Koalitionsverhandlungen / Stillstand der Verhandlungen  

erstellt am
03. 11. 06

 SPÖ fordert ÖVP auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren
SPÖ-Bildungspolitiker Niessl, Broukal und Niederwieser: Übereinstimmungen mit ÖVP in vielen Fragen - Umsetzung soll nicht an ÖVP-Gesprächsverweigerung scheitern
Wien (sk) - "Die ÖVP hat den Verhandlungstisch verlassen, aus Gründen, die für uns nicht nachvollziehbar sind", sagte Landeshauptmann Hans Niessl. Die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse zu den Eurofightern und zur Bankenaufsicht sei "nichts Unanständiges", hier gebe es ein berechtigtes Informationsinteresse bei der Bevölkerung, betonte Niessl am 03.11. in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal und SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser, die gemeinsam mit Niessl die Koalitionsverhandlungen zum Thema Bildung führen.

Gerade die erste und bisher einzige Verhandlungsrunde zur Bildung sei sehr sachlich und konstruktiv verlaufen, sagte Niessl. Er dokumentierte dies mit der Vorlage vom Sitzungsprotokoll und der daraufhin von der SPÖ erstellten Detailpunktation, die in dem für den 31. Oktober geplanten Treffen hätte vorgelegt werden sollen.

Niessl wie auch Broukal und Niederwieser wiesen den Vorwurf der ÖVP zurück, es gäbe seitens der SPÖ keine Konzepte. Denn schon beim ersten Treffen sei man neben der Festlegung über die einzelnen Verhandlungsziele schon "in die Tiefe gegangen", sagte Niessl. Generell strebt die SPÖ "einen Schulterschluss" mit allen Akteuren im Bildungswesen an, also den Lehrern, Eltern und Schülern sowie mit den Institutionen, die ihrerseits Vorschläge für die Schulreform vorgelegt haben.

Die Bildungspapiere etwa der Industriellenvereinigung, der Sozialpartner und der Sozialpartner decken sich weitgehend mit dem SPÖ-Bildungsprogramm, erklärte Niessl. Das betreffe insbesondere die Punkte: Frühförderung, mehr ganztägige Schulformen, gemeinsame Schule mit starker innerer Differenzierung.

In der Verhandlungsrunde mit der ÖVP habe man sich darauf festgelegt, zuerst über die Punkte zu reden, wo man sich einig sei: die Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen, die Neuorganisation der Schuleingangsphase, ein leistbares Angebot an Ganztagsschulen, konkret die Ausweitung der derzeit 70.000 Plätze auf 170.000, mehr Lehrer für die Integration (700 zusätzliche) und die Senkung der Jugendarbeitslosigkeit.

"Hier gäbe es Konsens, darüber kann man reden", betonte Niessl. In der Punktation für das geplante Treffen am 31. Oktober habe die SPÖ aufgelistet, wie man diese Ziele erreichen könne. Heute, Freitag, habe die SPÖ das Papier auch der Unterrichtsministerin übergeben.

"Der Anfang jeder Tat ist das Gespräch", zitierte Niessl ein Sprichwort. "Wir fordern die ÖVP auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren - und damit zur demokratiepolitischen Normalität zurückzukehren", betonte der SPÖ-Politiker. Die ÖVP ersuchte er außerdem, "das Wahlergebnis, den Auftrag der Wähler und den Auftrag des Bundespräsidenten zur Kenntnis zu nehmen".

SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser wies im Detail den ÖVP-Vorwurf, die SPÖ habe "keine inhaltlichen Vorstellungen" präsentiert, zurück. Nicht nur seien die Papiere der SPÖ zur Bildungspolitik seit langem bekannt und waren mithin auch Teil des Wahlprogramms - auch die Auflistung der Ziele und entsprechenden Maßnahmen wurde vorgelegt.

Auch Niederwieser drängte zum Weiterverhandeln, gerade Bildung sei "das Um und Auf" in der Gesellschaft, "wir haben viel zu tun". Er machte überdies klar, dass es die Zwei-Drittel-Mehrheit der Großen Koalition für notwendige Änderungen bei der Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden brauche.

