Gerhard Trumler hat sich die letzten zwei Jahre auf die Reise durch die Nachbarländer Österreichs gemacht und die Faszination der Grenzenlosigkeit und Zeitenlosigkeit der mitteleuropäischen Klosterwelt in eindrucksvollen Bildern eingefangen. Gezeigt werden Aufnahmen von in Österreich vielfach noch unbekannten Klosterbauten, die jedoch in Ausmaß und Ausstattung durchaus mit den großen österreichischen Stiften verglichen werden können. Die Ausstellung öffnet somit das Tor in eine oft noch unbekannte Welt, die wieder entdeckt werden will: seien es die großen schlesischen Zisterzienserstifte, wie etwa Lubiaz mit der längsten Klosterfassade Europas (242 m), oder die imposante Kirche des aufgelassenen Benediktinerstiftes Kladruby in Böhmen, die im Zeitalter des Barock gotisch gestaltet wurde, oder das ungarische Nationalheiligtum der Erzabtei von Pannonhalma bei Gyõr.


Thematische Schwerpunkte
Ein Schwerpunkt ist den Anfängen des Klosterwesens der Benediktiner in Böhmen und Ungarn gewidmet. Geprägt wurden diese von der Gestalt des hl. Erzbischofs Adalbert von Prag, der wesentlich an der Gründung der Abteien von Brevnov in Böhmen und Pannonhalma in Ungarn beteiligt war. Von diesen beiden ging die Gründung sämtlicher weiterer Klöster in den böhmischen Ländern und Ungarn aus; auch heute noch sind sie Zentren des benediktinischen Mönchtums dieser Bereiche.

Ende des 11. Jahrhunderts entstanden neue Reformorden wie Zisterzienser und Prämonstratenser. Sie schufen erstmals internationale, grenzübergreifende Strukturen, die intensive kulturelle, geistliche und wirtschaftliche Beziehungen der Klöster untereinander zur Folge hatten. Dem entsprechend eng sind die architektonischen Bezüge der Zisterzienserbauten dieser Zeit zueinander. Deutlich wird dies etwa an der Bedeutung Strahovs in Böhmen für die Verbreitung der Prämonstratenser in Böhmen, Mähren und Niederösterreich, oder von Heiligenkreuz für die Zisterzienser in Niederösterreich und Ungarn. Man könnte diese Orden durchaus als erste große internationale "Konzerne" sehen. In der Ausstellung werden zahlreiche Klöster dieser Orden in ihrer Beziehung zu einander gezeigt. Dabei kann man richtige kleine Schätze entdecken, wie etwa ein steinernes, romanisches Lesepult aus dem frühen 13. Jahrhundert aus Osek in Nordböhmen.

Die Zisterzienser waren auch für die Besiedelung und Kolonialisierung Europas von großer Bedeutung. Als Beispiel werden die schlesischen Klöster des Ordens gezeigt, deren eindrucksvolle Gebäude heute noch erhalten sind. Besonders imposant ist eine Aufnahme des Kircheninneren von Lubiaz, das nach 1945 seiner prächtigen barocken Ausstattung beraubt wurde und heute ganz leer steht. Ein besonderer Reiz entsteht durch die Gegenüberstellung von Bildern der Zeit davor noch mit der vollen Ausstattung, unter anderem dem berühmten Chorgestühl, das vom Wiener Bildhauer Matthias Steinl geschaffen wurde. Dieses ist auch ein Beispiel dafür, wie international auch die Kunstszene bereits im Mittelalter und der frühen Neuzeit agierte.

