Europas Wirtschaft lässt sich von drohender Katerstimmung in den USA nicht anstecken  

erstellt am
05. 01. 07

Wien (rzb) - Wie erwartet zeigt die US-Konjunktur erste Schwächeanzeichen. Die schrumpfende Bauwirtschaft drückte das US-Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte 2006 bereits deutlich unter den langjährigen Durchschnitt von drei Prozent (3. Quartal 2006: 2,2 Prozent annualisiert). Während der private Konsum derzeit noch intakt ist, herrscht in der Industrie bereits Zurückhaltung. Zieht man den ISM-Einkaufsmanagerindex, der als wichtiges Konjunkturbarometer gilt, als Maßstab heran, stehen die Zeichen für die US-Wirtschaft auf Stagnation. Ein Abgleiten in die Rezession schließt Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), jedoch aus. Aus heutiger Sicht hält er – aufgrund des robusten Arbeitsmarktes und der soliden Gewinnsituation der US-Unternehmen – „eine sanfte Landung der US-Wirtschaft für sehr realistisch.“

Europa: Wirtschaftsentwicklung kann sich von USA abkoppeln
Ein ungewöhnliches, weil seltenes Bild zeigen hingegen die Prognosen für die nunmehr 13 Länder der Eurozone. „Die Signale für die Wirtschaft halten sich im grünen Bereich“, erklärt Brezinschek. „Das überrascht, weil sich die europäische Konjunktur nur selten von einer US-Wachstumsschwäche abkoppeln konnte.“ Mit einem erwarteten realen Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent zeichnet sich für das laufende Jahr sogar erstmals seit vielen Jahren wieder ein Wachstumsvorsprung gegenüber den USA (US-BIP real 2007e: 1,9 Prozent) ab. Für Brezinschek zählen der Wachstumsmotor Osteuropa, die stärkere Marktverflechtung der europäischen Wirtschaft mit den boomenden Staaten Asiens und die hohe Investitionstätigkeit der Unternehmen zu den tragenden Säulen der anhaltenden Dynamik innerhalb der Eurozone. Zu kurzfristigen Verzerrungen könnte es lediglich aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland kommen.

Zinsen: Annäherung der Zinsniveaus
Trotz jüngster Anhebung des Leitzinssatzes durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist das Zinsniveau niedrig, Investitionen bleiben für Unternehmen nach wie vor interessant. Vor dem Hintergrund der positiven Konjunkturentwicklung erwartet Brezinschek im laufenden Jahr zwei Zinserhöhungen: die ersten 25 Basispunkte (also 0,25 Prozentpunkte) noch in diesem Quartal und weitere 25 Basispunkte auf 4,0 Prozent gegen Jahresende.

Im Unterschied zur EZB befindet sich ihr US-Pendant Federal Reserve (Fed) zurzeit in Lauerstellung. Solange die Kerninflation mit 2,8 Prozent weit über ihrer Schmerzgrenze liegt, ist Abwarten die Devise. Erst wenn auch der private Konsum und der Arbeitsmarkt erste Schwächesignale senden, könnte die Fed noch gegen Ende des laufenden Quartals eingreifen und den Leitzinssatz um 25 Basispunkte senken, weitere 25 Basispunkte auf 4,75 Prozent sind bis zur Jahresmitte möglich.

Währungen: Euro zeigt sich im ersten Halbjahr bärenstark
Während Brezinschek in der Geldpolitik der EZB keine Gefahr für die europäische Konjunktur sieht, „müsste man sich eher um den Euro machen Sorgen machen, der angesichts abschmelzender Zinsunterschiede gegenüber dem Dollar weiter an Terrain gewinnen wird. Erst wenn die US-Rezessionsängste und damit auch die US-Zinssenkungsspekulationen ihren Höhepunkt erreicht haben, sollte auch der Euro-Dollar-Wechselkurs sein Hoch gesehen haben“, ist der Chefanalyst der RZB überzeugt. Bis dahin wird der Euro 1,35 US-Dollar erreicht haben und könnte sogar den historischen Höchststand aus dem Jahr 2004 (1,367) mit Werten zwischen 1,37 und 1,40 überschießen.

