"Kurz davor ist es passiert" u.a.  

erstellt am
18. 10. 06

Wien (öj/mg) - Am 17.10. wurde bei der Viennale der Dokumentarfilm von Anja Salomonowitz "Kurz davor ist es passiert" (A, 2006) als Uraufführung präsentiert. Wie die Autorin berichtet, wurde er gerade noch zwei Stunden vor der Vorstellung fertig; Salomonowitz thematisiert das Problem des Frauenhandels und der modernen Form von Sklaverei. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein LEFÖ- Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen, wodurch reale Lebensgeschichten von misshandelten Frauen aufgegriffen werden konnten, und in einem Verfremdungseffekt Person von Menschen aus verschiedenen Milieus erzählt werden, die auf Grund ihres Berufes mit ähnlichen Schicksalen konfrontiert werden könnten, sei es ein Zollbeamter, ein Bordellbesitzer, eine Konsulin. Um aber den Zuschauer zu irritieren werden diese Geschichten in der ersten Person erzählt, wir wissen genau dass eine Frau im Markenkostüm das Erzählte nicht erlebt hat und dadurch können wir uns eine Parallelgeschichte vorstellen. Salomonowitz wollte durch diesen Bruch einen zweiten Film im Hintergrund laufen lassen, der mit den Bildern auf der Leinwand im völligen Gegensatz steht. Einen ähnlichen Effekt hat Patric Chiha in dem schon erwähnten Film "Home" angewendet, allerdings geht Salomonowitz in dieser Nachstellung, dem Reenactment, noch einen Schritt weiter.

Es wurde auch eine weitere Doku gezeigt, jedoch mehr mit Literatur und Musik verbunden. In "Leonard Cohen- I´m Your Man" (L. Lunson, USA, 2005) nahm der Regisseur das Tribut-Konzert für Leonard Cohen in Sydney zum Anlass, um über dessen Leben und Werk zu erzählen. Eigentlich ist es Cohen der erzählt, die Interviews mit den teilnehmenden Musikern dienen eher zur Positionierung seines Schaffens. Cohen erzählt über das Judentum, den Buddhismus, Frauen und glückliche Zufälle im Leben. Es ist ein Film, eigentlich eine Reportage, mit viel schöner Musik, man sollte ihn eher Musikfilm nennen.

In "Mutual Appreciation" (A. Bujalski, USA, 2005) wird eine Dreiecksgeschichte gezeigt, die ebenfalls im Musikbusiness positioniert wird, die aber an jedem anderen Ort zu jeder anderen Zeit möglich wäre und dadurch eine Art Universalbedeutung gewinnt. Die Geschichte, obwohl ausgesprochen, bleibt unerfüllt; ein subtiles Spiel von Gefühlen und Zweideutigkeiten.

In der Viennale- Zentrale fand eine interessante Lesung statt, es wurde aus dem Buch "Minutentexte. The Night of the Hunter" vorgelesen, in dem 93 AutorInnen die Handlung des 93-minütigen Films "The Night of the Hunter" (C. Laughton, USA, 1955) analysieren und diese, jeder in 60 Sekunden, präsentieren. Es waren u.a. Texte von Ulrich Köhler und Harun Farocki zu hören.

Von der VIENNALE berichtet täglich Malgorzata Glac für das "Österreich Journal"
 
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