Europäische Zentralbank dreht an der Zinsschraube  

erstellt am
07. 12. 06

Wien (rzb) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hob bei ihrer Sitzung vom 07.12. den Hauptrefinanzierungssatz der Eurozone (Leitzinssatz) um 25 Basispunkte auf 3,50 Prozent an. Dazu ein aktueller Kommentar von Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG:

Auswirkungen auf die Konjunktur
Europas Wirtschaft ist gut in Fahrt. Daran wird auch die aktuelle Leitzinsanhebung der EZB um 25 Basispunkte von 3,25 auf 3,50 Prozent nicht viel ändern. Seit dem ersten Zinsschritt vor einem Jahr haben wir Zinsanhebungen im Gesamtausmaß von 150 Basispunkten gesehen. Doch selbst nach der heutigen Zinserhöhung befinden sich die Leitzinsen im historischen Vergleich noch immer auf einem niedrigen Niveau. Da die nominellen BIP-Wachstumsraten derzeit um rund ein Prozent über dem aktuellen Zinsniveau liegen, sind Investitionen nach wie vor attraktiv. Wir sehen daher keine gravierenden wachstumsdämpfenden Effekte. Für 2007 gehen wir in der Eurozone von einem realen BIP-Wachstum im Ausmaß von zwei Prozent aus.

Zins- und Währungsprognose
Aufgrund der positiven Konjunktursignale und der bestehenden Inflationsrisiken rechnen wir damit, dass die EZB im kommenden Jahr noch weiter an der Zinsschraube drehen wird. Eine weitere Leitzinsanhebung um mindestens 25 Basispunkte ist bereits in den ersten Monaten des Jahres 2007 zu erwarten. Aus heutiger Sicht scheinen sogar Anhebungen über die Vier-Prozent-Marke möglich. Die Aufwertung des Euro, vor allem gegenüber dem US-Dollar, die nachlassende Konjunkturdynamik bzw. ein unsicheres globales Konjunkturumfeld sowie Zinssenkungen in den USA sollten aber den Appetit der EZB für Erhöhungen im Zaum halten. Nach dem ersten Quartal 2007 rechnen wir daher mit einer mehrmonatigen Ruhephase. In Bezug auf den Wechselkurs bleiben unsere Prognosen unverändert. Wir erwarten ein Verhältnis von Euro zu US-Dollar bei 1,35 im ersten Quartal.

Auswirkungen auf die Rentenmärkte
Die Anleihenkurse langer Laufzeiten werden durch den aktuellen EZB-Entschluss nicht unter Druck kommen. Vielmehr sollten sich Investoren in den kommenden Monaten über weitere Kursgewinne auf dem europäischen Rentenmarkt freuen können. Ausschlaggebend dafür sind vor allem die freundliche Tendenz auf dem US-Rentenmarkt und fallende Konjunkturvorlaufindikatoren in Europa. Das Renditetief bei 10jährigen Staatsanleihen dürfte jedoch allerdings bei 3,5 Prozent erreicht werden. Zunächst bleibt die Renditekurve flach, im ersten Quartal 2007 rechnen wir jedoch damit, dass die Geldmarktsätze über der Marktverzinsung von langfristigen Anleihen liegen werden. Das heißt, wir werden auch in der Eurozone eine inverse Zinskurve sehen. Der 12-Monats Geldmarktzins dürfte zumindest 30 Basispunkte über den 10jährigen Staatsanleihenrenditen gehandelt werden. Erst ab der Jahresmitte 2007 sollte sich die Zinskurve durch steigende Renditen langer Laufzeiten wieder normalisieren. Strafft die EZB jedoch die Geldpolitik stärker und hebt den Leitzinssatz um mehr als 25 Basispunkte, ist eine anhaltende Inversion der Zinskurve wahrscheinlich.

Auswirkungen auf die Aktienmärkte
Auf den Aktienmärkten könnten weitere Zinsanhebungen im ersten Quartal 2007 für ein Kippen der bislang freundlichen Stimmung sorgen. Verantwortlich für einen vorsichtigen und tendenziell schwächeren Start ins erste Halbjahr ist primär allerdings die Tatsache, dass die Gewinnschätzungen nach unten revidiert werden müssen.
 
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