Die widersprüchliche wirtschaftliche Entwicklung Japans – blendender Stimmung in den Unternehmen stehen schwache BIP-Wachstumsraten gegenüber – und die nur langsam steigende Inflation lassen die Bank of Japan weiterhin sehr zurückhaltend agieren. Die zumindest noch im ersten Quartal zunehmenden Zinsdifferenzen zur Eurozone sprechen vorerst für einen weiterhin schwachen Yen (Euro/Yen Zielwert für März 2007: 157).

Corporate Bonds: Trendwende bei High-Yields
Unter dem starken Euro werden vor allem die Margen der europäischen Exportunternehmen leiden, weshalb von geringeren Gewinnwachstumsraten als noch im vergangenen Jahr ausgegangen wird. Die Auswirkungen werden in der Folge aber nicht nur für Aktionäre spürbar sein. Zählten High-Yield Unternehmensanleihen im vergangenen Jahr mit einer Wertentwicklung von rund 8,8 Prozent noch zu den Performance-Überfliegern im Rentenbereich, rät Brezinschek aufgrund abnehmender Bonität und dem damit verbundenen Anstieg der Renditeaufschläge von einer derzeit leichten Übergewichtung zur Untergewichtung im Verlauf des ersten Quartals.

Renten: Weitere Kursgewinne in Europa
Der freundliche US-Rentenmarkt und die Entwicklung der Konjunkturvorlaufindikatoren im Euroraum sollten für weitere Kursgewinne bei europäischen Staatsanleihen sorgen. Für das Musterportfolio der RZB leitet sich daraus eine Übergewichtung des Euroraumes sowie britischer Bonds ab. „Allerdings sehen wir für Renditen zehnjähriger Euro-Anleihen 3,5 Prozent als untere Grenze“, sagt Brezinschek.

Sowohl US- als auch japanische Anleihen werden von Brezinschek im RZB-Musterportfolio hingegen untergewichtet. „Bei Betrachtung der Renditeentwicklung sind US-Anleihen zwar am attraktivsten, für Euroinvestoren aus Währungsüberlegungen aber uninteressant“, fasst Brezinschek zusammen. Anders die Situation in Japan: Dort ist der Rentenmarkt vom Druck möglicher Zinserhöhungen geprägt.

US-Unternehmen: Gute Gewinne trotz flauer Konjunktur – wie lange noch?
Vor dem Hintergrund einer abkühlenden US-Konjunktur stellt sich für Anleger die Frage, wann auch auf dem Aktienmarkt mit einem Klimawechsel zu rechnen ist. Bislang ließen sich die Märkte aufgrund immer neuer, positiver Gewinnüberraschungen der Unternehmen vom volkswirtschaftlichen Umfeld nicht beeindrucken. Diese trotz schwächerer Konjunktur anhaltende Gewinndynamik hat drei wesentliche Gründe: Zum einen wird das Gewinnwachstum zu laufenden Marktpreisen (nominell) erfasst, wohingegen das BIP zu konstanten Preisen (real) gemessen wird.

Neben diesem formalen Unterschied in der Messung spielt aber auch die internationale Ausrichtung der Unternehmen eine große Rolle. „Im Durchschnitt aller S&P 500 Unternehmen werden fast 30 Prozent der Umsätze außerhalb der USA erwirtschaftet“, berichtet Helge Rechberger, Leiter der RZB Aktienmarktanalyse. „Eine nach wie vor starke globale Konjunktur sorgt daher auch bei einer schwächeren inländischen Dynamik für einen Puffer. Darüber hinaus ist die aktuelle US-Konjunkturschwäche bislang praktisch allein durch den Einbruch auf dem Immobilienmarkt zu erklären.“ Wirft dieser Einbruch, wie erwartet, seine Schatten auch auf den privaten Konsum, werden die Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne jedoch nicht auf sich warten lassen.