Die SPÖ versuche auf der Höhe der Zeit zu sein, das zeige sich nicht zuletzt an der weitgehenden Übereinstimmung mit den Vorschlägen von Zukunftskommission, IV und Sozialpartnern. "Wir erwarten uns schon im Interesse der Jugend, dass sich alle daran beteiligen und gemeinsam an einer raschen Umsetzung arbeiten", sagte Niederwieser. Die Große Koalition sieht er dafür als eine Zweckgemeinschaft zur Umsetzung.

SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal klärte schließlich die Vorhaltung der ÖVP auf, die SPÖ haben "nur Fragen gestellt". Tatsächlich haben die SPÖ-Verhandler 20 Fragen an die Bildungsministerin vorgelegt, weil die Datenlage, für die das Ministerium zuständig ist, so schlecht sei - "weil das Bildungsministerium keine Daten liefert." So versuche er seit einem Monat die Zahl der Stipendienbezieher und die Höhe der Stipendien zu erfragen - freilich vergeblich.

Von den 20 Fragen seien übrigens bis heute 19 unbeantwortet; nur die Frage, was die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 kostet, wurde beantwortet. Im ersten Jahr 30 Millionen Euro, im Endausbau, also nach vier Jahren 300 Millionen, berichtete Niederwieser. Nicht eingerechnet seien hier Einsparungen wegen geringeren Drop-out-Raten und weniger Klassenwiederholungen.

Broukal wehrte sich gegen die "Abseitsfalle" der ÖVP. Die ÖVP habe sich auf die Strategie festgelegt: Alles was war, muss bleiben. Und alles, was die SPÖ will, wird als unerfüllbarer Sonderwunsch abgetan.

Niessl berichtete außerdem von einem Telefonat mit SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer; dabei habe es natürlich keine Auskunft über das vertrauliche Gespräch mit ÖVP-Chef Schüssel gegeben, aber auch Gusenbauer habe klargemacht, dass es ihm um die Verbesserung der Qualität in der Bildung geht. Und da ja über sehr viele Punkte Einigkeit besteht, könne es nicht sein, dass diese Verbesserungen nur deshalb nicht passieren, weil die ÖVP nicht mit der SPÖ reden will.

Auch die Vorhaltungen, dass "die Chemie" nicht stimmt, weil die SPÖ sich nicht um informelle Kontakte zu ihrem Verhandlungspartner kümmere, wiesen die SPÖ-Politiker zurück. Niessl etwa berichtete, dass er jeden Tag mit Bildungsministerin Gehrer telefoniere. Broukal ergänzte dazu, dass er sich schon am 7. Oktober mit seinem ÖVP-Gegenüber, der Wissenschaftssprecherin Brinek, in einem Cafe getroffen habe; eine Gegeneinladung sei ausgeblieben, Broukal sprach deshalb seinerseits erneut eine Einladung zu einem Treffen aus.

Zum Bankenausschuss hat Niessl betont, dass er sich eigentlich erwartet hätte, dass die ÖVP da aktiv mitarbeitet, so wie die SPÖ das im Burgenland beim Untersuchungsausschuss zur Bank Burgenland gemacht habe. "Es war richtig, die Untersuchungsausschüsse einzusetzen", so Niessl, weil die Menschen haben ein Recht, zu wissen, ob die Finanzmarktaufsicht funktioniert, ob es hier Fehler gegeben habe.

 

 Gehrer: Erfolgreiche Partnerschaft braucht Vertrauen und Verlässlichkeit
Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen nicht vereinbart – Amon: SPÖ verletzt Vertrauen abermals schwer
Wien (övp-pd) - "Wenn man in den nächsten Jahren gemeinsam etwas erreichen will, dann muss man Vertrauen schaffen. Dazu gehören auch Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Anständigkeit. Wenn die SPÖ an einer stabilen Koalition interessiert ist, dann muss sie diese Eckpfeiler ernst nehmen", erklärte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer.

Zur Pressekonferenz der SPÖ-Verhandler Hans Niessl, Josef Broukal und Erwin Niederwieser stellte Gehrer die Frage: "Was will die SPÖ eigentlich mit der Herausgabe des Verhandlungsprotokolls erreichen? Das ist nicht vertrauensbildendes Handeln. Es wurde vereinbart, das Protokoll der ersten Sitzung nicht zu veröffentlichen." Man könne Koalitionsverhandlungen nicht über die Öffentlichkeit führen. Der konstruktive Weg sei, zuerst zu verhandeln und am Schluss die vereinbarten Ergebnisse zu präsentieren.

