Photo: Barbara Pflaum  

erstellt am
24. 10. 06

Bildchronistin der Zweiten Republik im Wien Museum Karlsplatz von 16. November 2006 bis 18. Februar 2007
Wien (wienmuseum) - Sie galt als die "First Lady der Pressefotografie" - und doch ist der Name Barbara Pflaum heute nur wenigen bekannt. Als Fotografin der Wochenpresse schuf Barbara Pflaum (1912-2002) Ikonen der Zweiten Republik: die Kennedys vor dem Stephansdom, Helmut Qualtinger als Herr Karl, Maria Callas im Hotel Sacher. Das berühmteste Titelblatt der Wochenpresse zeigte den umstrittenen SPÖ-Innenminister Franz Olah in diabolischer "Inszenierung", dazu die Headline "Schatten über Österreich".

Pflaums Berufsjahre fallen in eine Glanzzeit des Bildjournalismus. Das Zeitungsfoto wurde in den 50er und 60er Jahren zu einem spektakulären Leitmedium der Massenkommunikation und war Teil eines Modernisierungsschubs in der gesamten Bildkultur, bis sich schließlich das Fernsehen durchsetzte. Für Österreich prägte Barbara Pflaum diesen Aufbruch mit, indem sie Bilder lieferte, die dynamisch, eigenwillig und effektvoll waren und bildjournalistische Konventionen überschritten.

Erste Retrospektive im Wien Museum
Neben Politikern waren es vor allem Künstler und andere "Prominente" der 50er bis 70er Jahre, die Pflaum Woche für Woche fotografierte. Neben dem journalistischen Tagesgeschäft entstanden zahlreiche Porträts von Wien und den WienerInnen - Zeitdokumente mit treffsicherem Witz und Charme.

Das Wien Museum Karlsplatz zeigt nun die erste große Retrospektive der Werke Barbara Pflaums. Voraussetzung dafür war die Aufarbeitung des Nachlasses im Ausmaß von 15.000 Prints und 150.000 Negativen, die der Fotohistoriker Gerald Piffl auf Initiative Hannes Pflaums, des Sohnes von Barbara Pflaum, übernahm. Die Essenz aus Pflaums Werk - rund 300 Fotografien - ergibt eine bewegende Bildchronik der Zweiten Republik. Das Wien Museum bietet nun die Chance, eine große österreichische Fotografin neu zu entdecken.

Unkonventionelle Frau in Männerdomäne
Barbara Pflaum lieferte nicht nur außergewöhnliche Fotos, sie war auch eine unkonventionelle Frau in der Männerdomäne der Pressefotografie: Als sie Mitte der 50er Jahre mit dem Fotografieren begann, war sie über vierzig, geschieden, hatte drei Kinder und keine professionelle Ausbildung. Über Vermittlung ihres Freundes, des Reiseschriftstellers und Bergsteigers Herbert Tichy, bekam Pflaum beim "Medienmogul" Fritz Molden (Wochenpresse, Die Presse u. a.) ihre Chance. Der erste Auftrag führte sie zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper am 5. November 1955. Mit Disziplin und "einem unglaublichen Instinkt für Menschen" (Gerd Bacher) gelang es der Autodidaktin, bald zu höchsten Ehren zu kommen, zur namentlichen Nennung am Titelblatt: "Photo: Barbara Pflaum". Bis zu ihrer Pensionierung 1977 war Pflaum als Fotografin bei der Wochenpresse angestellt, je nach Ausgabe stammten bis zu zwei Drittel aller abgedruckten Fotos von ihr.

Entlarvende Politikerporträts & gewitzte Stadtansichten
Pflaums Stärke war das Porträt. Ohne Hast näherte sie sich mit ihrer eher altmodischen Rolleiflex-Kamera den mehr oder weniger Prominenten, um aus scheinbar banalen Situationen typische Charakterstudien zu machen. Sie agierte dabei "wie ein Scharfschütze, der mit Ruhe und Gelassenheit an die Sache herangeht", erinnert sich die Fotografenkollegin Gabriela Brandenstein. Pflaum war stets auf der Suche nach dem "anderen" Blickwinkel, nach Gegensätzen und hintergründigen Bezügen, komischen Facetten und versteckten Bildrätseln.
Vor allem Pflaums Politikerbilder sorgten für Aufsehen. Denn sie zeigten die allzu menschlichen Repräsentanten des Staates abseits offiziöser Bildberichterstattung, ob dies nun US-Präsident Gerald Ford war, der am Salzburger Flughafen im wahrsten Sinn des Wortes eine Landung hinlegte, oder die ÖVP-Politiker Busek und Taus, wie sie bei einer Pressekonferenz herumlümmeln.

Bühnenstars und Wiener Typen
Neben Politikern fotografierte Pflaum vor allem Künstler, unter ihnen viele Publikumslieblinge des Theaters wie Josef Meinrad, Oskar Werner und Helmut Qualtinger. Als Dame der Gesellschaft pflegte Pflaum einen spielerischen Umgang mit den "Prominenten". So kam es oft zu Aufnahmen, die intimer waren als diejenigen ihrer Kollegen.

Auf ihren Wien-Bildern hielt Pflaum - ähnlich ihren berühmten Fotografenkollegen Franz Hubmann, Erich Lessing oder Harry Weber - nicht nur Zeitkolorit, sondern auch klassische "Wiener Typen" fest. Aus diesem Fundus entstanden zahlreiche Fotobände, die das Image der Stadt über Jahre hinweg prägten, unter ihnen auch der Bestseller "Die Wienerin", dem in der Ausstellung ein eigenes Kapitel gewidmet ist.


Ein Kapitel österreichischer Mediengeschichte
"Die Schau geht über eine herkömmliche Fotografen-Präsentation hinaus. Es geht uns auch um österreichische Mediengeschichte, etwa um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Politik und Öffentlichkeit", so Wolfgang Kos, Direktor des Wien Museums. So gibt es eigene Kapitel zum Thema Zeitgeschichte ("Zeit im Bild") und publizistische Praktiken ("Vom Foto zum Medienbild"). Die Ausstellung findet im Rahmen des Monats der Fotografie 2006 statt.

Zur Ausstellung erscheint im Verlag Christian Brandstätter die erste umfassende Publikation zu Barbara Pflaum. Sie enthält rund 350 Abbildungen und Beiträge u. a. von Anton Holzer, Siegfried Mattl, Gerald Piffl, Michael Ponstingl und Susanne Winkler.

Informationen: http://www.wienmuseum.at/
 
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