Gender in Migration: Eröffnung der Metropolis-Konferenz  

erstellt am
11. 12. 06

Felicitas Hillmann referierte über "Geschlechtsspezifische Geographien der Migration"
Wien (rk) - "Die Konferenz 'Gender in Migration' ist innerhalb von eineinhalb Jahren die zweite große Metropolis- Zwischenkonferenz in Wien und damit auch die zweite im deutschsprachigen Raum. Die Stadt Wien setzt seit vielen Jahren auf die Themen Migration und Integration. Heute wollen wir den Fokus auf Migrantinnen mit kleinem 'i' setzen. Wenn nicht genau hingesehen wird, wenn nicht die Geschlechterbrille aufgesetzt wird, dann kommen Frauen in Betrachtungen einfach nicht vor", erklärte die Wiener Frauen- und Integrationsstadträtin Sonja Wehsely am 11.12. bei der Eröffnung der 2. Metropolis- Zwischenkonferenz "Gender in Migration" im Festsaal des Wiener Rathauses. Die Konferenz ziele darauf ab, die "Vielfalt in den unterschiedlichen Lebenssituationen von Wienerinnen mit Migrationshintergrund herauszuarbeiten", konstatierte Wehsely. "Was brauchen die Frauen? Was können wir als Stadt beitragen? Welche Rolle können NGOs und wichtige Akteure wie Wirtschaft, Kunst, Medien etc. in diesem Zusammenhang spielen? Auf welche Aspekte soll die Forschung noch stärker blicken?", skizzierte Wehsely die wichtigsten Fragestellungen der internationalen Konferenz.

Die Konferenz wurde vom Integrations- und Frauenressort der Stadt Wien organisiert. "Metropolis International", unter dessen Schirmherrschaft die Konferenz stattfindet, ist ein seit 1995 bestehendes weltweites Netzwerk mit dem Ziel, VertreterInnen aus Wissenschaft, Politik, und von NGO's einen permanenten Erfahrungsaustausch zum Thema Integration zu ermöglichen. Zahlreiche Einrichtungen und Institutionen aus weit mehr als 20 Ländern sowie internationalen Organisationen darunter auch die Europäische Kommission sind mittlerweile im Metropolis-Netzwerk vertreten. Die Stadt Wien wurde bei der Konferenz 2001 in Rotterdam als erste Stadt Vollmitglied in diesem Netzwerk.

Felicitas Hillmann, Professorin am Institut für Geographie der Universität Bremen, hielt das Eingangsreferat "Geschlechtsspezifische Geographien der Migration". Zwischen 1960 und 2000 habe sich die Migrationsbevölkerung der Welt von 75 Millionen Menschen auf 175 Millionen Menschen erhöht. Der Frauenanteil sei nominal von 35 Millionen auf 85 Millionen gestiegen. Ab 1990 sei es zu einem sprunghaften Anstieg gekommen: In Nordamerika, Europa und großen Teilen Asiens betrage der Frauenanteil der Migrationsbevölkerung bis zu 54 Prozent.

Die öffentliche Wahrnehmung von Migrantinnen habe sich seit den 1960er Jahren drastisch verändert. In den 1960er Jahren seien Migrantinnen vorwiegend "als Anhängsel ihrer Ehemänner" rezipiert worden, in den 1970er und 1980er Jahren seien sie als "defizitäre, unmoderne Menschen" wahrgenommen worden, die daher zu unterstützen seien. In den 1990er Jahren seien Migrantinnen als "stark in ihren Rollenzuschreibungen verhaftete Frauen" gesehen worden.

Migrantinnen würden häufiger Zwangsarbeit und sexueller Ausbeutung ausgesetzt als männliche Migranten und "nehmen prekäre Arbeitsbedingungen eher hin", so Hillmann. Dies sei auf im Durchschnitt geringere Bildung, auf Rollenzuschreibungen, auf geringere finanzielle und materielle Ressourcen, oft auf Gewaltanwendung sowie auf eine generelle Feminisierung der Armut weltweit zurückzuführen.

In Deutschland seien 2003 rund 40 Prozent aller ausländischen Erwerbspersonen Frauen gewesen, die Erwerbsquote ausländischer Frauen näherte sich mit über 41 Prozent jener der länger ansässigen Frauen von 43,2 Prozent an. Insbesondere die Zahl der selbstständigen Frauen steige. Es zeige sich, dass beruflich selbstständige ZuwanderInnen im Durchschnitt eine höhere berufliche Qualifikation und bessere Sprachkenntnisse aufwiesen. Der Großteil der so entstandenen Unternehmen seien "Klein- und Kleinstunternehmen", wobei die Arbeitsbelastung der Frauen besonders hoch ausfalle, schloss Hillmann.

