Parlament feiert "100 Jahre Wahlrechtsreform"  

erstellt am
10. 01. 07

Neue 5-Euro-Münze und CD mit historischen Tondokumenten präsentiert
Wien (pk) - Vor 100 Jahren, am 21. Jänner 1907, wurde in Österreich eine neue Wahlordnung für das damalige Parlament, den Reichsrat, beschlossen. Mit dieser neuen Wahlordnung wurde nicht nur das allgemeine und gleiche Wahlrecht – allerdings nur für Männer – eingeführt, es wurden auch andere wichtige, bis heute geltende Wahlgrundsätze erstmals verankert.

In Erinnerung an dieses historische Ereignis hat die Münze Österreich eine neue 5-Euro-Silbermünze geprägt, die am 09.01. gemeinsam mit einer CD des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Parlament präsentiert wurde. Die CD enthält historische Tonaufnahmen neun führender Politiker zur Wahlrechtsreform 1907 aus den Jahren 1905-1907. Wiewohl damals zum Teil umstritten, bezweifelt heute niemand mehr die Bedeutung dieser Wahlrechtsreform für die politische Entwicklung in Österreich.

Parlamentsdirektor Georg Posch zeigte sich in Vertretung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer erfreut, dass die Münze Österreich immer wieder historisch bedeutende Ereignisse aufgreife und mit der Wahlrechtsreform 1907 erneut ein parlamentarisches Thema als Motiv für eine Münze gewählt habe. Dass das allgemeine Wahlrecht zunächst nur für Männer galt, wertete er als "wichtigen Schönheitsfehler", der erst 1918 korrigiert worden sei.

Die Präsentation der 5-Euro-Silbermünze "100 Jahre Wahlrechtsreform" übernahm Dietmar Spranz, Generaldirektor der Münze Österreich. Die Münze zeigt einen Ausschnitt aus dem historischen Plenarsaal des Abgeordnetenhauses, ergänzt durch Porträts von Kaiser Franz Joseph I. und des damaligen Ministerpräsidenten Max Wladimir Freiherr von Beck. Auf der Wertseite der Münze werden, wie auf allen anderen österreichischen 5-Euro-Münzen, die Wappen der neun Bundesländer dargestellt, aus denen sich auch die Neuneck-Form der Münze ableitet.

Spranz machte darauf aufmerksam, dass die Münze Österreich bereits seit dem Jahr 2002 5-Euro-Münzen in Umlauf bringe, die im Inland auch als gesetzliches Zahlungsmittel verwendbar sind. Die 5-Euro-Münzen seien beliebt bei denen, die sie kennen, meinte er, allerdings sei der Bekanntheitsgrad nicht unbedingt hoch. Die nunmehr herausgegebene Münze "100 Jahre Wahlrechtsreform" ist Spranz zufolge auch der Beitrag Österreichs zum Europaprogramm der Euro-Länder, das heuer unter dem Motto "Europäische Errungenschaften" steht.

Vorgestellt wurde im Parlament auch eine CD des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Tonaufnahmen neun führender Politiker zur Wahlrechtsreform aus den Jahren 1905-1907 enthält und aus aktuellem Anlass in einer technisch verbesserten Form neu aufgelegt wurde. Unter anderem ist darauf Victor Adler zu hören, der sich – wie auch andere Mitglieder des Abgeordnetenhauses – positiv über die Wahlrechtsreform äußert. Ergänzt werden die Originalaufnahmen durch eine Einführung des Historikers Helmut Rumpler und den Kommentar von Rainer Hubert.

Dietrich Schüller, geschäftsführender Direktor des Phonogrammarchivs, wies im Rahmen der CD-Präsentation darauf hin, dass die vorliegenden "Stimmporträts" Raritäten darstellten und es eine Ausnahme sei, dass zu einem wichtigen politischen Thema der damaligen Zeit gleich neun Tondokumente vorliegen. Zu verdanken sind die Aufzeichnungen ihm zufolge den Gründern des Phonogrammarchivs, das bereits 1899 eingerichtet wurde und damit das älteste audiovisuelle Archiv der Welt ist. Das Archiv (www.pha.oeaw.ac.at) beherbergt neben wissenschaftlichen Tondokumenten auch historische "Stimmporträts" von Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kunst. Seit 2001 werden auch videographische Forschungsdokumente aufbewahrt.

Rumpler: Wahlrechtsreform war eine Sternstunde des Parlamentarismus
Wie der Historiker Helmut Rumpler von der Akademie der Wissenschaften in seinem Vortrag ausführte, war die Wahlrechtsreform 1907 ein bedeutender Schritt zur Demokratisierung des politischen und gesellschaftlichen Systems in Österreich sowie eine Sternstunde des Parlamentarismus. Die Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und unmittelbaren Wahlrechts und die Aufhebung der ungleichen Verteilung der Mandate stellte den ersten Schritt in Richtung einer echten Volksvertretung dar, aber dennoch wurde ihm zufolge schnell klar, dass damit kein großer Wurf gelungen ist. Man hatte nämlich gehofft, dass dadurch die großen Probleme der Monarchie gelöst werden könnten, erklärte Rumpler. Es wurde aber weder die Staatsreform weitergeführt, noch habe die höhere Anzahl an Abgeordneten dazu geführt, dass Antworten auf die dringlichsten Fragen gefunden wurden. Politik wurde nicht mehr im Hohen Haus gemacht, die Tage des Parlaments waren gezählt, schloss er.

Auch Brigitte Bader-Zaar (Assistenzprofessorin an der Universität Wien) ging auf die hohe symbolische Bedeutung der Wahlrechtsreform ein, von der jedoch zunächst nur die Männer profitierten. Den Frauen wurde 1907 sogar das Wahlrecht entzogen, da eine kleine Minderheit von ihnen im Rahmen der Kurie der Großgrundbesitzer bis zu diesem Zeitpunkt über das Wahlprivileg verfügte. Die Gegner des Frauenwahlrechts führten bei den Diskussionen im Parlament ins Treffen, dass Frauen in der Politik nichts zu suchen hätten und eine solche Betätigung den häuslichen Frieden stören würde. Einzig und allein tschechische Abgeordnete brachten Anträge zum Frauenwahlrecht ein.

Der Reform gingen, wie Bader-Zaar schilderte, zahlreiche Aktivitäten der in der ganzen Monarchie erstarkenden Frauenbewegung voraus, dennoch konnte das Frauenwahlrecht, das nur von Sozialdemokraten gefordert wurde, noch nicht umgesetzt werden. Die Sozialdemokraten "opferten" schließlich diese Forderung, um die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für die Männer nicht zu gefährden. Dies führte zu einer tiefgehenden Spaltung in der Frauenbewegung zu der damaligen Zeit, erläuterte Bader-Zaar. Erst der durch den Ersten Weltkrieg ausgelöste politische Umbruch sollte die Lage ändern und die Entwicklungen führten letztendlich zur Wahlrechtsreform im Jahr 1918, die nun auch die Frauen mit einschloss.

Musikalisch umrahmt wurde die Münz- und CD-Präsentation im Parlament vom Drach-Quartett.

Die 5-Euro-Silbermünze "100 Jahre Wahlrechtsreform" ist ab 10. Jänner in allen Banken und Sparkassen sowie im Münzfachhandel erhältlich. Für Sammler wird sie, attraktiv verpackt und mit ausführlichen Informationen versehen, um 9 € auch in der besonderen Prägequalität "handgehoben" angeboten. Die Auflage für die Normalprägung umfasst 150.000 Stück, dazu kommen 100.000 verpackte Sammlermünzen.
 
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