"Wann ordnest Du Deine Bücher?" Die Bibliothek H. C. Artmann  

erstellt am
09. 11. 06

17. November 2006 - 30. April 2006 in der Wienbibliothek im Rathaus
Wien (wienbibliothek) - Im Jahr 2004 hat die Wienbibliothek im Rathaus den Nachlass des Dichters H. C. Artmann (1921-2000) erworben. Zur Hinterlassenschaft gehört eine etwa 3500 Bände umfassende Bibliothek, die für die Erschließung seines literarischen Werks von enormer Bedeutung ist, aber auch verblüffende Einblicke in die Biographie des Autors liefert. Ein deutsch-spanisches Wörterbuch etwa rettete dem Soldaten Artmann am 11. Juli 1941 das Leben: Eine russische MG-Kugel durchquerte - bevor sie ihn verletzte - erst der Länge nach den gesamten Buchblock. Auch Grammatiken gehörten zum Marschgepäck, was an den langen Listen zu erkennen ist, die akribisch festhielten, wo und wann er im jeweiligen Band las.

Überlieferungsgeschichten
Es sind Überlieferungsgeschichten, die Bibliophile besonders interessieren. In der Bibliothek Artmanns finden sich viele prominente und kuriose Provenienzen. Handschriftliche Einträge von Vorbesitzern wie Elias Canetti oder Widmungen von Dichterfreunden wie Peter Rosei sind nicht nur Relikte persönlicher Begegnungen und Freundschaften, sondern sie verweisen vielmehr auf intellektuelle Zusammenhänge und Kommunikationskreise, in denen Artmann sich bewegte. Freilich stehen nicht alle Vorbesitzer für den geistigen Horizont Artmanns, wie etwa ein Band beweist, der den Stempel »Die Bücherei des Ahnenerbes« trägt. Wie Artmann in dessen Besitz kam, ist unklar. Diese Frage ist nur eines von vielen Rätseln, die sich bei der Durchsicht des Bibliotheksbestands ergaben.
Lektüre und Handwerkszeug

Mit Hilfe seiner Bibliothek kann man sich Artmann in einer Art Lesebiographie von einer Seite nähern, die für seine Entwicklung als Autor von prinzipieller Bedeutung ist: seiner Lektüre. Mittels Erwerbungs- und Arbeitsvermerken lassen sich zentrale Phasen seiner Karriere als Schriftsteller herausfiltern. So hat er die Texte des für ihn wichtigen Surrealisten Ramón Gómez de la Serna um 1950 erworben. Zentral für Artmanns Werk war die Übersetzung der Lappländischen Reise von Carl von Linné (1964), eine Arbeit, die ohne Nachschlagewerke wie die Naturgeschichte des Pflanzenreichs nach dem Linnéschen System kaum hätte bewältigt werden können. In Artmanns Bibliothek finden sich viele solche Handwerkszeuge, allein über 250 Grammatiken und Wörterbücher von Afrikaans bis Zürichdeutsch.

Triviales ?
Fantomas Zu Artmanns Bücherwelt zählen natürlich auch Bände, die Stoffe und Motive für sein eigenes Werk oder für Werke anderer Autoren aus seinem Umfeld boten. Ein Schwerpunkt sind dabei Gattungen, die in der Wissenschaft gerne als trivial bezeichnet werden, wie Kriminalliteratur, Comics und Horrorromane. Doch für einen Autor wie Artmann, dessen literarische Werke in hohem Maße auf vorhandene und vielfach von ihm sehr geschätzte Texte aufbauten, lieferten Bücher wie die französische Fantômas-Reihe oder Bram Stokers Klassiker Dracula zahllose Anregungen, die für seine eigene Prosa, Dramatik und Lyrik wichtig waren.
zum Seitenanfang ... Gruppen, Führungen

Die Besichtigung durch Gruppen von mehr als 10 Personen kann nur gegen Voranmeldung erfolgen.

Begleitbuch
Das umfassende Begleitbuch zur Ausstellung erscheint im Verlag Sonderzahl.
Atze, Marcel / Böhm, Hermann (Hg.): "Wann ordnest Du Deine Bücher?" Die Bibliothek H. C. Artmann. - Wien : Sonderzahl Verl., 2006. - 240 S., zahlreiche Farb- und s/w-Abb., ISBN 3 85449 261 8

Informationen: http://www.wienbibliothek.at/
 
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