Äußerst "verwundert und enttäuscht" über die Vorgehensweise der SPÖ, das Protokoll der ersten Verhandlungsrunde Bildung öffentlich zu machen, zeigte sich ÖVP-Bildungssprecher und ÖAAB-Generalsekretär Abg.z.NR Werner Amon. "Ich werte diese Vorgehensweise als großen Vertrauensbruch, denn ein Protokoll zu verteilen, ohne das im Vorhinein mit den Teilnehmern abzusprechen, ist nicht nur unüblich, es ist schlichtweg auch eine Unart", so Amon weiter.

Außerdem stellte Amon klar, dass es zwischen SPÖ- Bildungssprecher Erwin Niederwieser und ihm seit dem Wahltag, ausgenommen der ersten Verhandlungsrunde, zu keinerlei bilateralen Kontakten gekommen sei. "Das hat aber nichts damit zu tun, dass es mit Erwin Niederwieser grundsätzlich eine gute Gesprächsbasis gibt, die nicht zuletzt in den letzten sechs Jahren, in denen ich als Vorsitzender des Unterrichtsausschusses tätig war, Grundlage für sachliche Gespräche war", erklärte Amon. Im Übrigen habe er, Amon, zu allen Mitgliedern des Unterrichtsausschusses eine gute Gesprächsbasis, denn immerhin seien die Auseinandersetzungen im Unterrichtsausschuss aus seiner Sicht immer von großer Sachlichkeit getragen gewesen.

"Ein derartiger Vertrauensbruch, wie heute von der SPÖ, wirft einmal mehr die Frage auf, ob es der SPÖ nach all den vertrauenszerstörenden Handlungsweisen wirklich um eine Konstruktive Zusammenarbeit geht", schloss Amon.

 

 Van der Bellen: Regierung abspecken und Parlament arbeiten lassen
Wien (grüne) - Die Grünen fordern, nachdem die Koalitionsverhandlungen ins Stocken geraten sind, eine Abspeckung der Regierung und die Aufnahme der Parlamentsarbeit als Spiel der freien Kräfte. Bundessprecher Alexander Van der Bellen verlangte bei einer Pressekonferenz am 03.11, dass die sieben Staatssekretäre zurücktreten, da die Regierung derzeit "wenig bis gar nichts zu tun hat" und sich die Republik daher die rund 100.000 Euro im Monat ersparen könnte. Er sprach sich zudem dafür aus, dass das Parlament seine Arbeit beginnt und nicht weiter auf eine Regierungsbildung gewartet wird.

Fünf Wochen nach der Wahl sei bei den Koalitionsverhandlungen "keinerlei Fortschritt" erzielt worden. Es gebe bei beiden Großparteien, "insbesondere bei der ÖVP", "schlichte Arbeitsverweigerung", so Van der Bellen. Die ÖVP spiele weiter "beleidigt und kann oder will nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie keine Mehrheit mehr hat". Die Grünen seien aber "inzwischen nicht mehr gewillt", weiter zu warten und wollen ihre Arbeit im Parlament beginnen. Es gebe nämlich genug offene Fragen, wie etwa die Abschaffung der Studiengebühren, eine Reform des Parteiengesetzes (Stichwort Wahlkampfkosten, gläserne Parteikassen) sowie des Emissionsgesetzes, meinte der Grüne Chef. Man müsse die "Fragen nicht neu erfinden, sie liegen bereits auf dem Tisch", so Van der Bellen mit Verweis auf die Pflegeproblematik und das Integrationsthema.

Angesichts der anstehenden Probleme sei es nicht verständlich, "dass die Republik sich darüber den Kopf zerbricht, wer mit wem Kaffee trinkt", spielte Van der Bellen auf die Vier- bzw. Sechs-Augen-Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP an. Da es derzeit nicht nach einer baldigen Einigung der beiden Großen aussehe, wollen die Grünen schon vor der Bildung einer Regierung mit Gesetzesbeschlüssen nach dem Spiel der freien Kräfte im Parlament beginnen. Er habe Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bereits in einem Brief aufgefordert, die Konstituierung der diversen Ausschüsse zu ermöglichen, damit die Fraktionen Anträge einbringen können.