Aktien: Defensive Branchen bevorzugt
Trotz schwächerer Gewinndynamik erwartet Rechberger für den US-Aktienmarkt – nach Kursverlusten im ersten Quartal – einen versöhnlichen Ausklang 2007. Doch während sich die US-Exportwirtschaft über den schwachen Dollar freuen kann, bleibt dieser für Euroinvestoren auch im laufenden Jahr weiterhin der Wermutstropfen.

Der geringfügigen Übergewichtung der US-Aktien steht eine leichte Untergewichtung von Titeln aus dem Euroraum gegenüber. Ausschlaggebend dafür ist neben der Belastung durch den starken Euro die hier vergleichsweise größere Schwankungsfreudigkeit von Aktien. Europäische Aktien außerhalb der Eurozone stuft Rechberger hingegen als krisenresistenter ein. Das größte Korrekturpotenzial sieht der Aktienmarktexperte der RZB in Osteuropa, Japan und den Emerging Markets.

Bei der Branchenpositionierung empfiehlt Rechberger eine defensive Ausrichtung. Dementsprechend werden auch im RZB-Musterportfolio defensiver Konsum, Gesundheit und Versorger bevorzugt. Zyklische Werte, allen voran IT, aber auch Energie und zyklischer Konsum, werden hingegen untergewichtet.

Asset Allocation: Mit dem Jahreswechsel ist die Zeit für Renten gekommen
Die aus Börsensicht als negativ zu bewertende Entwicklung wesentlicher Fundamentaldaten wurden von den Investoren bislang ignoriert. „Offensichtlich konnten eine günstige Aktienbewertung, das solide globale Wachstum sowie entsprechende Liquiditätsströme die Märkte stabilisieren“, stellt Brezinschek fest. Das RZB Portfolio startet daher mit einer neutralen Aktiengewichtung in den Jänner. „Mit zunehmender Zahl der Unternehmensmeldungen sollte jedoch Katerstimmung Einzug halten. Den für die kommenden Monate erwarteten Kurskorrekturen werden wir daher auch in unserem Musterportfolio mit einer schrittweisen Absenkung der Aktienquote in Richtung 40 Prozent Rechnung tragen.“
Bereits zum Jahreswechsel wurde der Aktienanteil von 56 auf 50 Prozent reduziert, während im Gegenzug der Rentenanteil von 39 auf 45 Prozent erhöht wurde. Der Anteil der Alternativen Investments liegt unverändert bei fünf Prozent. Spätestens ab Jahresmitte soll sich das Blatt allerdings wieder zugunsten der Dividendenpapiere wenden, weshalb Brezinschek bereits im zweiten Quartal eine schrittweise Anhebung des Aktienanteils empfiehlt.

Die wichtigsten Entwicklungen des Jahres 2007 auf einen Blick:

  • US-Konjunktur hat die besten Zeiten hinter sich: Abschwächung wie erwartet eingetroffen; massive Einbrüche in der Bauwirtschaft werden die US-Konjunktur im ersten Quartal 2007 weiter nach unten ziehen.
  • Dynamik im Euroraum bleibt aufrecht: Derzeit kein Anzeichen von Schwäche erkennbar; Osteuropa, Boommärkte Asiens und hohe Investitionsbereitschaft der Unternehmen bilden Schwungmasse für den Euroraum.
  • Divergierende Geldpolitik von FED und EZB: Während in den USA bereits erste Zinssenkungen erwartet werden, wird in der Eurozone mit weiteren Zinserhöhungen gerechnet.
  • Dollar bleibt schwach: US-Dollarschwäche setzt sich fort; kurzfristig neue historische Höchststände beim Euro/Dollar-Verhältnis möglich.
  • Vorerst sind Anleihen gefragt: Portfoliostrategie des ersten Quartals zielt auf deutliche Reduktion der Dividenden- zugunsten von festverzinslichen Papieren ab; europäische Staatsanleihen bevorzugt.
 
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