Ebenfalls im ausgehenden 11. Jahrhundert entstand der sehr beschaulich lebende Orden der Kartäuser. Dieser hatte die Verbindung von Einsiedlertum und Gemeinschaftsleben zum Ziel, was auch in der Architektur ihrer Klöster, sog. "Kartausen", zum Ausdruck kommt. Es handelt sich nicht um geschlossene Baukomplexe, sondern um einzelne Einsiedlerhäuschen, die durch einen Gang mit der Kirche verbunden sind. Dadurch kann jeder Mönch sein einsames Leben führen und sich mit den anderen in der Kirche zum Gebet treffen. Zu den eindrucksvollsten noch erhaltenen Klöstern dieser Art gehört die Kartause Gaming in Niederösterreich, oder die Ruinen der ältesten Kartause des hl. Römischen Reiches, in Zice in Slowenien.

Etwas im Kontrast dazu stehen die Bauten der Bettelorden, die aus dem Gegensatz zum Reichtum der Kirche ab dem 13. Jahrhundert entstanden sind. Deren Bauten waren zweckmäßig und entsprechend ihrer umfangreichen Predigttätigkeit für große Volksmassen konzipiert. Als Beispiele sind u. a. zu sehen einer der schönsten mittelalterlichen Innenräume Ungarns, der Kapitelsaal der Franziskaner in Sopron aus dem 14. Jahrhundert, sowie die Kirche der Dominikaner in Ptuj in Slowenien.

Im Spätmittelalter ergab sich bei Benediktinern und Augustiner-Chorherren ein akuter Reformbedarf durch diverse Missstände in deren Klöstern. Stellvertretend für die großen daraus entstandenen Reformbewegungen stehen Roudnice in Böhmen, Krakau in Polen und Klosterneuburg in Niederösterreich. Von Roudnice gingen im 15. Jahrhundert wesentliche Impulse zur Reformierung Klosterneuburgs und der Gründung von österreichischen Klöstern wie Dürnstein aus.

Wie wenig Grenzen bedeutsam waren, zeigt sich besonders deutlich an der Rolle böhmisch-mährischer, schlesischer und österreichischer Klöster bei der Wiederbesiedelung ungarischer Abteien im 18. Jahrhundert. Hier waren im 16. Jahrhundert alle Klöster im Gefolge der Auseinandersetzungen zwischen Habsburgern und Osmanen abgekommen. Nach deren Zurückdrängung und der Rückeroberung Ungarns entstanden nun mit fremder Hilfe zahlreiche Klöster wieder. Csorna bei Gyõr beispielsweise wurde zuerst durch das niederösterreichische Pernegg und wenig später vom mährischen Hradisko wieder aufgebaut. Besonders eindrucksvoll sind Aufnahmen aus der romanischen Krypta von Louka bei Znojmo in Mähren, kaum eine Stunde von Wien entfernt. Nicht fehlen darf natürlich die repräsentative Rolle, die viele Klöster im Zeitalter des Barock spielten. Kaiserzimmer in Klosterneuburg, der Fürstensaal in Lubi¹¿ in Polen und auch die berühmte Aula Leopoldina in Wroc³aw in Polen manifestieren gleichsam ihre Verbindung zum Herrscherhaus.

Ausstellung: Alle vorkommenden Klöster werden geschichtlich und kunsthistorisch vorgestellt, ergänzende Karten ermöglichen die einfache Orientierung über ihre heutige Lage. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, über Computerterminals auf ein virtuelles Archiv der mitteleuropäischen Klöster zuzugreifen. Hoch aufgelöste Aufnahmen von öffentlich nicht zugänglichen Urkunden wie der Gründungsurkunden von Göttweig (1083), Brevnov/CZ (993) oder Pannonhalma/H (996), insgesamt 20.000 Stück, können so besichtigt werden und beliebige Zusammenhänge selbst recherchiert werden.

Katalog: Joachim Angerer, Thomas Aigner, Gerhard Trumler: Klöster im Herzen Europas. Grenzenlos- Zeitenlos (Wien 2006, Verlag Christian Brandstetter); Preis: Euro 49,90.-

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 9.00 bis 18.00 Uhr, freier Eintritt (an Feiertagen geschlossen)
 
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