Koalitionsverhandlungen / Gesundheit  

erstellt am
21. 12. 06

 Burgstaller: Einigung in Koalitionsgesprächen
Weitreichende Änderungen im Gesundheitssystem Deutlicher Schwerpunkt auf Prävention - Entlastungen bei Selbstbehalten - Nichtraucherschutz außer Streit
Wien (sk) - "Das sind gesunde Aussichten für die Menschen in Österreich." So kommentierte SPÖ-Gesundheitsverhandlerin Landeshauptfrau Gabi Burgstaller die Einigung mit der ÖVP am 20.11. SPÖ und ÖVP hätten sich in weiten Bereichen auf richtungsweisende Änderungen geeinigt.

Vor allem im Bereich der Prävention gehe man nach dem Prinzip "Krankheit ist vermeidbar" den "chinesischen Weg": "Bei den großen Volkskrankheiten wie Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes wird es in Zukunft mehr Prävention geben. Alle Akteure in Österreich werden sich bundesweit auf gemeinsame Gesundheitsziele einigen. Die Vorbeugung wird inhaltlich finanziell und organisatorisch auf eine komplett neue Grundlage gestellt", erläuterte Burgstaller am Mittwoch gegenüber dem Pressedienst der SPÖ.

Der Fluss der Geldströme wird in Zukunft stärker an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten ausgerichtet. Das heißt, dass weniger die Interessen der Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen, sondern mehr die Bedürfnisse der Patienten im Mittelpunkt stehen werden. Die stark wachsende Gruppe der mehrfach und chronisch Erkrankten soll so stärker berücksichtigt werden. Das Konzept der integrierten Versorgung bringt eine stärkere Zusammenarbeit aller Versorgungsebenen: Also von Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten, Rehab und Pflege. "Die Nagelprobe für diese Veränderung soll schon der Finanzausgleich 2008 sein", so Burgstaller. Alle Beteiligten wie Bund, Länder, Krankenkassen und Gemeinden werden bis dahin in die "Finanzierung aus einem Guss" einsteigen.

Deshalb wird das österreichische Gesundheitssystem auch besser ausgebildete Ärzte brauchen, und die Hausärzte werden in Zukunft zu Fachärzten für Allgemeinmedizin aufgewertet. Sie werden für die PatientInnen zu "Lotsen" im Gesundheitssystem.

Eine gute Nachricht hat Burgstaller auch für chronisch und mehrfach Erkrankte: Bei Selbstbehalten und Rezeptgebühren hat man sich auf eine Entlastung geeinigt. Und es wird in Zukunft jährliche Obergrenzen für Belastungen geben, die konkrete Höhe muss noch ausverhandelt werden. Das Ziel: Niemand soll, weil er zu wenig Geld hat, nicht die richtige Behandlung oder die bestmöglichen Medikamente bekommen.

Einigkeit gibt es auch in der Frage des Einsparungspotentials: Dabei geht es darum, unter anderem durch Einsatz von Generika und durch bessere Ausschöpfung des tagesklinischen Potentials in dieser Legislaturperiode rund 400 Mio. Euro einzusparen. Auch das Salzburger Modell soll massiv Geld sparen helfen. Dabei nützen Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte gemeinsam teure Großgeräte wie Röntgenapparate oder Computertomografen.

Auch der Nichtraucherschutz ist außer Streit: Nichtrauchen wird der Normalzustand in Österreichs Lokalen, in - räumlich abgetrennten - Raucherzonen darf aber weitergeraucht werden.

Die Gebietskrankenkassen sollen auf Bundesebene aufgewertet werden: Jetzt gibt es neun verschiedene GKKs, sie werden auf Bundesebene eine gemeinsame Sparte bilden, und dort gemeinsam Entscheidungen treffen. Für alle Versicherten gilt in Zukunft ein einheitliches Leistungsrecht.

Keine Einigung gibt es hingegen in der Frage zusätzlicher Geldmittel: die ÖVP verweigert die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage. Das sei eine schlechte Nachricht für die Rechtsträger der Krankenhäuser, gerade auch für die kleinen Gemeindespitäler, die das Rückgrat der Gesundheitsversorgung bilden, so Burgstaller. In dieser Frage hoffe man auf ein Einlenken der ÖVP, da die Weigerung nicht zuletzt auch ÖVP-dominierte Bundesländer und v.a. Gemeinden treffe, so Burgstaller abschließend.

 

 Rauch-Kallat: Gesundheitsreform 2004 wird fortgeschrieben
Keinerlei Einigung bei Finanzierung
Wien (övp-pk) - "Die 2004 begonnene Gesundheitsreform wurde bei den Verhandlungen klar bestätigt", sagte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat am 20.12. am Rande der laufenden Koalitionsverhandlungen. "So ist der eingeschlagene Weg einer integrierten Planung, Steuerung und Finanzierung des Gesundheitswesens unbestritten und soll auch künftig konsequent weitergeführt werden, um der österreichischen Bevölkerung die bestmögliche Versorgung bieten zu können."

Sämtliche Finanzierungsfragen seien indes noch offen, stellte Rauch-Kallat klar, da eine Gesamtbewertung zusätzlicher Kosten bzw. Mindereinnahmen noch fehle.

