Elf Wochen nach der Wahl  

erstellt am
18. 12. 06

Vor wenigen Tagen noch standen alle innenpolitschen Zeichen auf Sturm, das Verhalten der beiden großen Parteien SPÖ und ÖVP untereinander war dergestalt, daß es eher nach aufkeimendem Wahlkampf, denn nach einer kurz bevorstehenden Einigung in den Koalitionsgesprächen aussah. Es hat immer wieder geheißen, man wolle noch vor Weihnachten eine neue Regierung schaffen. Selbst Bundespräsident Heinz Fischer hatte die beiden Parteichefs Alfred Gusenbauer von den Sozialdemokraten und Wolfgang Schüssel von der Volkspartei gedrängt, die Regierungsbildung möglichst zügig voranzutreiben.

Gusenbauer stellte nun am Abend des 13. Dezember in einem "Zeit im Bild"-Interview fest, er gehe davon aus, daß am 11. Jänner 2007 eine SPÖ-ÖVP-Regierung angelobt werde. Er bezeichnete es als gut, daß es nun einen Zeitplan gebe, mit dem Fakten geschaffen würden, da sich die "österreichische Bevölkerung zu Recht" erwarte und nun auch damit rechnen könne, daß das neue Jahr eine neue Regierung bringe. Er wolle zügig verhandeln und alles tun damit dieser Zeitplan, der ein "gutes Gemeinschaftswerk von Bundespräsident Fischer, ÖVP-Obmann Schüssel und mir" sei, auch eingehalten werde.

Die Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP sei eine logische Folge des Wahlergebnisses, das besage, daß die Menschen in Österreich Änderungen wollten, aber keine allzu radikalen. Er sei überzeugt, daß es auch in der SPÖ eine ganz große Mehrheit für die große Koalition gebe um die großen Aufgaben in Angriff nehmen zu können.

Man sei gut unterwegs, meinte Schüssel in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gusenbauer vor dessen Interview, er sprach von einem "realistischen Zeitplan" für die Regierungsverhandlungen. Schüssel zeigte sich auch zuversichtlich, in den noch offenen Fragen Konsens zu finden. "Wichtig ist - und dazu haben wir die Finanzgruppe ermutigt - Wunsch und Wirklichkeit zur Deckung zu bringen. "Am Ende muß es ein Programm aus einem Guß sein." Zum weiteren Fahrplan der Regierungsverhandlungen sagte der noch regierende Bundeskanzler, am 8. Jänner würden die Regierungsverhandler einander zur Endrunde treffen und am 9. Jänner die jeweiligen Parteigremien tagen. Für den 11. Jänner sei die Angelobung der neuen Bundesregierung geplant, am 16. Jänner solle die Regierungserklärung folgen.

Doch zurück zum Fahrplan der Koalitionsverhandler. Ob dieser nämlich wirklich eingehalten werden kann, wird vielfach bezweifelt. Denn auch wenn es in manchen Bereichen Einigung zwischen den beiden Parteien gibt, sind doch schwere Brocken noch völlig offen. Vor allem in Bereichen, in denen die jeweils eigene Wählerschaft noch immer kaum davon überzeugt sein scheint, daß ein Abrücken oder Zurücknehmen von Versprechen in Kernbereichen - vor der Wahl abgegeben - mit Verständnis quittiert würde. So sind Gerüchte, die diese Einigung zur Regierungsbildung in nur so kurzer Zeit eher als gemeinsam geschaffene "Exit-Strategie" sehen. Folgen könnte eine Minderheitsregierung unter Alfred Gusenbauer, die dann, in staatspolitisch verantwortungsvoller Manier, sicherlich auf brauchbare Absicherung im Hohen Haus rechnen könnte. Zumindest solange, bis die beiden Untersuchungsausschüsse abgeschlossen sind und die Ergebnisse "Licht ins Dunkel" gebracht haben werden. Dann fällt uns Wählern möglicherweise die Entscheidung ein wenig leichter, wenn wir wissen, welche der schweren Vorwürfe aus dem Wahlkampf 2006 fundiert waren oder nur dem jeweils anderen aus wahltaktischen Gründen hatten schaden sollen. Der früheste Termin dafür wäre, so heißt es, ein Sonntag im Mai 2007. (mm)
 
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