WIFO-Weißbuch: Aktive Arbeitsmarktpolitik muss noch aktiver werden  

erstellt am
24. 11. 06

Vorrang für Arbeitsvermittlung – Prinzip des Förderns und Forderns
Wien (wifo) - Die Bewältigung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung wird auch in den nächsten Jahren eine zentrale politische Herausforderung bleiben. Die Arbeitsmarktpolitik gibt in Österreich sinnvollerweise der Arbeitsvermittlung Vorrang vor anderen Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt das WIFO in der Teilstudie "Aktive Arbeitsmarktpolitik" im Rahmen des Weißbuchs "Mehr Beschäftigung durch Wachstum auf Basis von Innovation und Qualifikation" die konsequente Umsetzung eines Systems des "Förderns und Forderns": Einkommensersatzleistungen würden dabei stärker von der Teilnahme an verschiedenen Aktivitäten während der Arbeitslosigkeit abhängig gemacht als bisher, sagte Hedwig Lutz am Freitag in einem Pressegespräch.

Seit Ende der neunziger Jahre wurden die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich beträchtlich ausgeweitet, besonders kräftig zuletzt im Jahr 2006 ("Unternehmen Arbeitsplatz" der Bundesregierung). Im europäischen Vergleich ist der Budgetanteil aber immer noch gering: Laut Eurostat wurden dafür 2004 in Österreich 0,43% des BIP verwendet, im Durchschnitt der EU 15 0,64%. Zugleich lag der betreffende Wert in Schweden bei 1,0% des BIP, in den Niederlanden bei 1,12% und in Dänemark bei 1,52%. Als gering ist der österreichische Wert insbesondere dann anzusehen, wenn der Arbeitsmarktpolitik nicht nur eine kurative Aufgabe – die Wiedereingliederung von Arbeitslosen –, sondern auch eine präventive Perspektive – die Verhinderung von Arbeitslosigkeit und von Unterbeschäftigung (bei unfreiwilliger Teilzeitarbeit) – zugesprochen wird. Die potentielle Zielgruppe beschränkt sich dann nicht auf aktuell Arbeitslose, sondern umfasst auch Beschäftigte und Betriebe.

Insgesamt verfügt Österreich mittlerweile über ein ausgebautes Instrumentarium für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Unterschiede zu den häufig als beispielhaft angeführten skandinavischen Ländern bestehen neben der Budgetausstattung auch in der Intensität der Programme, in der Balance zwischen Rechtsansprüchen und Verpflichtungen sowie in der Abstimmung mit anderen Politikbereichen. Gerade der letzte Punkt scheint für die Effektivität und Effizienz des Einsatzes der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Rahmen einer breit angelegten Wachstums- und Beschäftigungspolitik entscheidend.

Der Vorteil eines Systems des Förderns und Forderns liegt darin, dass Arbeitsanreize erhalten bleiben, auch wenn vergleichsweise hohe Transferleistungen bezogen werden. Eine umfassende Aktivierungsstrategie ist dabei die tragende Säule – umfassend in doppelter Hinsicht: im Hinblick auf das Aktivitätsspektrum und in Bezug auf die Personen, die erfasst werden:

  • Aktivierungsstrategien umfassen intensive Beratungsgespräche, eigenständige Arbeitsplatzsuche und Bewerbung um offene Stellen, die von den Beraterinnen und Beratern vorgegeben wurden, sowie die aktive Teilnahme an Schulungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die konkrete Ausgestaltung beruht für jede Person auf einer individuell mit dem Arbeitsmarktservice getroffenen Vereinbarung.
  • Grundsätzlich sollten aktivierende Maßnahmen allen offen stehen, die eine Beschäftigung suchen. Für Transferleistungsbeziehende besteht darüber hinaus die Verpflichtung zur konstruktiven Mitarbeit an der Umsetzung des vereinbarten Planes.


Diese Strategie setzt allerdings Folgendes voraus:

  • Es bedarf wirksamer Kontrollmechanismen, wieweit die Vereinbarungen eingehalten und die entsprechenden Aktivitäten gesetzt wurden. Von zentraler Bedeutung ist die Qualität der Beratung und Betreuung, die zudem in ausreichendem Maße gegeben sein muss. Somit müssten die entsprechenden Kapazitäten im Arbeitsmarktservice selbst oder – bei weiterer Auslagerung von Beratungs- und Betreuungsaktivitäten – in externen Einrichtungen aufgestockt werden.
  • Das Prinzip des Förderns erfordert zudem ein ausreichendes Angebot an passenden, wirksamen und effizienten Integrationsmaßnahmen. Der Vorschlag, in Anlehnung an das dänische Modell konsequent dem Prinzip des "Förderns und Forderns" zu folgen, ist vor folgendem Hintergrund zu sehen:
  • Die Voraussetzungen für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind aus mehreren Gründen in Österreich relativ günstig: Die Arbeitslosenquote ist nicht so hoch wie in vielen anderen Ländern, wenngleich sie sich in den letzen Jahren tendenziell an das EU-Niveau angeglichen hat. Auch verfügt der österreichische Arbeitsmarkt über sehr flexible Segmente mit einem hohen Umschlag an Beschäftigungsverhältnissen. Zu den Herausforderungen zählen die Integration von Jugendlichen und von Älteren ins Erwerbssystem, der Umgang mit dem wachsenden Segment instabil Beschäftigter, die Gleichstellung der Geschlechter und die Integration von Gruppen mit beeinträchtigter Beschäftigungsfähigkeit.
  • Von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erwiesen sich der zielgruppenadäquate Einsatz von Maßnahmen sowie die Verwertbarkeit der Maßnahme auf dem Arbeitsmarkt (aufgrund der vermittelten Inhalte und der Signalwirkung der erworbenen Abschlüsse).


Quelle: WIFO, Autorin: Hedwig Lutz

 
zurück