City-Panel diskutierte Best-Practice-Beispiele
"Wien hat auch im internationalen Großstädtevergleich mit 18,8 Prozent ausländischen StaatsbürgerInnen und 30 Prozent an WienerInnen mit Migrationshintergrund einen sehr hohen ZuwanderInnenanteil. Wir müssen diese Situation so nützen, dass alle WienerInnen etwas von dieser Vielfalt haben", erklärte die Wiener Frauen- und Integrationsstadträtin Sonja Wehsely. "Migrantinnen sind Frauen! Viele Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben, decken sich mit den Problemlagen von Frauen, die keine spezifische Migrationserfahrung gemacht haben. Als Frauenstadträtin geht es mir zunächst darum, Frauen dabei zu unterstützen, ein eigenständiges und selbst bestimmtes Leben zu führen", stellte Wehsely klar. Dabei sei "interkulturelle Kompetenz" von allergrößter Wichtigkeit: "Interkulturelle Kompetenz darf aber niemals mit Beliebigkeit verwechselt werden. Auch wenn ich weiß, warum Frauen aus bestimmten Regionen unterdrückt werden, heißt das noch lange nicht, dass ich das auch akzeptiere."

Migrantinnen würden unterdurchschnittlich bezahlt, sie hätten noch häufiger als männliche Migranten mit prekären Arbeitsverhältnissen zu kämpfen. "In einer solchen Situation fällt es schwer, sich auch um sich selbst zu kümmern", so Wehsely. Frauen- und Integrationspolitik seien Querschnittsmaterien für die Wiener Stadtverwaltung: "Wir müssen in allen gesellschaftlichen Bereichen fragen, wie die Auswirkungen von Maßnahmen auf Frauen und Männer sowie ihre Beziehungen aussehen. Genauso müssen wir diese Frage in Bezug auf die Betroffenheit von MigrantInnen stellen."

Wehsely skizzierte vier zentrale Handlungsfelder in Bezug auf Frauen in der Migration: Arbeitsmarkt, Spracherwerb, Diversität als Standortfaktor und ältere Migrantinnen.

Am Arbeitsmarkt zeige sich in Österreich, dass das Verbot eigenständiger Erwerbstätigkeit für Frauen, die insbesondere im Rahmen der Familienzusammenführung immigrierten, traditionelle Rollenbilder verfestige. "In Wien haben wir spezifische Programme zur Qualifizierungsförderung von Frauen im Rahmen des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds. Diese werden von Migrantinnen entsprechend ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung genützt", so Wehsely. Arbeitsmarktpolitik müsse besonders bei den Mädchen ansetzen. "Auch für Mädchen mit Migrationshintergrund liegt die Zukunft in technischen Berufen. Hier gibt es bessere Verdienstchancen, bessere Aufstiegschancen und damit bessere Chancen auf ein eigenständiges Leben."

Besonderen Wert lege die Stadt auf das Ansprechen und Aufbrechen tradierter Familienbilder. "Die MA 17 (Integrations- und Diversitätsangelegenheiten) hat hier einen Förderschwerpunkt gesetzt. Wir arbeiten an diesem Thema intensiv mit den verschiedenen Communities", so Wehsely.

Zum Thema Spracherwerb stellte die Wiener Frauen- und Integrationsstadträtin klar: "Die Kenntnis der deutschen Sprache ist der Schlüssel zum ersten Tor der Integration. Nur wer ausreichend Deutsch sprechen kann, hat die Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg der eigenen Person und der eigenen Töchter." Müttern komme bei der Förderung von Mädchen eine besondere Rolle zu. Die Stadt Wien habe daher mit dem Programm "Mama lernt Deutsch" gezielt auf den Spracherwerb von Müttern gesetzt.

Darüber hinaus zeige sich bei allen Spracherwerbsmaßnahmen in Wien, dass bei stimmigen Angeboten Kurse auch angenommen würden. "Ich halte die Frage, ob man Menschen in Deutschkurse zwingen soll oder nicht, für eine Phantomdiskussion. Ich kann nur raten, die Energie für diese Debatte zu investieren, um flächendeckend Kurse anzubieten", betonte Wehsely.

Diversität als Standortfaktor werde immer stärker zum Thema. "Der Export von Waren und Dienstleistungen nach Ost- und Südosteuropa ist vital für die Wiener Wirtschaft." Ziel müsse es daher sein, den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften durch das vorhandene Arbeitskräftepotenzial an MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund in Wien zu decken. Auch die Stadt setze auf Ausbildung: "Gemeinsam mit unseren Unternehmungen bildet die Stadt Wien 400 Lehrlinge aus. Das ist auch für Migrantinnen interessant und führt zu einer Win-Win-Situation. Die Wiener Stadtverwaltung kommt ihrem langfristigen Ziel, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein, näher und die Jugendlichen erhalten eine hervorragende Ausbildung".

In den nächsten Jahren würden ältere Migrantinnen eine zentrale Herausforderung für Kommunen. "Zu den spezifischen Bedürfnissen von Seniorinnen kommen die noch spezifischeren Bedürfnisse von Migrantinnen. Damit müssen und damit werden wir uns auseinandersetzen", schloss Wehsely.
 
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