Österreichs Finanzsystem bleibt unverändert robust  

erstellt am
19. 12. 06

Wien (oenb) - „Das österreichische Finanzsystem bleibt auch in einem Umfeld gestiegener Zinsen robust“, stellt Direktor Christl im Rahmen der Präsentation des Finanzmarktstabilitätsberichts fest. Die Kreditfinanzierung ist zwar für Unternehmen und Haushalte zuletzt etwas teurer geworden. Allerdings nahmen Unternehmen zunehmend Mittel auf dem Kapitalmarkt auf, wo sich die Bedingungen in den vergangenen Monaten wieder verbessert haben. Für die privaten Haushalte bedeuten die höheren Zinsen nicht nur höhere Aufwendungen für Kredite, sondern auch höhere Erträge für ihre Spareinlagen. Die Kreditnachfrage ist trotzdem dynamisch, die Ertragslage von Banken und Versicherungen entwickelt sich weiterhin sehr gut. „Die steigenden Risiken, die angesichts der raschen Expansion der österreichischen Banken in Zentral- und Osteuropa entstehen, müssen aber sehr genau beobachtet werden.“

Weiterhin solide Finanzlage von Unternehmen und Haushalten
Trotz der Zinserhöhungen der EZB im Verlauf des vergangenen Jahres haben sich die Finanzierungsbedingungen der österreichischen Unternehmen angesichts steigender Aktienkurse und sinkender Anleiherenditen verbessert. Im ersten Halbjahr 2006 erfolgte rund 60% der Außenfinanzierung des Unternehmenssektors über Anleihen und Aktien. Die verbesserte Gewinnsituation erhöht zudem das Innenfinanzierungspotenzial. Der Anteil der mit Zinsänderungsrisiko behafteten Passiva ist aufgrund der steigenden Bedeutung der Kapitalmarktfinanzierung für den Unternehmenssektor gesunken. Das dynamische Wachstum der Unternehmenskredite deutet darauf hin, dass die bevorstehende Einführung von Basel 2 die Kreditvergabe der österreichischen Banken nicht hemmt.

Die Verschuldungsquote der österreichischen Haushalte ist im internationalen Vergleich weiterhin relativ gering. Da ein Großteil der Kredite an private Haushalte variabel verzinst ist, ist deren Zinsrisiko nicht unerheblich. Hinzu kommen durch die weiterhin hohe Verschuldung in Fremdwährungskrediten bedeutende Währungsrisiken. Für die Veranlagung der Haushalte hat der Kapitalmarkt weiter an Bedeutung gewonnen. Wenngleich sich die Erholung der Kapitalmärkte seit dem zweiten Quartal günstig auf die Vermögenssituation ausgewirkt hat, sind die Haushalte dadurch vermehrt Kursrisiken ausgesetzt.

Exponierung der österreichischen Banken gegenüber Zentral- und Osteuropa bedarf sorgfältiger Beobachtung
„Die Tochterbanken in Zentral- und Osteuropa liefern auch im bisherigen Verlauf des Jahres 2006 einen anhaltend hohen Beitrag zu den steigenden Gewinnen der österreichischen Banken. Das rasche Wachstum in der Region birgt jedoch auch Risiken, die nicht vernachlässigt werden dürfen“, stellte Direktor Christl fest. „Auch auf dem Inlandsmarkt sehen wir nun seit dem Jahr 2003 eine kontinuierliche Verbesserung.“

Mehr als ein Drittel des Ergebnisses des gesamten österreichischen Bankensystems wird schon in Zentral- und Osteuropa erwirtschaftet. Durch Übernahmen und Umstrukturierungen haben sich die Geschäftsaktivitäten weiter Richtung Osten verlagert. Die in diesen Märkten zu erzielenden höheren Renditen sind jedoch auch mit einem entsprechend höheren Risiko verbunden. Nach den bevorstehenden EU-Beitritten von Bulgarien und Rumänien unterliegen aber weiterhin knapp zwei Drittel der Bilanzsumme österreichischer Banken in Zentral- und Osteuropa den rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der EU. Das hohe Kreditwachstum in dieser Region stellt jedoch zunehmend eine Herausforderung für die Risikomanagementsysteme der dort tätigen Banken dar. Hinzu kommt, dass auch in Zentral- und Osteuropa ein großer Teil der Kredite an Unternehmen und private Haushalte in fremder Währung vergeben wird.

Das Geschäft der österreichischen Banken im Inland entwickelt sich gut. Die Aufwand-Ertrag-Relation liegt in den ersten drei Quartalen 2006 bei rund 64%, was einen historischen Tiefststand bedeutet. Wichtigster Wachstumsmotor bleibt dabei das Provisionsgeschäft, während die Zinsspanne abermals gesunken ist. Gestiegener Wettbewerb, der hohe Anteil der Fremdwährungskredite und eine flachere Zinsstruktur haben dafür gesorgt, dass die Zinsspanne in den letzten zehn Jahren um nahezu die Hälfte auf knapp über 1 % zurückgegangen ist. Wenn sich die zurzeit sehr günstigen Kreditrisikokosten wieder erhöhen, kann die Schwäche der Zinsmargen die Rentabilität des Inlandsgeschäfts insgesamt unter Druck bringen. Die österreichischen Banken verfügen aber mit ihrer derzeitigen Eigenmittelausstattung über einen guten Risikopuffer. Stress Tests bestätigen die hohe Schockresistenz des österreichischen Bankensektors.

Als potentielle Risikofaktoren für die Finanzmarktstabilität in Österreich sind neben einer abrupten Reaktion von Wechselkursen und Zinsen auf die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte, die stärkere Exponierung der privaten Haushalte gegenüber Marktentwicklungen und die rasche steigende Abhängigkeit der großen österreichischen Banken von den Entwicklungen in Zentral- und Osteuropa zu nennen. Die Rentabilität der Banken am Inlandsmarkt bleibt trotz Verbesserungen im operativen Geschäft aufgrund der anhaltenden Reduktion der Zinsspanne niedrig.

Der halbjährlich erscheinende Finanzmarktstabilitätsbericht der OeNB enthält regelmäßige Analysen finanzmarktstabilitätsrelevanter Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld. Daneben werden im Rahmen von Schwerpunktartikeln auch gesonderte Themen behandelt, die im Zusammenhang mit der Stabilität der Finanzmärkte stehen. In der aktuellen Ausgabe sind dies die Determinanten der Zinsspannen österreichischer Banken, die Modellierung des Kreditrisikos der Portfolios von Banken, die Kreditvergabe- und Bepreisungsstrategien österreichischer Banken, sowie der ukrainische Bankensektor. Der Finanzmarktstabilitätsbericht ist auf der Website der OeNB unter http://www.oenb.at abrufbar.
 
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