Plassnik: "Erweiterung zu Erfolg machen"  

erstellt am
15. 12. 06

Außenministerin Ursula Plassnik zum Europäischen Rat
Brüssel (bmaa) - "Europa hat wieder Mut zur offenen Diskussion gefunden" erklärte Außenministerin Ursula Plassnik zur Debatte im Rahmen des Europäischen Rates zur Erweiterung und zur Frage der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union. "Österreich hat sich hartnäckig dafür eingesetzt, das Kriterium der Aufnahmefähigkeit auf die EU-Agenda zu setzen. Dass jetzt eine offene Orientierungsdebatte unter den Mitgliedstaaten zur Erweiterung stattfindet, ist ein großer Fortschritt und auch Verdienst der geduldigen österreichischen Vorarbeit", unterstrich Plassnik. "Durch dieses Thema zieht sich ein rot-weiß-roter Faden".

Jetzt sei es entscheidend - so die Außenministerin - das Konzept der Aufnahmefähigkeit praktisch anwendbar zu machen: "Keine akademische Übung, sondern konkrete Umsetzung ist gefragt. Dabei geht es nicht um ein kategorisches Aufstellen von Grenzbäumen oder um die Errichtung künstlicher Hürden. Die Aufnahmefähigkeit ist vielmehr eine Frage des gesunden Hausverstandes: Was kann die Union an Neuaufnahmen verkraften?"

Neben den so genannten Folgen-Abschätzungen (impact assessments) zur Beurteilung der Auswirkung einer möglichen Erweiterung für sensible EU-Politikbereiche komme aus österreichischer Sicht insbesondere der Kommunikation Bedeutung zu. "Dieser Punkt wurde bislang vernachlässigt. Wir haben in der Vergangenheit allzu sehr darauf vertraut, dass die Vorteile der EU-Erweiterung für jeden augenscheinlich sind. Manchen ist es aber in den letzten Jahren zu schnell gegangen. Wir müssen daher aktiv auf die Ängste und Anliegen der Bürger eingehen. Jeder Erweiterungsprozess muss umsichtig und sorgfältig vorbereitet und von einer nachhaltigen und offenen Kommunikationspolitik begleitet werden. Die EU muss die Bürger an Bord haben, will sie die Erweiterung zum Erfolg machen", so Plassnik.

Mit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens am 1.1.2007 werde die sechste Erweiterungsrunde seit Beginn der europäischen Integration abgeschlossen. "Die Geschichte hat uns mit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor eine epochale Herausforderung gestellt. Wir haben sie sehr gut bestanden. Die schrittweise Wiedervereinigung Europas durch Ausdehnung des europäischen Raums der Freiheit und des Rechts wird vor der Geschichte Bestand haben", sagte die Außenministerin.

Das Tempo der Erweiterung der EU werde jetzt aber geringer. Die Union werde die Prozesse sehr umsichtig und sorgfältig vorbereiten, nach innen wie nach außen. "Künftige Erweiterungsprozesse dürfen nicht zur Aushöhlung unseres gemeinsamen Besitzstandes führen. Das muss - im Interesse der gegenwärtigen und künftigen Mitglieder - sichergestellt sein."

Das bedeute keineswegs, dass die Tür zugemacht wird. Insbesondere für den am Horizont stehenden Balkan bleibe die klare europäische Perspektive gesichert. "Der Europäische Rat wird ein sehr positives Signal aussenden und klarstellen, dass die Staaten des Westbalkans als Freunde und Nachbarn in der EU willkommen sind", betonte Plassnik. Dies gelte selbstverständlich auch für Serbien. "Mit der gestrigen Unterzeichnung der Partnerschaft für den Frieden hat Serbien seine Isolierung durchbrochen. Das ist ein Erfolg für die proeuropäischen Kräfte im Land und ein weiterer konsequenter Schritt in der Heranführung an die europäische Wertefamilie", so die Außenministerin.

Die Außenminister berieten unter anderem auch über die Lage im Nahen Osten, Iran und den Sudan. Zur Lage im Nahen Osten betonte Plassnik, dass die Festigung des Waffenstillstandes zwischen Israelis und Palästinensern und dessen mögliche Ausweitung auf das Westjordanland ein wichtiges Element auf dem Weg zu einer friedlichen Koexistenz beider Völker sei. "Der nächste Baustein muss nun die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit im Rahmen der palästinensischen Verfassung sein. Gerade die heutigen Zusammenstösse im Gaza-Streifen zeigen, wie wichtig jede Bemühung um einen innerpalästinensischen Dialog ist", so die Außenministerin.

"Derzeit gibt es wieder gewisse vorsichtige Hoffnungszeichen in der Region. Zugleich stehen aber auch dunkle Wolken am Horizont - eine sich zuspitzende Krise im Libanon und eine zunehmende humanitäre und wirtschaftliche Notlage in den palästinensischen Gebieten. Gerade jetzt ist nachhaltiges internationales Engagement gefordert. Die Politik darf sich nicht wieder die Initiative von Extremisten entreißen lassen".
 
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