IGB-Kongress "Zusammenhalt oder Chaos"  

erstellt am
03. 11. 06

Diskussion mit hochrangigen VertreterInnen globaler Institutionen
Wien (ögb) - Am zweiten Tag des Gründungskongresses des Internationalen Gewerkschaftsbundes IGB in Wien (02.11.) fand eine hochrangig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema "Zusammenhalt oder Chaos - die globalen Institutionen" statt. Neben grundsätzlichen Standpunkten gab es dabei auch konkrete Vorschläge für die künftige Ausrichtung der internationalen Institutionen wie UNO oder Weltbank. "Mit der Gründung des IBG ist endlich ein global Player für soziale Gerechtigkeit entstanden", sagte die deutsche Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. "Darauf haben die Menschen gewartet!"

Aruna Rao, Direktorin der Organisation "Gender at Work", machte sich für die Schaffung einer eigenen, starken und autonomen Frauenabteilung innerhalb der Vereinten Nationen stark: "Wir müssen gemeinsam darauf hin arbeiten, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Globalisierung Einzug hält", begründete sie ihren Vorschlag. "Frauen sind die Verliererinnen der Globalisierung." Das könne sich nur ändern, wenn sich die internationalen Institutionen ändern. "Die Schlüsselfrage muss sein, dass auch die internationalen Organisationen Rechenschaft darüber ablegen müssen, mit welchen Maßnahmen und Programmen sie die Anliegen der Frauen durchsetzen." Rao ist mit der Forderung nach einer UNO-Frauenabteilung nicht allein. Sie berichtete davon, dass es dafür bereits internationale Netzwerke von Frauenorganisationen, Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Kräften gäbe. "Auch in der UNO muss man die Machtpositionen der Frauen stärken", fordert Rao. "Die von uns geforderte Abteilung muss autonom sein, muss genügend finanzielle Mittel bekommen, und sie muss politische Strategien für die Gleichstellung vorgeben." Neben der Schaffung dieser Abteilung lud Rao den Internationalen Gewerkschaftsbund dazu ein, noch stärker gemeinsam mit Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaftlichen Gruppen zu arbeiten. "Die Gewerkschaftsbewegung war schon immer federführend auf dem Weg zur sozialen Gerechtigkeit. Alle, die dafür kämpfen, müssen sich zusammenschließen, damit die Menschen endlich im Mittelpunkt der Globalisierung stehen."

Wieczorek-Zeul Wirtschaft muss sich den Menschen unterordnen

Auch Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Deutschland, sprach die Rolle der UNO im Globalisierungsprozess an: "Wir haben einen UNO-Sicherheitsrat für militärische Fragen. Ich würde gerne erleben, dass es bei der UNO auch einen Sicherheitsrat für soziale Fragen gibt." Im Zusammenhang mit dem weltweiten Steuerwettlauf nach unten plädierte Wieczorek-Zeul für die Schaffung eines Registers innerhalb der UNO: "Dort soll man sehen, welche global tätigen Unternehmen in welchem Land der Welt wie viel Steuern bezahlen. Gegen dieses Mehr an Transparenz kann ja niemand etwas haben, und man sieht, was wirklich Sache ist." Auch andere internationale Institutionen müssten sich ändern, so Wieczorek-Zeul. "Wir haben uns in der Weltbank dafür stark gemacht, dass die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in die Geschäftspolitik einbezogen werden. Gerade das Recht auf unabhängige Gewerkschaften war sehr schwierig durchzubringen, aber es ist gelungen. Es muss möglich sein, dass in allen Ländern der Welt freie Gewerkschaften arbeiten können."

Die deutsche Ministerin ging auch auf die Frage der Demokratie ein: "Viele Menschen machen sich Sorgen darüber, dass die Wirtschaft immer mehr die Entscheidung trifft. Wenn das so wäre, würde sich die Demokratie verabschieden. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass sich die Menschen durchsetzen und nicht die Wirtschaft", rief sie den Kongress auf. "Die Wirtschaft muss sich den Menschen unterordnen, das ist die richtige Reihenfolge."

Mehr Demokratie bei Entscheidungen der Internationalen Organisationen sei der Schlüssel zu einer gerechten Globalisierung, betont Juan Somavia, Generaldirektor der internationalen Arbeitsorganisation ILO. "Die Auswirkungen der Globalisierung sind nicht naturgegeben, die Politik kann steuernd eingreifen." Auf die Verantwortung der Nationalstaaten verweist der Generaldirektor der WTO, Pascal Lamy, der eine Grußbotschaft an den IGB-Kongress richtete. "Wie sich die Globalisierung auf die Arbeitsmärkte in einzelnen Ländern auswirkt, hängt von der Qualität der nationalen Politik ab."

Viele Aspekte der Globalisierung, wie etwa die technologische Entwicklung, würden sich nicht zurückschrauben lassen, führt Somavia aus. "Die Politik hat aber Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Finanz-, der Handels- und der Arbeitsmarktpolitik, sodass die Vorteile der Globalisierung alle erreichen." Ein Wachstum der Gesamtwirtschaft oder ausgeglichene Budgets seien ehrenwerte Ziele, aber auch die Schaffung von menschenwürdigen, qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen müsse zum Ziel der Politik erklärt werden. Erst dann könnten Instrumente geschaffen werden, die dieses Ziel verfolgen.

Handlungsbedarf ortet Somavia bei der Kontrolle internationaler Organisationen. "Die Stimmgewichtung in Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds benachteiligt arme Länder. Doch die Auswirkungen ihrer Entscheidungen haben weltweite Bedeutung." Es sei oft nur schwierig nachzuvollziehen, wie Entscheidungen in internationalen Organisationen zustande kämen. "Die nationalen Parlamente sind gefordert, stärker zu kontrollieren, welche Politik ihre nationalen Regierungen in internationalen Organisationen unterstützen." Enorme Bedeutung hat aus seiner Sicht die Verknüpfung von Entwicklungspolitik mit Arbeitsfragen, wie dem Recht auf gewerkschaftliche Organisation oder menschenwürdige Arbeit.

Lamy: Nationale Politik gestaltet Auswirkungen der Globalisierung
WTO-Generaldirektor Pascal Lamy teilt Somavias Ansicht, dass die Globalisierung gestaltbar sei. "Die Öffnung des Handels hat Auswirkungen auf die Beschäftigung, sie schafft Arbeitsplätze. Das ist nicht überall gleichermaßen der Fall. Ob sich die Globalisierung positiv oder negativ auswirkt, ist abhängig von der Qualität nationaler Politik, vor allem im Bereich der Aus- und Weiterbildung."

Nationalstaaten, internationale Organisationen and und die Zivilgesellschaft müssten sich für eine bessere Kohärenz zwischen Handel, Arbeit, Gesundheit und Umwelt einsetzen. "Der größte Teil der Verantwortung dafür liegt bei den Nationalstaaten. In unseren Internationalen Organisationen können wir dazu beitragen." An die Delegierten des IGB-Kongresses gerichtet meinte Lamy abschließend: "Bitte stellen Sie sicher, dass auch der IGB zu besserer Kohärenz beiträgt!"

Der IGB vertritt 166 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 309 Mitgliedsorganisationen und 156 Ländern und Hoheitsgebieten: http://www.ituc-csi.org. Er ist Mitglied der internationalen Gewerkschaftsgruppierung Global Unions: http://www.global-unions.org.
 
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