Für die Beschlüsse sollen sie sich dann die Mehrheiten suchen. Dass es damit erneut zu einer rot-grün-blauen Zusammenarbeit wie bei dem Eurofighter- und Banken-Untersuchungsausschuss kommen könnte, wollte Van der Bellen nicht ausschließen. Eine Wiederholung dieser Allianz dürfte freilich bei der ÖVP erneut für böses Blut sorgen. Die Volkspartei hatte ja zuletzt als Bedingung für die Wiederaufnahme der Regierungsverhandlungen von der SPÖ eine Ehrenerklärung, wonach es nicht mehr zu einer derartigen Zusammenarbeit kommt, verlangt. Van der Bellen kommentierte diesen Umstand mit den Worten, "das ist der derzeitige Zustand, das Vakuum könnte sich länger hinziehen". Er versteht auch die Aufregung über die rot-grün-blaue Kooperation nicht: "Was erwartet man von uns? Dass wir den Antrag angeekelt wegwerfen, wo wir eine Mehrheit gefunden haben?"

Von der provisorischen Regierung forderte Van der Bellen, dass sie sich "abspeckt", indem die sieben Staatssekretäre zurücktreten. Es sei ihm nämlich "nicht klar, welche Art von Geschäften" sie noch zu erledigen habe. Er glaubt vielmehr, dass die Regierung "wenig bis gar nichts zu tun hat" und man sich daher die rund 100.000 Euro im Monat für die Staatssekretäre ersparen könnte. Van der Bellen bekräftigte erneut den Wunsch nach einer stabilen Regierung im Sinne des Wahlergebnisses. Es könne "nicht wahr sein", dass erfahrene PolitikerInnen weiter solche "kindischen Späßchen treiben". (apa)

 

 Vilimsky: Sofortiger Rücktritt der Staatssekretäre wäre Zeichen der Anständigkeit
Auch Gorbach als Vizekanzler soll umgehend den Hut nehmen
Wien (fpd) - Der sofortige und ersatzlose Rücktritt sämtlicher Staatssekretäre wäre ein Zeichen der Anständigkeit. Diese würden zur Zeit ohnehin nur herumhängen und dem Steuerzahler auf der Tasche liegen. Die dadurch eingesparten Mittel sollen einem sozialen Zweck zufließen, fordert FPÖ-Generalsekretär NR-Abg. Harald Vilimsky, der in Zusammenhang mit den Staatssekretären in der momentanen Phase von "nur noch Kassier-Sekretären" sprach.

Ebenso solle Vizekanzler Hubert Gorbach den Hut nehmen, der ohnein schon "relativ dringend" von seinem kommenden Arbeitgeber erwartet werde. Seine Agenden, die ohnehin so gut wie keine mehr sind, solle Schüssel bis zu seiner Ablöse als Kanzler übernehmen. "Diese Regierung kassiert nur noch und bringt nichts mehr zustande. Kein Wunder, dass sie abgewählt wurde. Also ist bis zur Bildung einer neuen Regierung der Schaden für den Steuerzahler so gering wie möglich zu halten", fordert Vilimsky.

 

 Grosz: Misstrauensantrag gegen Bundesregierung steht SPÖ/Grüne und FPÖ frei
Wien (bzö) - "Wenn die neue Rot/Grüne Koalition samt ihres willfährigen Handlangers, der Strache-FPÖ, die Bundesregierung entgegen der vorläufigen Wiederbestellung durch Bundespräsident Fischer entlassen will, steht dieser Rot/Grün/Blauen-Schreckensallianz ein Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrates frei. Die Bundesregierung hat Bundespräsident Fischer gemäß der österreichischen Bundesverfassung den Rücktritt angeboten. Der Bundespräsident hat die Bundesregierung gebeten, die Arbeit für Österreich weiterhin vorläufig fortzuführen. Wenn es nunmehr eine SPÖ/Grüne/FPÖ-Koalition gibt, sollten die Damen und Herrn doch den Weg zum Bundespräsidenten finden oder einen Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung beschließen", so BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz zu den laufenden Rücktrittsforderungen gegenüber der Bundesregierung von SP-Bundesgeschäftsführer Darabos, SP-Landeshauptmann Voves, Grünen-Chef Van der Bellen und FPÖ-Generalsekretär Vilimsky.
 
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