 

Westenthaler: SPÖVP Verbotspolitik erinnert an kommunistische Diktatur
BZÖ startet österreichweite Bürgerinitiative gegen generelles Rauchverbot in Gastronomiebetrieben
Wien (bzö) - "Nach der Einigung zwischen SPÖ und ÖVP über ein generelles Rauchverbot in Lokalen ist jetzt die großkoalitionäre Verbotspolitik amtlich. Wir werden erbitterten Widerstand gegen diese Politik des Verbots, der Überregulierung und der Einschränkung der Freiheit des Einzelnen und des Unternehmertums leisten. Diese Politik von SPÖ und ÖVP erinnert eher an eine kommunistische Diktatur, wo bis in private Bereich eingegriffen und das freie Unternehmertum untersagt wurde", kritisierte BZÖ-Chef KO Ing. Peter Westenthaler fest.

Westenthaler kündigte in diesem Zusammenhang den heutigen Start einer österreichweiten Bürgerinitiative "Ohne Verbot geht's auch - Gegen ein generelles Rauchverbot in Gastronomiebetrieben" gegen diese Verbotspolitik von SPÖ und ÖVP an. "Wir werden in ganz Österreich Unterschriften sammeln und eine diesbezügliche Petition im Parlament einbringen. Das Formular ist "downloadbar". Der BZÖ-Chef verwies auf die vor drei Wochen gestartete Aktion des BZÖ auf der Homepage http://www.ohneverbotgehtsauch.at. Bisher hätten sich von den über 4300 Teilnehmern der Online-Umfrage über 75 Prozent vehement gegen ein generelles Rauchverbot ausgesprochen.

"Uns geht es nicht um Rauchen oder Nichtrauchen. Immerhin hätte Rauch-Kallat als Gesundheitsministerin jahrelang Zeit gehabt, eine aktive und umfassende Anti-Rauch- Aufklärungskampagne zu starten. Gerade an Schulen wird hier viel zu wenig getan. Dies ist nicht zuletzt ein Grund dafür, dass immer mehr Jugendliche mit dem Rauchen beginnen", so der Nichtraucher Westenthaler.

"Wir sind aber strikt gegen den Beginn eine Politik der Verbote, des Zwangs und der Einschränkungen, die die große Koalition vorantreiben will. Das BZÖ wird die Stimme der Bürger sein, die nicht wollen, dass sich Parteien und der Staat in ihr Privatleben einmischen. Man muss sich ja schön langsam fragen, welche Steigerung SPÖ und ÖVP als nächstes planen, etwa Verbote in den eigenen vier Wänden? Wir treten weiterhin für die friedliche Koexistenz von Nichtrauchern und Rauchern und damit für getrennte Raucher- und Nichtraucherzonen ein. Dies erreicht man sicherlich nicht mit Verboten und Zwang, sondern mit vernünftigen Lösungen, wie etwa einer deutlichen Kennzeichnung vor Lokalen. Es muss aber Gastronomen vorbehalten sein, in welcher Form sie ihre Gastronomiebetriebe einrichten und betreiben, sowie den Gästen, ob diese dann frequentiert werden oder nicht", so Westenthaler abschließend.

 

Brettenthaler sieht geplante Gesundheitspolitik differenziert
Positive Ansätze - illusionistische Einsparvorhaben - Skepsis angebracht
Wien (ärztekammer) - Differenziert bewertet hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Dr. Reiner Brettenthaler, die Gespräche der Koalitionsverhandler zur Gesundheitspolitik. "Die Tatsache, dass man die Hausärzte künftig durch eine Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin 'Lotsen' im System einsetzen will, ist an sich sehr positiv, auch wenn konkrete Ausprägungen noch fehlen und die Strukturen dafür noch hergestellt werden müssen", erklärte Brettenthaler in einer Aussendung am Donnerstag.

Als richtigen Schritt sieht der Ärzte-Präsident das Vorhaben, Ärztegesellschaften zuzulassen, die auch andere Ärztinnen und Ärzte anstellen dürfen. Einsparungen in der Höhe von insgesamt 400 Millionen Euro im Spitalsbereich hält Brettenthaler allerdings für "illusionistisch und auch unmachbar, wenn die Versorgung darunter nicht leiden soll".

Was nun die Aufwertung der Allgemeinmedizin in Grundversorgung und Steuerung der Patienten und ihrer steigenden Bedürfnisse betreffe, dürfte, so Brettenthaler, das beharrliche Erklären der Ärztekammer doch auf fruchtbaren Boden gestoßen sein. Auch die gegenüber der Ärztekammer deklarierte Absicht, die Ärzteausbildung zu verbessern, begrüßt Brettenthaler. Etwa sei es dringend erforderlich, durch die verpflichtende Einführung eines Turnus-Tätigkeitsprofils die Arbeit der angehenden Ärztinnen und Ärzte auf ausbildungsrelevante Faktoren zu konzentrieren.

Die Absicht der Koaltionsverhandler, in den österreichischen Gaststätten ein Rauchverbot einzuführen, findet Zustimmung.

Insgesamt zeigt sich Ärztekammer-Präsident Brettenthaler jedoch vorsichtig. "Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass der Veränderungsbedarf im Gesundheitssystem zwar durchaus politisch erkannt wurde, bei der Umsetzung gab es jedoch immer große Schwierigkeiten. Wir werden sehen, inwieweit die Schwerpunkte der kommenden Gesundheitspolitik darin liegen, den Menschen unseres Landes eine flächendeckende Versorgung auf höchstmöglichem Niveau sicherzustellen oder ob es primär um Einsparungen geht."
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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